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Krischer (Grüne) zum Verkehr der Zukunft
"Wir brauchen insgesamt weniger Autos"

Ein Großteil unserer Stadtfläche werde nur als Parkplatz für Autos genutzt, sagte Oliver Krischer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, im Dlf. Durch Verbote sei dieses Problem aber nicht zu lösen. Er forderte "eine Stärkung des öffentlichen Verkehrs".

Oliver Kirscher im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
Viele Autos stehen am 2. Juni 2015 in Jena (Thüringen) auf einem Parkplatz
Autos nehmen viel Platz im öffentlichen Raum ein (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
Tobias Armbrüster: Die IAA, die Internationale Automobil-Ausstellung – das heißt, in Frankfurt am Main alle zwei Jahre die neuesten Trends im Autobau. Hersteller aus aller Welt kommen alle zusammen unter dem Dach der Frankfurter Messe.
Gestern ist nun die diesjährige IAA losgegangen und in allen Berichten dazu sind vor allen Dingen zwei Dinge zu lesen: Die Hersteller präsentieren auf der einen Seite ihre Elektroautos und auf der anderen ihre schweren SUVs.
Am Telefon ist jetzt Oliver Krischer, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, außerdem Fraktionsvize seiner Partei im Bundestag. Schönen guten Morgen!
Oliver Krischer: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Krischer, was wir gerade ganz zum Schluss gehört haben, ist das so? Bleibt das Auto ein Statussymbol?
Krischer: Ja, natürlich ist es für viele Menschen noch ein Statussymbol. Aber es wird in Teilen anders. Die Gesellschaft wird diverser. Ich kenne viele Menschen - es gibt ja inzwischen auch Hersteller, die explizit damit werben und sagen, kaufen Sie ein Auto, das kein Statussymbol ist -, wo es das nicht mehr ist.
Viele Menschen verzichten heute aufs Auto. In Großstädten nimmt die Zahl, der Anteil der Autobesitzerinnen und Autobesitzer ab. Wir haben da schon unterschiedliche Trends in der Gesellschaft.
Autos fahren über die Friedensbrücke in Frankfurt am Main.
Stadtgeländewagen SUV - Problemauto oder nicht?
Sie sind umstritten: Sport Utility Vehicles – kurz SUV. Selbst elektrisch angetrieben sind sie Umweltschützern und Verkehrsaktivisten ein Dorn im Auge. Die Pkw-Hersteller zucken angesichts der Kritik mit den Schultern.
Armbrüster: Jetzt sehen wir auf der IAA, zumindest wenn wir uns das in den Berichten genauer angucken, lauter Elektroautos. Ist das für Sie beruhigend?
Krischer: Zunächst ist mal gut, dass auch deutsche Hersteller inzwischen verstanden haben, dass im Diesel nicht mehr die Zukunft liegt, wenn man ein Auto benutzt, dass es wahrscheinlich eher elektrisch sein muss.
Aber es braucht einfach mehr. Eine Verkehrswende ist nicht, dass man aus 47 Millionen PKW, die heute überwiegend Benziner und Diesel sind, dass man daraus Elektroautos macht, sondern wir brauchen insgesamt eine Stärkung des öffentlichen Verkehrs und das heißt natürlich weniger Autos. Das ist auch das, was die Botschaft des Klimaschutzes ist, dass hier was anderes passieren muss.
Eine Straßenbahn vor der Staatsoper in Wien
365-Euro-Ticket - Wien fährt Bahn statt Auto
In Deutschland wird noch darüber diskutiert, in Wien gibt es bereits seit 2012 das 365-Euro-Ticket. Mit einem Euro pro Tag kann man in Wien im gesamten Stadtgebiet Bus und Bahn fahren. Und das funktioniert.
"Ein Großteil unserer Stadtfläche nutzen wir als Parkplatz für Autos"
Armbrüster: Warum geht das nicht einfach? Man könnte doch sagen, wenn die Autos alle elektrisch fahren und wir den Strom aus regenerativen Quellen produzieren, dann dürfte das alles kein Problem sein.
Krischer: Na ja. Aber genau bei dem Punkt fängt es an. Wir müssen natürlich den Strom regenerativ produzieren. Das nimmt auch Fläche in Anspruch. Wir kennen viele Debatten im Moment, dass der Windausbau nicht so vorangeht, wie er sollte. Das macht dann auch Probleme und natürlich braucht ein Elektroauto - ich fahre selber eines – Ressourcen zur Herstellung.
