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Krise oder Panikmache?

Der Stromverbrauch steigt, die Gaslieferungen aus Russland stocken, die Windräder drehen sich kaum. Seit Tagen wird in Deutschland darüber diskutiert, wie sicher die Stromversorgung angesichts der eisigen Temperaturen ist. Doch was ist wirklich dran an diesem Krisengerede?

Von Thorsten Jabs |
    Die Signale sind unterschiedlich: Der größte deutsche Gasimporteur EON-Ruhrgas und Ferngasnetz-Betreiber Open Grid sprechen von Transportproblemen, der Netzbetreiber Tennet spricht von Lieferengpässen. Und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler räumt ein:

    "Regional scheint es zu Engpässen gekommen zu sein, aber nicht flächendeckend, das zeigt also, dass wir frühzeitig Vorsorge getroffen haben durch die notwendigen Kaltreserven, die notwendig gewesen sind, durch das Abschalten der Kernkraftwerke und das war eine Maßnahme, die wir als Wirtschaftsministerium auch vorgeschlagen haben."

    Die Kaltreserve sei erstmals im Dezember benötigt worden, so der FDP-Politiker im ARD-Fernsehen. Bei der Energieversorgung insgesamt gebe es zwar eine angespannte Situation. Allerdings habe die Bundesnetzagentur frühzeitig Verträge mit anderen Kraftwerksbetreibern abgeschlossen, um Engpässe abdecken zu können. Auch der Präsident der Behörde, Matthias Kurth, erklärte im Deutschlandfunk, es sei nie richtig eng gewesen. Trotz der Energiewende habe Deutschland die Lage im Griff:

    "Ob wir sie in den nächsten Jahren, wenn weitere Kernkraftwerke abgeschaltet werden auch noch im Griff haben, dass müssen wir erst unter Beweis stellen, also in soweit warne ich auch davor zu sagen, wir haben den Härtetest bestanden. Den Härtetest werden wir erst in den nächsten zehn Jahren bestehen."

    Matthias Kurth wehrte sich gegen eine, so wörtlich, kurzatmige Betrachtung. Es sei zwar richtig, dass Deutschland in der vergangenen Woche Strom nach Frankreich exportieren konnte. Übers Jahr gerechnet habe die Bundesrepublik jedoch 20 Prozent mehr Strom aus dem Nachbarland eingeführt. Faktoren bei den erneuerbaren Energien wie Sonne oder Wind seien sehr, sehr variabel. Kurth warnte davor, aufgrund von Momentbetrachtungen zu sagen, alles sei bestens. Es sei keine Panikmache, jetzt auf den Handlungsbedarf hinzuweisen:

    "Wir müssen sehr viel handeln, sowohl beim Netzausbau als auch beim Kraftwerkszubau und da ist die jetzige Situation kein Ruhekissen auf dem man sich zurücklegen kann."

    Handeln wird die Bundesregierung jetzt bei einem anderen Thema: Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte, dass die Kündigungsfrist von Strom- oder Gasverträgen des Grundversorgers von vier Wochen zum Monatsende auf zwei Wochen verkürzt werden soll. Darüber soll übermorgen das Kabinett beraten. Der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters, erklärt, damit werde eine europäische Richtlinie umgesetzt. Die Bundesregierung sei verpflichtet, den gesamten Wechselzeitraum auf drei Wochen zu beschränken. Dies habe sie bisher versäumt. Peters hofft außerdem auf sinkende Preise:

    "Wenn der Verbraucher schneller wechseln kann, dann kann er natürlich schneller auf den Markt reagieren. Er muss jetzt nicht wie bisher sechs Wochen oder zwei oder drei Monate warten, bis er überhaupt beim neuen Versorger angekommen ist, sondern er kann jetzt schneller reagieren auf Preissignale und der Markt gerät dadurch mehr in Bewegung wird dynamischer und das nützt natürlich dem Verbraucher, weil er die Preissignale zu seinem eigenen Vorteil ausnützen kann."

    Darüber hinaus fordert Aribert Peters, die Preis-Transparenz zu verbessern. Die Bundesregierung weigere sich jedoch, diese EU-Vorgabe umzusetzen. Entsprechende Regelungen seien auch in der neuen Verordnung bedauerlicherweise nicht vorgesehen.