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Krise der Großbanken
"Wir brauchen mehr grenzübergreifend tätige Banken"

Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hält ein Zusammengehen der deutschen Großbanken mit Partnern aus dem Euro-Raum für einen möglichen Schritt aus der Krise. Der Stellenverlust wäre geringer als bei einem Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank, sagte Mayer im Dlf.

Thomas Mayer im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Der Schriftzug "Commerzbank" über dem Eingang zu einer Filiale im Stadtteil Altona. Im Hintergrund links die benachbarte Filiale der Deutschen Bank.
Eine Fusion mit europäischen Partnern wäre für Deutsche Bank und Commerzbank der richtige Schritt, sagt Thomas Mayer (dpa/ Sören Stache)
Jörg Münchenberg: Wochenlang hatte die Gerüchteküche gebrodelt, Deutsche Bank und Commerzbank würden fusionieren. Auch aus Berlin gab es erheblichen Druck von Finanzminister Olaf Scholz. Aus zwei Lahmen sollte ein neuer Champion werden, auf Augenhöhe mit der internationalen Konkurrenz. Aber Ende April kam dann die offizielle Absage. Es werde keine Fusion geben. Seither fragen sich viele Aktionäre, Experten, aber auch die Politik, wie es mit den beiden größten deutschen Banken weitergehen soll. Antworten könnte es diese Woche geben. Heute Sondersitzung des Commerzbank-Aufsichtsrats, morgen Hauptversammlung, bevor dann am Donnerstag das Aktionärstreffen der Deutschen Bank folgt.
Am Telefon ist nun Thomas Mayer, früherer Chefvolkswirt der Deutschen Bank, heute Chef der Denkfabrik bei der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch in Köln. Herr Mayer, einen schönen guten Morgen!
Thomas Mayer: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
Münchenberg: Herr Mayer, wird das in dieser Woche die Woche der Abrechnung für die beiden deutschen Banken, für Commerzbank und Deutsche Bank?
Mayer: Auf den Aktionärsversammlungen sicherlich. Wir haben ja gesehen, dass die Aktionäre inzwischen sich nicht mehr scheuen, deutliche Worte zu wählen, und ich denke, dass solche Worte heute bei der Commerzbank und später bei der Deutschen Bank Versammlung zur Sprache kommen.
Symbolische Ohrfeige für Bank-Vorstand
Münchenberg: Nun geht man ja auch so weit: Manche Beobachter sagen, dass zum Beispiel der Vorstand der Deutschen Bank am Donnerstag gar nicht mal entlastet wird. Das wäre dann doch eine ziemlich schallende Ohrfeige, oder?
Mayer: Richtig. Das ist eine symbolische Ohrfeige. Es wird nicht direkt sich daraus etwas ergeben, aber doch ganz klar ein Ausdruck der Unzufriedenheit der Aktionäre, die ja auch berechtigt ist.
Münchenberg: Nun stehen ja beide Institute mächtig unter Druck. Bei der Commerzbank bleibt der Gewinn bescheiden, bei der Deutschen Bank ist der Aktienkurs massiv gefallen, die Investment-Sparte schwächelt, es gibt auch immer wieder negative Schlagzeilen, zuletzt um die Zusammenarbeit mit US-Präsident Donald Trump. Inwieweit sind die Probleme der beiden Institute hausgemacht und inwieweit ist es dann doch der schwierige Gesamtmarkt, zum Beispiel Stichwort niedrige Zinsen?
Mayer: Beides spielt hier eine Rolle. Hausgemacht sind die Ausflüge oder ist die Nachfolge der Ausflüge beider Banken in das Investment-Banking-Geschäft. Das hat die beiden Banken sehr, sehr geschwächt. Erinnern wir uns: Die Commerzbank hat ja kurz vor der Lehman-Pleite noch die Dresdner Bank übernommen. Das wirkt nach. Die Deutsche Bank hat zunächst mal nach der Finanzkrise ganz gut ausgesehen, aber dann häuften sich doch die Probleme, Strafzahlungen in den USA – Probleme, die sich bis heute hinziehen. Und bis dato hat es weder die eine, noch die andere Bank geschafft, ein in die Zukunft weisendes Geschäftsmodell auszuweisen, und deshalb ergeben sich jetzt im Zusammenhang dieser Jahresversammlungen diese Überlegungen, was jetzt in der Zukunft passieren soll, wohin sollen diese Banken gehen.
Gescheitert beim Investment-Banking
Münchenberg: Wenn man sich jetzt mal die Konkurrenz anschaut: Die steht ja durchaus besser da, auch in Europa. Sind dann die deutschen Bankmanager schlechter?
Mayer: Ich glaube, die deutschen Bankmanager standen vor einem unheimlich großen Problem. Für beide großen Privatbanken ist der deutsche Markt im Einzelgeschäft mit den Privatkunden nicht sehr lukrativ, weil dort die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken das Sagen haben. Das heißt, beide Banken haben versucht, über die deutschen Landesgrenzen hinaus sich zu verbreiten, haben das Investment-Banking-Geschäft gesucht als Standbein, und man kann im Rückblick jetzt sagen, es ist weder der einen, noch der anderen gelungen, dort Fuß zu fassen, und beide leiden jetzt an den Nachwirkungen dieser Ausflüge. Insofern würde ich sagen, ein strukturelles Problem, das mit einer Management-Entscheidung angegangen werden sollte, die sich aber im Nachhinein als nicht richtig erwiesen hat, oder zumindest als schlecht umgesetzt erwiesen hat.
