Wenn man einen sogenannten Crawler, also einen Filter durch das internet laufen lässt, der darauf programmiert ist, Indizien für Gewalt gegen Kinder zu finden, dann könnte man in Deutschland 200 Fälle zur Anzeige bringen, sagt Kathinka Beckmann von der Hochschule Koblenz. 200 Fälle am Tag:
"Gewalt gegen Kinder ist in Deutschland ein Alltagsphänomen. Es zieht sich, entgegen den Ideen von vielen, durch alle Milieus durch. Das heißt, wir haben Hartz-IV-Familien, wir haben aber auch Akademikerfamilien, in denen verschiedenste Formen von Gewalt tagtäglich passiert.
"Gewalt gegen Kinder ist in Deutschland ein Alltagsphänomen. Es zieht sich, entgegen den Ideen von vielen, durch alle Milieus durch. Das heißt, wir haben Hartz-IV-Familien, wir haben aber auch Akademikerfamilien, in denen verschiedenste Formen von Gewalt tagtäglich passiert.
Wir haben Schläge, wir haben sexuelle Gewalt, wir haben Demütigungen und Einsperren und wir haben auch so etwas wie Kinder in der Nacht in der Badewanne sitzen lassen, weil sie eine Vier in Mathe haben."
Der Leistungsdruck in Schule und Elternhaus sei oft ein Auslöser für diese Gewalt, ergänzt Julia von Weiler, sie ist Kinderpsychologin und Expertin für Gewalt im Netz. Die Fälle, in denen ermittelt und bestraft wurde, das ist das sogenannte Hellfeld:
"Das ist eigentlich relativ stabil, das bewegt sich seit den 90er Jahren zwischen Zwölf- und Vierzehntausend Fällen und auch Opfern. Man kann aber sagen, dass das Dunkelfeld enorm viel größer ist. Es gibt eine Studie der Uni Ulm, die spricht von etwa einer Million betroffener Kinder. Das heißt, in jedem Klassenzimmer sitzen aller Wahrscheinlichkeit nach zwei betroffene Kinder. Das heißt, jeder von uns, auch von Ihnen, kennt betroffene Kinder. Und das heißt, jeder von uns, auch Ihnen, kennt Täter oder Täterinnen."
"Das ist eigentlich relativ stabil, das bewegt sich seit den 90er Jahren zwischen Zwölf- und Vierzehntausend Fällen und auch Opfern. Man kann aber sagen, dass das Dunkelfeld enorm viel größer ist. Es gibt eine Studie der Uni Ulm, die spricht von etwa einer Million betroffener Kinder. Das heißt, in jedem Klassenzimmer sitzen aller Wahrscheinlichkeit nach zwei betroffene Kinder. Das heißt, jeder von uns, auch von Ihnen, kennt betroffene Kinder. Und das heißt, jeder von uns, auch Ihnen, kennt Täter oder Täterinnen."
Dieses Umfassende und Alltägliche beim Thema Gewalt gegen Kinder verstört natürlich. Laut Rainer Becker, dem Chef der Deutschen Kinderhilfe, geht es darum, einen Weg zu finden zwischen hysterischen Schnellschüssen beim geringsten Verdacht und einer nachhaltigen Aufmerksamkeit im Umgang mit Kindern.
Wichtiger Hinweis: Konfliktsituation in Familien
Nicht nur blaue Flecken sind wichtig zu sehen, auch plötzliche Verhaltensänderungen sind Indikatoren. Und es gibt Situationen, in denen sich der verschärfte Blick lohnt:
"Rund 25 Prozent der in Deutschland zu Tode gekommenen Kinder kommen zu Tode in Zusammenhang mit einer Trennung der Erziehungspersonen oder in einem Streit ums Sorge oder Umgangsrecht. Im Bereich der Prävention spricht man hier von einer Hoch-Risikogruppe.