Es braucht Platz in der Stadt, wenn es unterwegs ist. Es macht auch Lärm. Es ist klimafreundlicher, das belegen alle Studien, wenn es mit erneuerbarem Strom betrieben wird. Das ist in jedem Fall ein Fortschritt. Aber es gibt ja noch viele andere Fragen, die uns beim Auto beschäftigen. Und ich denke, wenn ich mir unsere Städte angucke, wie voll die sind, wie überladen mit Fahrzeugen - ein Großteil unserer Stadtfläche nutzen wir gar nicht für uns Menschen, sondern als Parkplatz für Autos, die ja in der Regel gar nicht fahren, sondern 23 Stunden am Tag herumstehen.
Mein Eindruck ist, dass das nicht so bleiben wird und so bleiben kann, dass wir insgesamt auch mit der Digitalisierung gucken müssen, können wir da nicht intelligentere Lösungen finden, wie wir Menschen mobil machen können, ohne dass sie aufs individuelle Auto zurückgreifen müssen.
Greenpeace-Aktivisten blockieren am Autoterminal in Bremerhaven das Entladen von SUV-Fahrzeugen. 
Diskussion über SUVs - "Klimakiller steuerlich in Haftung nehmen"
Bestimmte Sportgeländewagen seien "Klimakiller", sagte der Autoexperte Stefan Bratzel im Dlf. Lange Zeit habe die Politik diesbezüglich eine Kultur des Wegschauens gepflegt. Nun müsse sie Regelungen für umweltschädliche Autos finden – etwa durch einen steuerlichen Malus.
Armbrüster: Aber, Herr Krischer, konkret sieht es ja gerade so aus und Ihre Partei erfährt das natürlich gerade wahrscheinlich etwas positiv. Viele Menschen möchten auf der einen Seite sehr viel mehr für den Klimaschutz tun. Sie möchten vor allen Dingen, dass der Klimaschutz ein immer wichtigerer Bestandteil der Politik wird.
Auf der anderen Seite sehen wir, dass vor allen Dingen schwere Autos, SUVs immer populärer werden. Die Zulassungszahlen für diese Autos steigen seit Jahren an. Wie passt das beides zusammen?
Krischer: Ja, es ist einfach so – das haben wir ja gerade von der IAA gehört, dass das Angebot der Hersteller so ist. Die produzieren diese Autos. Die Hersteller können mit den SUVs offensichtlich ganz besonders gut verdienen, bewerben die auch sehr stark. Wenn ich mir angucke, welche Fahrzeuge im Werbefernsehen beworben werden, dann sind das diese Fahrzeuge.
Man muss aber natürlich auch sagen: Wir haben auch politische Rahmenbedingungen, die genau solche Fahrzeuge fördern. Wir haben ein Dienstwagen-Privileg für Geschäftsleute, das den Kauf eines SUVs, eines besonders teuren Fahrzeuges auch attraktiv macht, rein steuerlich schon. Wir haben ein Diesel-Privileg, was dazu geführt hat, dass gerade der Effizienzvorteil, den der Diesel früher mal hatte, nicht dazu geführt hatte, dass die Fahrzeuge sparsamer werden, sondern dass sie einfach nur größer und schwerer werden.
Da sind in der Vergangenheit auch die falschen politischen Rahmenbedingungen gestellt worden, die mit zu diesem SUV-Boom beigetragen haben und wo ich im Moment bei der Bundesregierung auch nicht sehe, dass sie das ändern will. Und das ist vor dem Hintergrund des Klimaschutzes ein Riesenproblem.
Frankfurt/Main: Aktivisten von Greenpeace füllen vor der Messe IAA einen riesigen Ballon mit Luft. Auf dem Ballon steht "CO2". 
Internationale Automobilausstellung - Das Auto aus den Städten verbannen
In Zukunft brauchen wir eine andere Mobilität, kommentiert Silke Hahne. Eine grundlegende Verkehrswende sei notwendig. Auf die Autoindustrie solle die Politik bei diesem gigantischen, gesellschaftspolitischen Unterfangen weniger Rücksicht nehmen als bisher.
