Die ersten Diebe waren direkt nach der Flutkatastrophe unterwegs, um in Drogerien und Parfümerien einzusammeln, was heil und handlich genug war, um es einzustecken, erzählt ein Geschäftsmann aus Bad Neuenahr - Ahrweiler. Und nach Schuld, das 700-Einwohner-Dorf, in dem in der Flutnacht die ersten Häuser einstürzten, kamen schnell die ersten Gaffer. Ganz dicht fuhren sie vorbei an den traumatisierten Einwohnern vor den zerstörten Häusern - so dass der Schlamm spritzte.
Bäckerei-Inhaberin Cornelia Schlösser war fassungslos. "Die lachen uns aus, wirklich aus", erzählt sie beim Aufräumen. Manche hätten sie mit Handy-Kameras gefilmt, sie habe sich verhöhnt gefühlt. "Schaulästige" nennt die Polizei die Gaffer. Sie behinderten die Rettungsarbeiten, beklagten die Einsatzkräfte.
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Behördlich aussehende Fahrzeuge
In den Tagen nach der Katastrophe fuhr ein silberblauer Transporter im Polizeidesign durch die Straßen von Sinzig und anderen Orten. "Und es wurde durchgesagt, es kommt eine zweite Welle. Wir sind auch flutgeschädigt. Meine Frau rief mich an und sagte, es kommt eine zweite Welle, und die Nachbarn waren verzweifelt", erinnert sich Andreas Geron.
Als Bürgermeister von Sinzig wusste er, dass keine zweite Flutwelle kommen würde, konnte seine Frau und die Nachbarschaft beruhigen. "Leider vervielfältigt sich das über die sozialen Medien und ist ein Problem. Da tun sich die Abgründe der Gesellschaft auf."
Auch das Ehepaar Mies in Bad Neuenahr - Ahrweiler hörte eine solche Lautsprecherdurchsage, Erika Mies fühlt mit den Opfern der Flutkatastrophe und ist wütend auf die Möchtegern-Polizisten. "Die Menschen müssen doch nicht noch verunsichert werden, die haben doch schon genug am Hals. Die müssten bestraft werden, aber die Polizei hat keine Handhabe."
Die Polizei Koblenz hat Kenntnis aus erster Hand nur von einem silberblauen Transporter mit der Aufschrift "Friedensfahrzeug" und Lautsprecherdurchsagen, "wonach die vermeintlichen Angehörigen der Querdenkerszene auf ihr Hilfsangebot aufmerksam gemacht haben. Das an sich ist nicht strafbar. Ebenfalls straffrei ist dieser Bus, dieses 'Friedensfahrzeug'. Sofern dort nicht der Schriftzug Polizei zu erkennen ist oder ein anderes Hoheitszeichen, ist das straffrei."
Aber deshalb noch lange nicht in Ordnung, findet Erika Mies. Die richtige Antwort darauf laute in der Flutregion: "Für so etwas haben wir keine Zeit. Wir müssen arbeiten. Gar nicht erst beachten. Ignorieren. Das ist die beste Möglichkeit."
Polizeipräsenz zur Vorbeugung gegen Plünderer
Noch im Raum steht, dass Ehrenamtliche des Technischen Hilfswerks beschimpft sowie mit Steinen und Unrat beworfen worden sein sollen. Ob von Angehörigen der sogenannten Querdenker-Szene oder frustrierten Flut-Opfern, ist unklar. Die Polizei überprüft, was THW-Vizepräsidentin Sabine Lackner an Angriffen schildert. "Strafanzeigen wurden bislang nicht erstattet. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen", sagt Florian Stadtfeld von der Polizei Koblenz und ermutigt Rettungskräfte, Attacken nicht hinzunehmen, sondern der Polizei zu melden.
Die sei wachsam und auch nachts mit 300 uniformierten Kräften im Ahrtal unterwegs, um verwaiste Häuser zu schützen.
