
In der deutschen Kriminalstatistik sind Ausländer im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich häufig vertreten. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Staatsangehörigkeit und einer Kriminalitätsneigung gibt. Darüber hinaus weisen die Statistiken methodische Mängel auf.
Inhalt
- Welche Schwachstellen oder Interpretationsfehler gibt es bei Kriminalstatistiken?
- Wie beeinflusst das Verhalten von Polizei und Justiz die Überrepräsentation von Ausländern in Kriminalstatistiken?
- Welche Rolle spielt die öffentliche Wahrnehmung bei der Kriminalitätsdebatte?
- Welche Risikofaktoren führen zu Gewalt und sind Ausländer diesen besonders ausgesetzt?
- Wie könnte man das Kriminalitätsrisiko für Ausländer reduzieren?
Welche Schwachstellen oder Interpretationsfehler gibt es bei Kriminalstatistiken?
Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts erscheint jährlich und sorgt regelmäßig für großes Aufsehen. Allerdings gibt sie keinen vollständigen Überblick über die tatsächliche Kriminalität in Deutschland, sondern lediglich über die Anzeigebereitschaft der Menschen und somit nur über jene Straftaten, von der die Polizei Kenntnis erlangt hat.
Die Bereitschaft zu einer Anzeige ist aber je nach Delikt sehr unterschiedlich. Ein zentrales Problem bei der Interpretation ist deswegen das Dunkelfeld: Viele Verbrechen werden erst gar nicht bei der Polizei angezeigt. Die kriminologische Forschung geht davon aus, dass nur 10 bis 50 Prozent aller Straftaten überhaupt in der Statistik auftauchen.
Zudem sagt die PKS nichts über tatsächliche Verurteilungen aus. Viele Delikte werden von Gerichten später anders eingestuft – ein versuchter Mord in der Polizeistatistik kann am Ende vielleicht auch nur als gefährliche Körperverletzung gewertet werden.
Auch die Kategorisierung von „nicht deutschen Tatverdächtigen“ ist irreführend, weil sie unterschiedliche Gruppen zusammenfasst – von Asylbewerbern bis zu Touristen. Die polizeiliche Kriminalstatistik unterscheidet hier einfach nur zwischen Menschen mit und ohne deutschem Pass. Deutsche werden aufgrund der Meldepflicht komplett erfasst, während es diese Meldepflicht bei Menschen ohne deutschen Pass oft nicht gibt. Das bedeutet, dass nicht alle Nichtdeutschen in den Statistiken auftauchen.
Und somit ist der Anteil von Nichtdeutschen an Straftaten statistisch höher, weil die Zahl der Menschen untererfasst wird. All diese methodischen Schwächen können zu Fehlschlüssen führen, erklärt der ehemalige Richter Ulf Buermeyer: „Deswegen muss man diese Zahlen eben sehr kritisch betrachten.“
Wie beeinflusst das Verhalten von Polizei und Justiz die Überrepräsentation von Ausländern in Kriminalstatistiken?
Nichtdeutsche sind in der Statistik möglicherweise überrepräsentiert, weil sie häufiger polizeilich kontrolliert werden. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie auch tatsächlich mehr Straftaten begehen, sondern dass ihre Taten eher entdeckt und erfasst werden.
Hinzu kommt, dass die Statistik keine Verlaufsstatistik enthält. Es gibt also keine systematische Erfassung darüber, was aus einem polizeilichen Anfangsverdacht wird – ob eine Anzeige zu einer Verurteilung führt oder ob sich der Vorwurf als unbegründet herausstellt. Jurist Buermeyer kritisiert diesen Mangel: „Diesen Weg eines Tatvorwurfs durch die verschiedenen Behörden und Gerichte zeichnet bisher niemand nach.“ Es bliebe damit auch offen, inwieweit bei der Polizei auch Kriminalität systematisch überschätzt wird, was ihre Schwere angeht, erklärt der ehemalige Richter Ulf Buermeyer.
Welche Rolle spielt die öffentliche Wahrnehmung bei der Kriminalitätsdebatte?
