Joachim Löw bleibt Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft. Zu diesem Schluss ist der DFB nach einer turnusmäßigen Sitzung am vergangenen Freitag gelangt. "Ich hab absolut das Gefühl, dass Jogi Löw der richtige Bundestrainer ist", sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Michael Horeni, Sport-Redakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) kann das nicht nachvollziehen. "Wie man nach diesem Jahr von einer großartigen Leistung der Mannschaft, bzw. des Bundestrainers sprechen kann, ist mir ehrlich gesagt rätselhaft", sagte Horeni im Dlf. "Das 0:6 gegen Spanien sollte eigentlich ein Spiel werden, in dem die Mannschaft zeigt, wo sie steht. Und nach einem 0:6 kann ich nicht von einem herausragenden Jahr des Bundestrainers sprechen."
Umfragen hätten zudem gezeigt, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren stetig gesunken sei, so Horeni. Der DFB hatte dagegen von einer gestiegenen Wertschätzung gesprochen. "Was ich darin sehe ist das Motto ‚Augen zu und durch‘", so Horeni. "Durch die Konflikte innerhalb des Verbandes sind zielführende Entscheidungen in schwierigen Fragen, zu denen natürlich auch die Frage des Bundestrainers gehört, nicht möglich. So wird aus meiner Sicht versucht, die Hoffnung aufrecht zu erhalten, dass es im nächsten Jahr besser wird und dass man eine erfolgreiche Europameisterschaft spielt. Ob das unter diesen Voraussetzungen so kommt, daran habe ich meine Zweifel."
Nationalmannschaft als Leidtragende
In den vergangenen Wochen gab es Berichte über einen Zwist zwischen DFB-Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius, die der Verband auch bestätigte. Zudem soll Keller Löw um einen Rücktritt gebeten haben, blitzte aber ab. Leidtragend sei die Nationalmannschaft, sagte Horeni. "Sie müssen alles rausreißen. Sie müssen die Versäumnisse, die andere zu verantworten haben, auf dem Platz vergessen machen. Das ist eine schwierige Situation für die Mannschaft, die im Kern aber die Qualität hat, bei EM das ausgegebene Ziel Halbfinale zu erreichen. Ich befürchte nur, dass die Voraussetzungen dafür im Moment nicht gegeben sind."
Die schlechte Entwicklung beim DFB habe 2015 mit der Aufdeckung der ungeklärten Zahlung im Zusammenhang mit dem "Sommermärchen" 2006 ihren Anfang genommen, so Horeni. "Seitdem hat es unheimlich viele Personalentscheidungen und Wechsel an der Spitze gegeben. Jede Gruppe hat versucht, ihre Interessen durchzubringen. Aus meiner Sicht ist in der Spitze des Verbandes keine Einigkeit mehr zu erzielen, weil jeder eifersüchtig auf seinen eigenen Bereich schaut, den man auch noch gegenüber den anderen abgegrenzt hat. In jeder dieser schwierigen Phasen haben Einzelne versucht, einen Vorteil daraus zu ziehen. Und das Vorhaben, mit der Wahl von Fritz Keller zum Präsidenten, sich von innen heraus zu reformieren, ist aus meiner Sicht gescheitert."
"Die aktuelle Krise hat der DFB selbt mitproduziert"
Auf die Frage, was beim DFB noch richtig läuft, weiß Horeni keine Antwort. "Die aktuelle Krise hat der DFB selbst mitproduziert. Die Diskussion um den Bundestrainer ist entstanden aus Mitteilungen des DFB. Der Verband hat die Diskussion befeuert, indem er unklar kommuniziert hat. Jetzt hat er versucht, das Thema wieder einzufangen und hat dabei einen geschwächten Trainer zurückgelassen, von dem man jetzt den Eindruck haben muss, der Präsident stehe nicht mehr hinter ihm. Und durch an die Medien durchgestochene Informationen hat man nun auch den Eindruck, dass der DFB-Präsident in dieser Sache den Überblick verloren hat. Das sind zwei Entwicklungen, die der DFB alleine zu verantworten hat."