Simone Weising, die tagsüber ihre überflutete Wohnung in Bad Neuenahr-Ahrweiler entschlammt und teilweise ausräumt, schätzt das. "Fährt wohl viel Polizei entlang, weil Plünderer unterwegs sind, wird noch geklaut. Deshalb sind auch noch einige zu Hause. Denn wenn du Glück hattest und deine Wohnung gerettet hast, lässt du dich ja nicht gern beklauen."
"Diese Meldungen werden von uns sehr ernst genommen, an die Kräfte im Raum weitergegeben, damit diese zeitnah Personenkontrollen durchführen können, um entschieden dagegen vorzugehen", berichtet Florian Stadtfeld. Plünderungen im großen Stil beobachte die Polizei nicht.
"Diese Meldungen werden von uns sehr ernst genommen, an die Kräfte im Raum weitergegeben, damit diese zeitnah Personenkontrollen durchführen können, um entschieden dagegen vorzugehen", berichtet Florian Stadtfeld. Plünderungen im großen Stil beobachte die Polizei nicht.
"Wertsachen hat hoffentlich ohnehin keiner in seiner leeren Wohnung zurückgelassen", kommentiert Simone Weising. "So clever wird ja hoffentlich jeder gewesen sein. Aber die klauen ja – habe ich gehört – die Generatoren von der Straße weg. Zack, zack auf den Hänger, und weg sind sie."
Ausschau nach Kontodaten und Diebesgut
Meldungen über entwendete Notstrom-Generatoren gingen bei der Polizei Koblenz ein, bestätigt Florian Stadtfeld: "Allerdings muss ich dazu sagen, dass es sich hier teilweise um beauftragte Firmen handelt, die den Auftrag hatten, entsprechend Stromaggregate oder Ähnliches an einen anderen Ort zu bringen, wo es benötigt wird, oder für eine Wartung oder Ähnliches wieder zurückzubringen. Insofern hatte es vielleicht den objektiv den Anschein, als würden solche Geräte entwendet, was aber im Großteil nicht der Fall war. Natürlich liegen uns auch Strafanzeigen vor, die in den Bereich der Eigentumsqualität gehen."
Wachsam bleiben lohnt sich also, selbst wenn nicht alle vermeintlichen Diebstähle auch welche sind. Doch nicht hinter jeder freundlichen Frage fremder Menschen steckt Fürsorge. Diese Frage wurde rein zufällig mit dem Smartphone aufgenommenen: "Hi, habt ihr schon Soforthilfe beantragt?", fragt die vermeintliche Helferin in einem der stark zerstörten Dörfer an der Oberen Ahr. Mit der Auskunft, man sei nicht betroffen und beantrage daher keine Soforthilfe, will sie sich nicht zufriedengeben, lässt sich nur schwer wieder abschütteln.
Wachsam bleiben lohnt sich also, selbst wenn nicht alle vermeintlichen Diebstähle auch welche sind. Doch nicht hinter jeder freundlichen Frage fremder Menschen steckt Fürsorge. Diese Frage wurde rein zufällig mit dem Smartphone aufgenommenen: "Hi, habt ihr schon Soforthilfe beantragt?", fragt die vermeintliche Helferin in einem der stark zerstörten Dörfer an der Oberen Ahr. Mit der Auskunft, man sei nicht betroffen und beantrage daher keine Soforthilfe, will sie sich nicht zufriedengeben, lässt sich nur schwer wieder abschütteln.
Später gibt die Ortsvorsteherin bekannt, dass in dem Dorf keine autorisierten Kräfte unterwegs waren, um Anträge auf Soforthilfe auszuhändigen. Sehr wohl aber ungebetene Möchtegern-Helferinnen, die gern Kontodaten und persönliche Verhältnisse ausgeforscht hätten.
Unendlich dankbar sind die Flutopfer für die riesige Hilfsbereitschaft der meisten, aber auf den Voyeurismus, die Manipulation und die Raffgier einiger weniger hätten sie gern verzichtet.
Unendlich dankbar sind die Flutopfer für die riesige Hilfsbereitschaft der meisten, aber auf den Voyeurismus, die Manipulation und die Raffgier einiger weniger hätten sie gern verzichtet.