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Krise beim DOSB
Ansehen und Image „Sportdeutschlands“ sind dahin

Der DOSB zerlegt sich von Tag zu Tag weiter, kommentiert Bianka Schreiber-Rietig. Nach der jüngsten Wendung in der Briefaffäre müsste Präsident Alfons Hörmann seinen Rückzug sofort vollziehen.

Ein Kommentar von Bianka Schreiber-Rietig |
Olympia: Präsentation der Bekleidung Team Deutschland
Olympia: Präsentation der Bekleidung Team Deutschland für die Winterspiele in Peking 2022. Alfons Hörmann, Präsident des DOSB. (picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd)
Professionelle Übergabe der Amtsgeschäfte? Da hätte man schon hellhörig werden müssen, als Noch-Präsident Alfons Hörmann diese bei seiner Rückzugs-Ankündigung  im Juni versprach. Professionell und Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB)  - das ist inzwischen allzu oft ein Widerspruch: Denn das Krisen- und Kommunikationsmanagement des Dachverbandes ist schon lange unterirdisch. Und seit der anonyme Brief im Mai die Führungsspitze im Haus des Sports ins Trudeln brachte, zerlegt sich der DOSB von Tag zu Tag weiter.

Wie ein angezählter Boxer, der wild um sich schlägt

Alfons Hörmann und seine Getreuen aus Präsidium und Vorstand befinden sich anscheinend noch immer in einer Parallelwelt. Sie nehmen die Realität erst dann zur Kenntnis, wenn es gar nicht mehr anders geht. Wie ein angezählter Boxer, der wild um sich schlägt, ging es vor allem in den letzten Monaten um Selbstverteidigung. Der Inner Circle im DOSB, der sich schützend vor den Meister stellte, und Anwälte zückten die magischen Stäbe gegen die vermeintlich dunklen Mächte. Mit harten, nicht nur juristischen Bandagen machte der Schutz-Tross klar: Jegliche Kritik am DOSB und seinem Boss verbietet sich - Fehler machen nicht wir, sondern die anderen.

Ansehen und Image „Sportdeutschlands“ sind dahin

Nur in Wirklichkeit ist es halt nicht so. Und da helfen auch Auftrags-Gutachten nicht, die offenbar den schönen Schein von Erfolg- und Makellosigkeit im Dachverband belegen sollen. Die überwiegende Mehrheit der DOSB-Mitgliedsorganisationen hat nicht eingegriffen, dem Treiben auf der Chefetage teils amüsiert, teils zustimmend, manchmal verärgert zugesehen. Man wollte es sich mit dem Boss nicht verderben. Und: Sie haben ihn zweimal gewählt – trotz erkennbarer und vor allem hausgemachter Probleme. Nun stehen sie vor dem Scherbenhaufen, den sie selbst mit zu verantworten haben. Ansehen und Image „Sportdeutschlands“ sind dahin. Der Neustart-Versuch ist belastet, nicht zuletzt deshalb, weil die Problemverursacher auf den Präsidiums- und Vorstandsstühlen noch immer bestimmen, wo es lang geht.
Allerdings - ein Sitzmöbel wird nun frei: Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker, die das Vorgehen gegen die ehemalige Vorstandskollegin Karin Fehres mitzuverantworten hat, verlässt „einvernehmlich“, wie es so schön heißt, den DOSB. Rücker war ihrem Chef offensichtlich nicht und nie gewachsen: Sie war weder politische Strategin noch Korrektiv gegenüber Präsident und Präsidium, sondern trug aus missverstandener Loyalität alles mit.

Hörmann müsste Rückzug sofort vollziehen

Aber eigentlich müsste doch einer nach der jüngsten Wendung in der Briefaffäre seinen Rückzug sofort vollziehen: der politisch Verantwortliche, der Präsident. Wie sonst soll ein Neustart in Weimar gelingen? Allein der Tagesordnungspunkt: Alfons Hörmann gibt auf der Bühne seinen Rechenschaftsbericht ab, sorgt für Gesichtsblässe. Denn: Folgt man seinen jüngsten Aussagen in diversen Interviews, so sind die Erfolge in seiner Ägide formidable, Vorwürfe widerlegt und er ist Opfer einer Verschwörung, von Intrigen und Machenschaften seiner Gegner. Was also erwartet die „Sportfamilie“ beim Abgang des Allgäuers? Eine Abrechnung oder eine professionelle Übergabe? Alfons Hörmann hat in vielen Situationen seiner achtjährigen Amtszeit gezeigt, dass er unberechenbar ist. Deshalb sollte man besonders ihn und den deutschen Sport vor weiteren Peinlichkeiten bewahren. Fair Play und Respekt sollen ja nicht schon wieder nur Schlagworte sein!