Armbrüster: Wäre ein Werbeverbot für SUVs sinnvoll, ähnlich wie es das schon bei Tabak und Alkohol gibt?
Krischer: Nein. Ich glaube, mit Werbeverboten lösen wir das Problem überhaupt nicht. Was wir brauchen, was die Politik machen kann, wo es von Seiten der Bundesregierung Anreize geben muss, ist, dass wir auf der einen Seite den öffentlichen Verkehr fördern, dass wir nicht mehr sagen, wir subventionieren schwere Dienstwagen und Diesel über die Steuer - das ist nämlich heute so -, sondern wir investieren das Geld in den öffentlichen Verkehr und auf der anderen Seite in die Elektromobilität, da wo sie sinnvoll ist, auf dem Land, wo ich mir auch schwer eine Zukunft ohne Auto vorstellen kann. Da brauchen wir politische Rahmenbedingungen.
Ich glaube, mit Werbung, das ist eine Sache, die die Autohersteller für sich mal klar kriegen müssen, weil sie sollen ja CO2-Grenzwerte erfüllen. Ich habe da, ehrlich gesagt, auch kein Verständnis, dass sie jetzt immer noch für ihre schweren Fahrzeuge besonders werben, die ihnen die CO2-Bilanz kaputt machen.
Ein SUV rauscht durch die Innenstadt.
Internationale Automobil-Ausstellung 2019 - "Die IAA ist auf Schrumpfkurs"
Viele wichtige Autobauer fehlen auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt. Es reiche heute einfach nicht mehr, das Tuch von einem neuen Automodell zu ziehen, sagt Dlf-Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann. Experten läuten gar schon das Ende der Automesse in Frankfurt ein.
"Einige Hersteller haben doch verstanden"
Armbrüster: Wenn ich Sie so höre, Herr Krischer, dann muss für Sie diese Internationale Automobil-Ausstellung ein Graus sein?
Krischer: Nein, das ist kein Graus. Ich gucke mir manche Fahrzeuge oder alle Fahrzeuge interessiert an, was dort gezeigt wird. Aber man hat ja einen zweiteiligen Trend. Früher war es eine reine PS-Schau und je größer, je besser. Jetzt merkt man, einige Hersteller haben doch verstanden, so kann es nicht weitergehen.
Die Autos werden nicht immer größer und schwerer werden und man kann nicht gleichzeitig erzählen, wir werden die Klimaschutzziele erreichen, sondern ich merke schon, dass einige offensichtlich jetzt doch etwas ernsthafter unterwegs sind, ihre Fahrzeugflotte, ihr Angebot zu verbessern.
VW ist ja das beste Beispiel - ein Konzern, der uns hier im Bundestag mit dem Abgas-Untersuchungsausschuss nicht nur Freude gemacht hat -, die jetzt doch konsequent versuchen, eine neue Strategie zu machen. Wenn die ernst gemeint ist, wenn sie wirklich so umgesetzt wird, dann ist das sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, und das ist auf der IAA natürlich auch zu sehen.
28.06.2018, Berlin: Der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Bundestag bei der Aktuellen Stunde zum Thema "Schutz des Wassers vor Nitraten". Foto: Paul Zinken/dpa | Verwendung weltweit
Der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) (dpa)
Armbrüster: Sind dann SUVs mit Elektromotor ein Teil der Lösung?
Krischer: Ich glaube insgesamt, dass wir es uns nicht werden leisten können, dass Fahrzeuge immer größer oder schwerer werden, egal ob da ein Elektro- oder ein Verbrennungsmotor drin ist. Wenn wir schon mal vom Verbrennungsmotor weg sind, der die ganzen Probleme mit CO2-Ausstoß, aber auch Ölförderung, die Riesenprobleme auf der Welt macht, wenn wir das beseitigen können, ist das sicherlich ein Fortschritt.
Aber aus einem Diesel-SUV einen Elektro-SUV zu machen, das ist für mich nicht die Antwort. Wir brauchen öffentliche Mobilität. Wir brauchen Sharing-Modelle. Wir brauchen kleinere Fahrzeuge, die die Menschen von A nach B bringen. Wir haben nur einen begrenzten öffentlichen Raum in den Städten und ich finde nicht, dass der großen und schweren Autos vor allen Dingen gehören sollte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.