Der Ukraine-Konflikt sei für die Deutschen gefühlt bedrohlicher als der Konflikt um die Terrormiliz IS im Nahen Osten, sagte Herfried Münkler im Deutschlandfunk. Der Politikwissenschaftler führt dies auf die Kriegserinnerungen um Russland und die Ukraine im 20. Jahrhundert zurück.
"Im Raum des Vorderen Orients haben sich die Deutschen nur im Ersten Weltkrieg zeitweilig aufgehalten und engagiert", so Münkler. Die Erinnerungen seien daher weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Bei der Ukraine und Russland bestünden noch "zentrale Kriegserinnerrungen des 20. Jahrhunderts". Sie seien im kollektiven Gedächtnis der Deutschen noch sehr präsent. Er unterstrich allerdings, dass der Konflikt um den IS wesentlich gefährlicher sei.
Auf die Frage, ob der Kampf der IS als asymmetrische Kriegsführung bezeichnet werden könne, sagte Münkler: Die IS sei dazu übergegangen, einen Bodenkrieg zu führen. Auch gegen die IS werde ein Bodenkrieg geführt, weil die kurdischen Peschmerger mit Waffen beliefert und unterstützt würden.
IS-Netzwerk wird auch nach Niederlage weiter bestehen
Asymmetrisch sei hingegen das Agieren der USA und das Vorgehen der von ihr geführten Koalition. Diese beschränkten sich nur auf Luftschläge, um der IS Herr zu werden. Während der IS bestehende Grenzen auflösen wolle und eine ganz "andere Ordnung in diesem Raum schaffen will", sei der Konflikt in der Ukraine anders gelagert: "Die Akteure [Ukraine, Separatisten, Russland] sind territoriale Akteure und keine Netzwerke wie der IS." Wenn die Terror-Miliz IS geschlagen sein sollte, in zwei, drei Jahren, dann höre sie nicht auf zu bestehen. Sie wird auch nicht in ihrem Willen gebrochen sein, sagte Münkler. Sie werden dann gegebenenfalls unter anderem Namen und an einem anderen Ort wieder als Netzwerk auftauchen.
Das gesamte Gespräch mit Herfried Münkler können Sie mindestens fünf Monate in unserem Audio-on-Demand-Bereich nachhören.