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Kritik am Entwurf für Umweltgesetzbuch

Die Schaffung eines neuen Umweltgesetzbuchs sollte eigentlich dazu dienen, das in einzelne Fachgesetze zersplitterte Umweltrecht zu vereinfachen. Inzwischen liegt der umfangreiche Gesetzentwurf vor - und das eigentliche Anliegen, der Umweltschutz, droht auf der Strecke zu bleiben.

Von Dieter Nürnberger |
    Die großen Umweltverbände in Deutschland warnen anlässlich der sich abzeichnenden Regelungen für ein Umweltgesetzbuch vor einer Zerreißprobe. Konkret geht es um die Instrumente, die ein solches Umweltgesetzbuch haben soll, um eben dem Naturschutz auch einen gewissen Stellenwert einzuräumen. Und ein solches zentrales Instrument ist die sogenannte Eingriffsregelung. Hier hatten die Verbände gehofft, dass die Zerstörung von Naturflächen in Deutschland gestoppt werden könne. Geschehen sollte dies durch Regelungen, wonach bauliche Veränderungen erstens vermieden oder zweitens durch die Schaffung anderer Naturflächen kompensiert werden sollten. Erst als letztes Mittel sollten Ersatzzahlungen stattfinden. Nun aber würden die Entwürfe für das Gesetz zeigen, dass diese finanzielle Ausgleichsregelung zum Standard werden soll, sagt Helmut Röscheisen, der Generalsekretär des Deutschen Naturschutzringes:

    "So dass zukünftig direkt zu Geldzahlungen übergegangen werden kann. Man kann sich vorstellen, dass damit die Hürde, diese Eingriffe in die Natur zu vermeiden, noch niedriger wird als ohnehin schon. Wir befürchten, dass dies zu Lasten des Naturschutzes geht.2"

    Und verantwortlich für diesen Wechsel in der Hierarchie der vorgesehenen Maßnahmen seien das Verkehrsministerium und auch das Agrarministerium. Wer reale Schäden an der Tier- und Pflanzenwelt verursache, müsse auch eine reale Wiedergutmachung vor Ort oder anderswo leisten - und nicht nur darauf vertrauen können, dass er Geld als Ausgleich gebe, sagt Röscheisen:

    ""Herr Seehofer und Herr Tiefensee sind jetzt gefordert, die Fachleute ihres jeweiligen Hauses zurückzupfeifen. Schließlich ist ja auch die Bundesregierung einmal angetreten, das Umweltgesetz so zu gestalten, dass die bisherigen Standards für den Naturschutz nicht abgesenkt werden und dennoch die bisherige Zersplitterung des Fachrechts aufhört. Da geht es jetzt auch um Glaubwürdigkeit. Es ist eine verbindliche Aussage der Politik, dies umzusetzen und nicht das Gegenteil zu tun."

    In der Tat gehen noch immer täglich in Deutschland rund 109 Hektar Naturfläche verloren - durch Baumaßnahmen für die Infrastruktur beispielsweise, oder auch weil die Landwirtschaft diese Flächen beansprucht. Dieser Flächenverbrauch soll auch nach dem Willen der Bundesregierung reduziert werden. Das Ziel: nur noch 30 Hektar Naturzerstörung täglich. Und das Reformvorhaben Umweltgesetzbuch drohe nun auch deswegen zu einem zahnlosen Tiger zu werden, weil die Kompetenzen durch das umstrittene, aber längst in Kraft getretene Föderalismusgesetz, geändert wurden. Gerhard Timm, der Bundesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland:

    "Die Föderalismusreform, die den Weg für ein Umweltgesetzbuch ja freigemacht hatte, erweist sich jetzt in der Tat als schwierige grundgesetzliche Voraussetzung, indem man beispielsweise schon mal abwägt, wo denn Abweichungen stattfinden sollen. Das wird auch schon mit den Ländern diskutiert. Das Umweltgesetzbuch als Bundesrecht soll dadurch aufgeweicht werden. Es soll nur noch Bestimmungen enthalten, die auch die Länder akzeptieren. Aus den Ländern kommt ja auch die Ansage, dass man abweichende Regeln haben will, die schwächer sind als das bestehende Recht."

    Vorwurf der Verbände: Die Standards für einen effektiven Natur- und Umweltschutz sollen dadurch gesenkt, sozusagen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht werden. Zudem drohe hier ein föderales Chaos mit jahrelangen Rechtsstreitigkeiten. Fazit des Deutschen Naturschutzrings: Der Wert der Umwelt werde auch weiterhin dem Wert von Wirtschaftlichkeit untergeordnet. Hubert Weinzierl, der Präsident des Naturschutzrings:

    "Wenn wir uns angesichts der Biodiversitäts-Konferrenz der Bundesregierung im Mai hinstellen und vom Wert der Arten für die Zukunft sprechen - auch als wirtschaftlicher Wert - dann muss hier auch abgewogen werden können. Dann muss man eben manche Dinge wie den Transrapid, so manche ICE-Neubaustrecke oder auch einen neuen Flugplatz auch infrage stellen dürfen."

    Die Verbände sehen also mit der Schaffung eines Umweltgesetzbuches derzeit wenig Fortschritt. Und man forderte heute Vormittag auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, hier gegen seine Kabinettskollegen Stellung zu beziehen.