Labour führt einen Richtungsstreit, der Jeremy Corbyn, dem gefeierten Gewinner der britischen Unterhauswahl, ernsthaft schaden kann. Die einen wollen sich verabschieden von der Vorstellung, Maduros Venezuela sei ein sozialistisches Paradies. Die anderen bleiben lieber bei dem, was sie immer schon geglaubt haben: Dass Sozialismus in jedem Fall gut ist. Nur so erklärt sich das Radio-Interview, das "Red Ken" vor wenigen Tagen gegeben hat: Ken Livingstone, ehemaliger Bürgermeister von London, immer gut für einen bemerkenswerten Auftritt in politischen Tabu-Zonen.
"Als Chavez an die Macht kam, hat er eines nicht gemacht: Er hat die Oligarchen nicht ermordet. In Venezuela kontrollieren 200 Familien 80 Prozent des Reichtums. Die hat er leben lassen. Und ich vermute, viele von denen nutzen ihre Möglichkeiten gerade, Maduros Regierung zu untergraben."
"Wenn er die Oligarchen hingerichtet hätte, wäre alles gut in Venezuela?" Die Moderatorin traut ihren Ohren kaum.
Einstige Lobgesänge auf den Sozialismus in Venezuela
Aber immerhin ist von Ken Livingstone überhaupt etwas zu hören. Der Rest von Labour hüllt sich da noch in Schweigen. Parteichef Jeremy Corbyn mag sich nicht zu Venezuela äußern, er ist im Urlaub. Doch in London erinnern sich viele jetzt an seine Lobgesänge auf den Sozialismus in Venezuela und die, die ihn gebracht haben.
Jeremy Corbyn hat Hugo Chavez "eine Inspiration für uns alle" genannt. Er hat das venezolanische Sozialprogramm als "Grund zum Feiern" gepriesen. Und nun, wo Demonstranten auf den Straßen von Caracas erschossen und Oppositionelle in Nacht- und Nebelaktionen verhaftet werden, wo das Parlament faktisch entmachtet ist - da schweigt er?
Frank Field, ehemaliger Labour-Minister, findet es schließlich nötig, seinem Parteivorsitzenden öffentlich einen Schubs zu geben: "Die Wähler, die die nächste Wahl entscheiden, sind schon da. Und sie schauen uns zu. Und ich fürchte, eine der Fragen, die sie sich stellen, ist: Glaubt Labour an die parlamentarische Demokratie oder nicht? Und ich glaube: Wie wir darauf antworten, ist entscheidend. Und ich persönlich finde die Ereignisse in Venezuela verheerend."
Parteichef Corbyn findet keine klaren Worte
Das sitzt. Der Richtungsstreit ist eröffnet. Alle können es hören. Jeremy Corbyn, zurück aus der Sommerfrische, stellt sich abseits von London einer einsamen Reporterin, die von ihm wissen will, ob er Maduros Handeln verurteilt?
"Was ich verurteile, ist die Gewalt von allen Seiten in diesem Konflikt. Gewalt ist nicht die Lösung."
Nächste Frage: Bedauern Sie ihre offene Unterstützung für Chavez und Maduro?
"Ich habe viele Menschen in der ganzen Welt unterstützt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Ungleichheit abzubauen und die Chancen der Ärmsten zu verbessern."
Im Klartext: Der Labour-Chef ist nicht bereit, Nicolas Maduros Regime zu kritisieren. Dafür kritisieren nun viele ihn. Das Echo aus der eigenen Partei ist verheerend. Corbyns Aussage sei viel zu schwach, er müsse klar machen, auf welcher Seite er stehe und zwar auf der der Demokratie. Corbyn solle unzweideutig das Scheitern Maduros anerkennen. Labour müsse die Freilassung politischer Häftlinge in Venezuela verlangen und Respekt für das frei gewählte Parlament. Die Aufregung ist groß. Wie der Parteichef damit umgehen will, ist völlig offen. Denn Jeremy Corbyn hüllt sich bereits wieder in Schweigen.
Andere tun das nicht. Die BBC lässt Juan Andrés Mejíazu Wort kommen, Gründungsmitglied der venezolanischen Opposition - noch nicht in Haft. Was würde er Jeremy Corbyn gern sagen?
"Dass er wissen sollte, was wirklich los ist in Venezuela. Die Gewalt ging nicht von beiden Seiten aus, sondern nur von der Regierung. Sie haben Paramilitärs bewaffnet, die hunderte Menschen umgebracht haben. Vielleicht wären ja die Mütter und Väter der Ermordeten bereit, Jeremy Corbyn zu erklären, was hier wirklich passiert."