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Krisentreffen im Verkehrsministerium
"Die Bahn hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht"

Bahnchef Richard Lutz ist heute erneut bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) angetreten und hat Pläne vorgelegt, wie die Bahn pünktlicher werden kann. Eine Pünktlichkeitsquote von 76,5 Prozent als Zielvorgabe für 2019 sei jedenfalls ein Witz, findet Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Christiane Kaess | 17.01.2019
    Anzeigetafel am Bahnhof Frankfurt zeigt Verspätungen an
    Bei der Bahn kommen immer noch zu viele Züge zu spät (dpa)
    Christiane Kaess: Heute muss der Vorstand der Deutschen Bahn schon wieder im Verkehrsministerium antreten. Frage an Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion - worum geht es?
    Klemens Kindermann: Um einen doch sehr ungewöhnlichen Vorgang: dass man einen Vorstand innerhalb von zwei Tagen erneut zum Rapport bestellt. Erst am Dienstag hatte die Bundesregierung die Spitze der Bahn zu sich gebeten, wollte wissen, warum die Züge nicht pünktlicher werden und was man dagegen zu tun gedenkt. Bahn-Vorstandschef Richard Lutz sieht sich da auch in der Verantwortung, ich hatte ihn im Interview der Woche zu den schlechten Pünktlichkeits-Zahlen der Bahn im Sommer gefragt und er räumte ein:
    "Die Themen, die wir da haben, sind unsere Themen, ist unser Job, unsere Verantwortung. Dieser Verantwortung müssen wir uns auch stellen. Und Politik darf erwarten und muss auch erwarten, dass wir uns um unsere Hausaufgaben kümmern und die Dinge machen, die gemacht werden müssen aus einer unternehmerischen Verantwortung heraus."
    Aber genau diese Hausaufgaben hat die Bahn offenbar nicht gemacht. Der Staatssekretär und Bahn-Beauftragte Enak Ferlemann fasste das nach dem Gipfel am Dienstag so zusammen: "Das hat einfach nicht gereicht."
    Ein Portrait von Richard Lutz, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn.
    Richard Lutz, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn (imago/ Michael Gottschalk)
    "So eine Zielvorgabe ist ein Witz"
    Kaess: In welchen Punkten hat denn die Bahn-Spitze nicht geliefert?
    Kindermann: Vor allem bei den wichtigen Themen Pünktlichkeit und Service gab es wohl wenig Konkretes. Von Seiten des Bundes hieß es danach, da habe man sich "verbindlichere Aussagen" gewünscht. Seit einer Woche wissen wir: In 2018 lag die Pünktlichkeitsquote der Bahn nur noch bei 74,9 Prozent.
    Im Klartext: Jeder vierte Fernzug kam zu spät. Wobei sechs Minuten zu spät - aus Sicht der Bahn - auch noch pünktlich ist. Für das laufende Jahr 2019 peilt die Bahn jetzt eine Pünktlichkeitsquote von 76,5 Prozent an, das sind gerade mal 1,6 Prozentpunkte mehr. Da kann man wirklich sagen, das ist doch ein Witz: Mit einer solchen Zielvorgabe in ein neues Jahr zu gehen.
    Da sehnt man sich ja jetzt schon in die Schweiz oder nach Japan: Nach dem Shinkansen, dem japanischen Hochgeschwindigkeitszug – da können Sie die Uhr stellen. Bei einem deutschen ICE wäre da wohl eher abzuraten.
    Ein Shinkansen fährt in den Bahnhof von Tokio ein (16 September 2013).
    Ein Shinkansen fährt in den Bahnhof von Tokio ein. (picture alliance / dpa / Kimimasa Mayama)
    Kaess: Was für Zielvorgaben will die Bundesregierung der Bahn machen?
    Kindermann: Ja, wenn man heute auf die Seite eins der "Bild"-Zeitung schaut, da äußert sich Verkehrsminister Andreas Scheuer zum zweiten Bahn-Krisengipfel und sagt, er wolle eine "Bürger-Bahn". Etwas konkreter vielleicht Enak Ferlemann, der Parlamentarische Staatssekretär und für die Bahn zuständig. Er hat das im Gespräch mit meiner Kollegin Silke Hahne aus der Wirtschaftsredaktion folgendermaßen aufgeschlüsselt:
    "Das ist einmal die Verfügbarkeit der Züge. Das ist: Wir brauchen deutlich mehr Lokführer. Das ist die Frage, dass sich die Wartung deutlich verbessern muss. Das ist die Frage der Infrastruktur in den Bahnhöfen, auf den Gleisen, in der Sicherheitstechnologie. Alle diese Fragen muss die Bahn lösen. Das ist ihre Aufgabe und das müssen wir als Eigentümer erwarten, weil die Bürger für das viele Geld, das wir der Bahn zur Verfügung stellen, ein tolles Bahnsystem erwarten, und nicht ein System, wo wir diese hohen Verspätungs-Anfälligkeiten haben."
    Und - Zufall oder nicht - heute Morgen hat die Bahn die Ergebnisse ihrer großen Mitarbeiterbefragung veröffentlicht. 200.000 Bahner nahmen teil. Ein Ergebnis: Die Mehrheit der Mitarbeiter ist der Ansicht, dass die internen Arbeitsabläufe und besser organisiert werden müssten. Tja, da fällt einem als Bahnfahrer auch einiges dazu ein.