Münchenberg: Herr Mayer, jetzt stellt sich natürlich auch die Frage nach den Konsequenzen. Kann zum Beispiel eine Commerzbank überhaupt noch allein überleben, oder muss sie nicht zusammengehen, damit sie überhaupt noch eine Zukunft hat?
Mayer: Ich denke, dass wir überhaupt in Deutschland, aber auch im Euro-Raum dringend eine Restrukturierung des Bankensektors brauchen. Wir brauchen auch mehr im Euro-Raum grenzübergreifend tätige Banken. Insofern haben diese Überlegungen, die jetzt angestellt werden, Commerzbank und ING oder Commerzbank und UniCredit, durchaus eine Berechtigung. Ich denke, dass die Commerzbank sich mit einem Partner im Euro-Raum besser schlagen könnte, als das in diesen angedachten Fusionen mit der Deutschen Bank der Fall wäre.
Münchenberg: Aber warum soll das besser sein, wenn die Commerzbank zum Beispiel mit einem europäischen Partner zusammengeht, als zum Beispiel mit der Deutschen Bank?
Mayer: Mit der Deutschen Bank gibt es zu viele Überlappungen. Da hatten ja die beiden Vorstände nachgeschaut, was passiert, wenn die zusammengehen, und viele Kunden fanden dann, dass sie sich von diesen Banken, von dieser einheitlichen Bank dann trennen müssten, weil sie ihre Geschäfte diversifizieren wollen. Da waren die erwarteten Verluste des Zusammengehens, die immer da sind, wenn zwei große Einheiten hier sich verschmelzen, größer als die Gewinne. Das dürfte bei Commerzbank-ING oder Commerzbank-UniCredit nicht ganz so der Fall sein.
"Wir brauchen eine Verringerung der Beschäftigten"
Münchenberg: Aber was hieße denn das dann für die Beschäftigten? Schon bei der möglichen Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank hieß es ja, Zehntausende Stellen würden wegfallen. Bei einer Fusion mit einer ausländischen Bank wären die Folgen ähnlich dramatisch?
Mayer: Sie wären auch spürbar, klar. Wir brauchen überhaupt im Bankengewerbe wahrscheinlich eine Verringerung der dort beschäftigten Leute. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Digitalisierung Einzug hält, dass immer weniger Leute in die Bankfilialen persönlich gehen. Das ist überall der Fall. Aber ich denke, dass eine grenzüberschreitende Fusion hier weniger einschlagen würde, was die Zahl der Mitarbeiter angeht, als das Zusammengehen von Deutscher und Commerz.
Münchenberg: Wie ist denn die Lage bei der Deutschen Bank? Der Aktienkurs ist ja auch deutlich gesunken und manche Analysten sehen ihn schon unter sechs Euro. Das heißt, die Deutsche Bank gilt eigentlich auch als heißer Übernahmekandidat.
Mayer: Das ist richtig. Ich denke, dass die Deutsche Bank große Schwierigkeiten haben würde, aus eigener Kraft wieder auf die Beine zu kommen. Ihr Geschäftsmodell ist, ein Dienstleister zu sein für die deutsche Industrie. So wurde sie gegründet 1870. Das ist ihre Bestimmung und dazu muss sie global tätig sein. Deshalb denke ich, dass die Deutsche Bank weniger jetzt einen Partner im Euro-Raum suchen sollte, sondern dass sie sich einen globalen Partner suchen sollte. Hier, denke ich, sollte man sich daran zurückerinnern, dass vor der Finanzkrise es mal Gespräche gab zwischen Deutscher Bank und City Group, ob es nicht möglich wäre, hier zusammenzugehen und eine große globale Investmentbank zu gründen. Diese Gespräche, die fielen durch, weil es damals bei der Deutschen Bank hieß, das wäre kein Merge of Equals.
Inzwischen glaube ich, dass man bei der Deutschen Bank etwas bescheidener geworden ist, und ich könnte mir vorstellen, dass es mit einer amerikanischen Investment-Bank zusammen schon Sinn machen würde, die Deutsche Bank ein europäisches Geschäft im Investment-Banking. Damit meine ich, in erster Linie als Dienstleister für europäische Industrieunternehmen sich neu aufzustellen. Wenn man sich umschaut, könnte man darauf kommen, dass Goldman Sachs ein ganz guter Partner wäre. Goldman möchte in das Geschäft mit Privatkunden einsteigen und hat jetzt eine eigene Privatkunden-Bank gegründet. Goldman ist daran interessiert, in einer sogenannten globalen Transaktionsbank. Das ist eine Bank für große Unternehmen, die deren Kassegeschäft managt. Da gäbe es Komplementaritäten und die Deutsche Bank hätte mit so einer Bank oder vielleicht sogar mit der Bank, mit Goldman Sachs, einen sehr starken globalen Partner.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.