"Rund 25 Prozent der in Deutschland zu Tode gekommenen Kinder kommen zu Tode in Zusammenhang mit einer Trennung der Erziehungspersonen oder in einem Streit ums Sorge oder Umgangsrecht. Im Bereich der Prävention spricht man hier von einer Hoch-Risikogruppe.
Das macht deutlich, wie wichtig es ist Acht zu geben, wenn irgendwo eine Trennung ansteht und wenn der Streit um Kinder beginnt, das sind die Zeiten, in denen die Kinder besonders gefährdet sind in Deutschland."
Wenn man nachfragt bei den Familienberatern, dann ist es ganz oft der familiäre Kontext einer Konfliktsituation, der als erster Hinweis gelten kann, Bernhard Huf ist Leiter einer Beratungsstelle für Erziehungs- und Familienberatung bei der Caritas in Berlin:
"Ja, ich hatte mal mit einer Familie zu tun, durchaus wohl situiert. Die Familie ist durch die Geburt eines weiteren Kindes in eine Krise geraten. Der Vater musste eine zweite Wohnung im Haus anmieten und das kleine Kind musste die Nacht in der anderen Wohnung verbringen. Das Kind hatte keine blauen Flecken äußerlich, aber man kann sich vorstellen, welche inneren blauen Flecken das verursacht hat."
"Ja, ich hatte mal mit einer Familie zu tun, durchaus wohl situiert. Die Familie ist durch die Geburt eines weiteren Kindes in eine Krise geraten. Der Vater musste eine zweite Wohnung im Haus anmieten und das kleine Kind musste die Nacht in der anderen Wohnung verbringen. Das Kind hatte keine blauen Flecken äußerlich, aber man kann sich vorstellen, welche inneren blauen Flecken das verursacht hat."
Kinder sollten wissen, wo sie Hilfe bekommen
Huf ist es wichtig, dass Betroffene von sich aus zu ihm kommen und zu seinem Team, bevor eine Anzeige im Raum steht, es geht darum, die Ursachen zu sehen für Gewalt gegen Kinder und Selbsterkenntnis zu erzeugen.
"Wir können nur ermutigen, dass unsere Arbeit, wie wir sie verrichten in der Familienberatungsstelle, erstmal nicht dazu da ist, Menschen zu verurteilen oder zu reglementieren, sondern sie zu öffnen", sagt Huf.
"Wir können nur ermutigen, dass unsere Arbeit, wie wir sie verrichten in der Familienberatungsstelle, erstmal nicht dazu da ist, Menschen zu verurteilen oder zu reglementieren, sondern sie zu öffnen", sagt Huf.
Nur das rechtzeitige Annehmen von Hilfsangeboten lindert das Leid und: Kinder sollten auf jeden Fall wissen, wo Ihnen geholfen werden kann:
"Das wäre natürlich schon schön, wenn man das auch immer wieder vermitteln kann, wir sind auch für die da, die genau wissen, sie begehen vielleicht große Fehler. Natürlich urteilen und verurteilen wir nicht. Dass dieser Vertrauensschutz vielleicht noch einmal ein bisschen bekannter wird, das wäre schon gut. Dass Kinder und Jugendliche zunehmend sehen, dass so eine Beratungsstelle auch für sie offen ist, das wäre ein großer Gewinn. Da müssen wir auch selber dran arbeiten, in dem wir in Schulen gehen, in Kindergärten."
"Das wäre natürlich schon schön, wenn man das auch immer wieder vermitteln kann, wir sind auch für die da, die genau wissen, sie begehen vielleicht große Fehler. Natürlich urteilen und verurteilen wir nicht. Dass dieser Vertrauensschutz vielleicht noch einmal ein bisschen bekannter wird, das wäre schon gut. Dass Kinder und Jugendliche zunehmend sehen, dass so eine Beratungsstelle auch für sie offen ist, das wäre ein großer Gewinn. Da müssen wir auch selber dran arbeiten, in dem wir in Schulen gehen, in Kindergärten."