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Krimtataren
Kein Vertrauen in Russland

Heute vor einem Jahr inszenierten pro-russische Krimbewohner ein Referendum über die Zugehörigkeit der Halbinsel. Seitdem hat Russland das Gebiet annektiert. Mehrheitlich dagegen waren die Krimtataren. Viele von ihnen sind daraufhin in die Ukraine gegangen, doch angenommen und aufgehoben fühlen sie sich nicht.

Von Florian Kellermann |
    Der Protagonist Rustem Skibin
    Rustem Skibin hatte auf der Krim eine krimtatarische Töpferwerkstatt aufgebaut - vor einem Jahr zog er mit der Werkstatt nach Kiew. (Florian Kelllermann)
    Rustem hält einen langen, zylindrisch geformten Kupferbehälter hoch. Er ist längst grün angelaufen - ein Sammlerstück. Nur ganz wenige solche traditionellen Behältnisse sind erhalten, sagt der 39-Jährige. Denn das meiste ließen die Krimtataren zurück, als Stalin sie von der Halbinsel deportieren ließ. Und dann waren da noch die schlimmen 1990er-Jahre. Die Menschen in der Sowjetunion waren so arm, dass sie Kupfergeschirr als Altmetall verkauften.
    Rustem Skibin will den Krimtataren einen Teil ihres historischen Gedächtnisses zurückgeben. Deshalb sammelt er nicht nur, sondern hat selbst eine Töpferwerkstatt gegründet. Er zeigt auf ein großes Ei im Wandschrank, es ist bunt bemalt.
    "Die Krimtataren sind Moslems. Deshalb herrschen Pflanzenmotive und Kalligrafie vor. Tiere gibt es dagegen kaum. Typisch krimtatarisch an der Bemalung sind die Farben. Hier: zwei symmetrische Rosen in verschiedenen Farben, das findet man sonst selten. Außerdem sind die Ornamente zierlich, alles ist sehr klein."
    An einem Holztisch sitzt eine junge Frau und ritzt ein Muster in den Rand eines Tellers.
    An einem Holztisch sitzt eine junge Frau und ritzt ein Muster in den Rand eines Tellers. (Florian Kelllermann)
    Rustem ist in Usbekistan geboren. Seine Sammlung baute er auf der Krim auf. Und vor einem Jahr ist er schon wieder weitergezogen - nach Kiew. Heute befindet sich seine Töpferwerkstatt dort im dritten Stock eines Bürogebäudes.
    Die Krim verließ er aus Angst vor den neuen, russischen Machthabern. Denn Rustem macht kein Hehl daraus, dass er die russische Annexion der Halbinsel ablehnt.
    "Russland tut kulturell viel für die Krimtataren. Es gibt Festivals und andere Veranstaltung. Aber dass alles wird nur gefördert, solange es unpolitisch bleibt. Schon, wer sich für die krimtatarische Sprache im Alltag einsetzt oder für eine freie Religionsausübung, wird verfolgt. Das beunruhigt mich. "
    Rustem zeigt einem Praktikanten, wie er Ton anrühren soll. Er muss verschiedene Arten von Sand zugeben. Rund 25.000 Menschen haben die Krim im vergangenen Jahr verlassen, viele von ihnen waren Krimtataren. Die Ukrainer auf dem Festland hätten sie gut aufgenommen, sagt Rustem.
    "Vom Staat Ukraine kann man das nicht behaupten. Er interessiert sich nicht. Ein Jahr ist vergangen, und wir haben unser Kulturzentrum in Kiew noch immer nicht eröffnen können. Wer hier ankommt, ist allein auf sich gestellt, muss sich selber eine Wohnung und eine Arbeit suchen. Auch auf der Krim haben die Menschen das Gefühl, dass die Ukraine sie nicht unterstützt oder sogar verraten hat."
    Von der Ukraine enttäuscht
    Viele Krimbewohner, die in die Ukraine gekommen ausreisen wollten, seien inzwischen wieder auf die Halbinsel zurückgekehrt, sagt Rustem. Die Krim und die Ukraine bewegten sich auseinander, beklagt er. Dazu trage bei, dass die Ukraine vor drei Monaten die Zug- und die öffentlichen Busverbindungen auf die Krim eingestellt hat.
    An einem Holztisch sitzt eine junge Frau unter einer sehr hellen Lampe. Sie ritzt ein Muster in den Rand eines Tellers - und bläst die Furchen sauber. Aziza Karimowa studiert Kunst und jobbt bei Rustem.
    "Ich habe mein Studium an einer ukrainischen Universität begonnen und will es auch in der Ukraine beenden. Deshalb bin ich von der Krim hierher gezogen. Aber wenn ich damit fertig bin, gehe ich zurück. Ich wünsche mir sehr, dass die Krim dann wieder zur Ukraine gehört. Aber ich gehe auf jeden Fall, ich will auf der Krim leben."
    Auch Rustem würde das gerne, schließlich ist seine ganze Familie noch dort. Aber ein Leben unter russischer Herrschaft kann und will er sich im Moment nicht vorstellen.