Medien berichten besonders häufig über Gewaltverbrechen, auch wenn diese nur einen Teil der Kriminalität ausmachen. Dies kann das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen stark beeinflussen. Ein Beispiel ist sexualisierte Gewalt: Die aktuelle Statistik zeigt einen fast zehnprozentigen Anstieg bei Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen. Doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es tatsächlich mehr dieser Taten gibt – möglicherweise ist jedoch die Anzeigebereitschaft gestiegen.
Wenn sich Opfer eher an die Polizei wenden, könnte das ein positives Signal sein, dass das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden wächst. Gleichzeitig werden Delikte wie häusliche Gewalt massiv unterschätzt. Die Anzeigebereitschaft liegt hier bei nur einem Prozent, sodass 99 von 100 Fällen unentdeckt bleiben. Solche Zusammenhänge werden in der Berichterstattung oft nicht erklärt. Der ehemalige Richter Buermeyer stellt klar: „Man könnte das positiv lesen, dass möglicherweise die Anzeigebereitschaft der Opfer gestiegen ist.“
Laut BKA zeigen außerdem Forschungsbefunde, dass Straftaten, bei denen „migrantisch“ oder "fremd" wahrgenommene Menschen beteiligt sind, vermehrt zur Anzeige gebracht werden. Auch das kann zu einer verzerrten Darstellung in der Kriminalitätsstatistik führen.
Welche Risikofaktoren führen zu Gewalt und sind Ausländer diesen besonders ausgesetzt?
Im Jahr 2024 lag der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen bei polizeilich erfassten Straftaten in Deutschland bei 41,8 Prozent. Damit erreichte dieser Anteil zum vierten Mal in Folge einen neuen Höchstwert. Aus kriminalpolitischer Sicht entscheidend sei aber, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Staatsangehörigkeit und Kriminalitätsneigung gebe, betont Jurist Buermeyer: „Die Frage, ob jemand Deutscher oder Nichtdeutscher ist, hat als solches keinen Einfluss darauf, ob diese Person möglicherweise Straftaten begehen wird.“

Kriminalität hängt nicht von der Staatsangehörigkeit ab, sondern von sozialen Faktoren. Das belegen zahlreiche Studien wie diese vom Ifo-Institut, welche die Daten der PKS aus den Jahren 2018 bis 2023 untersucht hat. Ein Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Ausländeranteils und einer höheren Kriminalitätsrate konnte nicht nachgewiesen werden. "Die Ergebnisse decken sich mit Befunden der internationalen Forschung, wonach Migration und Flucht keinen systematischen Einfluss auf die Kriminalität im Aufnahmeland haben", so Ifo-Forscher Jean-Victor Alipour.
Bildungsgrad, Einkommen und ortsspezifische Faktoren, etwa ihre Konzentration in Ballungsräumen mit hoher Kriminalitätsdichte spielen dagegen eine entscheidende Rolle. Wer in schwierigen sozialen Verhältnissen lebt, hat ein höheres Risiko, straffällig zu werden – das gilt für Deutsche genauso wie für Nichtdeutsche. Junge Männer sind zudem unabhängig von ihrer Herkunft überproportional häufig an Gewaltverbrechen beteiligt.
Wie könnte man das Kriminalitätsrisiko für Ausländer reduzieren?
Der effektivste Weg, um Kriminalität unter Ausländern zu reduzieren, ist bessere Integration. Entscheidend ist dabei der Zugang zum Arbeitsmarkt. Wer arbeiten kann, verdient eigenes Geld, zahlt in die Sozialkassen ein und hat eine Tagesstruktur – all das verringert das Risiko, straffällig zu werden.
Buermeyer macht klar, dass Integration nicht nur aus humanitären Gründen wichtig ist, sondern auch aus sicherheitspolitischer Sicht: „Das wichtigste Stichwort ist hier Arbeit.“ Ein geregeltes Einkommen sorgt nicht nur für finanzielle Unabhängigkeit, sondern auch für soziale Stabilität. Wer sich als Teil der Gesellschaft fühlt, hat weniger Gründe, kriminell zu werden. Deshalb sollte die Politik weniger auf Abschottung setzen und stattdessen legale Beschäftigungsmöglichkeiten für Migranten fördern.
og