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Kritik am Flüchtlingspakt mit der Türkei
Ärzte ohne Grenzen verzichtet auf EU-Gelder

Aus Protest gegen die EU-Flüchtlingspolitik will die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bei der EU und deren Mitgliedstaaten keine Finanzmittel mehr beantragen. Nach eigenen Angaben verzichtet sie damit auf rund 50 Millionen Euro im Jahr. Die Politik der EU habe vor allem für ungeschützte Gruppen wie Schwangere, Kinder und unbegleitete Minderjährige verheerende Folgen.

    Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen helfen in Griechenland ankommenden Flüchtlingen.
    Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen helfen in Griechenland ankommenden Flüchtlingen. (Deutschlandradio / Marianthi Milona)
    "Wir sehen in unseren Projekten jeden Tag, welches Leid die aktuelle EU-Flüchtlingspolitik verursacht", sagte der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland, Florian Westphal. Die EU-Vereinbarung mit der Türkei, die die Zuwanderung von Flüchtlingen über das Mittelmeer unterbinden soll, bezeichnete die Organisation als Versuch, Notleidende aus Europa fernzuhalten. Dabei handle es sich um einen gefährlichen Präzedenzfall für andere Staaten jenseits der EU. Folge sei, dass nun mehr als 8.000 Schutzsuchende auf den griechischen Inseln festsäßen.
    Auf Twitter schrieb die Organisation zum unten abgebildeten Foto: "Die Gesichter derjenigen, die die EU-Länder nicht sehen wollen. Wir können keine Gelder von denjenigen nehmen, die solches Leid verusachen."
    Fokus auf private Spender
    Ärzte ohne Grenzen will demnächst verstärkt auf private Spender setzen. Nach eigenen Angaben finanziert sich die Organisation zu 92 Prozent aus Privatspenden. Vergangenes Jahr erhielt sie 19 Millionen Euro von EU-Institutionen und 37 Millionen Euro von EU-Mitgliedstaaten.
    Das Auswärtige Amt förderte Projekte in afrikanischen Ländern mit rund vier Millionen Euro. Für 2016 gebe es Finanzierungsverträge über ebenfalls vier Millionen Euro, die noch erfüllt würden. Neue Mittel werde Ärzte ohne Grenzen nicht beim Auswärtigen Amt beantragen.
    Auswärtiges Amt: Ärzte ohne Grenzen "unverzichtbar"
    Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, man bedauere die Entscheidung. Ärzte ohne Grenzen sei unverzichtbar, und man habe Hochachtung vor der Organisation. Das Auswärtige Amt sei weiterhin bereit, sie zu unterstützen.
    Laut EU-Kommission wird die Entscheidung von Ärzte ohne Grenzen keine gravierenden Folgen haben. Die Organisation sei kein Partner für EU-Hilfsmaßnahmen in der Türkei und habe auch keine EU-Gelder für Projekte dort beantragt. Deshalb wäre keine lebensrettende humanitäre Hilfe für Flüchtlinge dort betroffen.
    Ärzte ohne Grenzen selbst teilte mit, die Hilfe in Europa werde bereits ausschließlich aus Privatspenden finanziert. In den vergangenen 18 Monaten hätten Teams der Organisation etwa 200.000 Flüchtende in Europa behandelt. Ärzte ohne Grenzen hilft Flüchtlingen und Vertriebenen nach eigenen Angaben in mehr als 40 Ländern, darunter Griechenland, Serbien, Frankreich und Italien.
    (vic/am)