Der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer wurde so schnell entwickelt und so schnell zugelassen wie kein Impfstoff zuvor. Der Erfolg der Impfung ist seitdem gut dokumentiert. Aber bei der Zulassungsstudie gab es offenbar Probleme, wie eine Whistleblowerin gegenüber dem British Medical Journal angab.
Welche Vorwürfe stehen im Raum?
Die Vorwürfe richten sich nicht direkt gegen Biontech oder Pfizer, sondern gegen das Subunternehmen Ventavia, dass für Pfizer einen Teil der Zulassungsstudie in Texas organsiert hat. Es ist üblich, dass solche Dienstleister die Umsetzung von großen Studien vor Ort übernehmen. Ventavia wirbt auf der Internetseite, dass es den Weg für eine neue Medizin bahnt. In diesem Fall hat das Unternehmen wohl eine Abkürzung genommen. Das berichtet zumindest die Studienexpertin Brook Jackson, die von Ventavia für die Biontech/Pfizer-Studie eingestellt würde.
Woran macht die Whistleblowerin ihre Kritik fest?
Brook Jackson hat eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten dokumentiert. Zum Teil wurden sie auch von anderen Mitarbeitern anonym gegenüber dem British Medical Journal bestätigt. Ich greife hier nur zwei heraus: Auf den Patientenblättern wurde verzeichnet, ob die Teilnehmer den Impfstoff bekommen hatten, oder nur ein Placebo. Damit war die Verblindung löchrig, die für die Objektivität von Studien so wichtig ist.
Problematisch ist auch, dass Nebenwirkungen, anders als im Studienprotokoll festgelegt, nicht schnell nachgegangen wurde. Daneben gab es noch kleinere Probleme, Brook Jackson hat sie im Unternehmen angesprochen aber nichts geschah. Sie hat dann alles im September 2020 der zuständigen Federal Drug Administration gemeldet. Daraufhin wurde sie von Ventavia entlassen. Pfizer und Biontech haben die Vorwürfe gegenüber Ventavia bislang noch nicht kommentiert.
Was hat die FDA daraufhin gemacht?
Die Behörde hat sich telefonisch bei Brook Jackson gemeldet, um weitere Details zu erfahren. Bei Ventavia rechnete man mit einer Kontrolle, aber die kam nie. Diesen August hat die FDA einen Bericht zur Zulassungsstudie des Corona-Vakzins von Biontech/Pfizer veröffentlicht. Danach wurden nur neun der 153 Studienstandorte überprüft, die drei von Ventavia waren aber nicht darunter. Da fragt man sich natürlich: Warum nicht? Das British Medical Journal merkt dazu an, dass die FDA generell nur sehr stichprobenartig prüft und das oft erst nach Monaten, auch weil es an Personal fehlt. Gegenüber dem Science Media Center sagte Prof. Oliver Cornely, der in Köln selbst viele klinische Studien durchführt, dass die Behörden hierzulande – anders als in den USA - sehr häufig kontrollieren.
Bestehen aufgrund der Pannen jetzt Zweifel an Wirksamkeit oder Verträglichkeit des Vakzins von Biontech/Pfizer?
Nein. Da sind sich alle Experten einig. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens hat Ventavia nur etwa 1.000 der rund 44.000 Teilnehmer der Zulassungsstudie betreut. Das Gesamtergebnis wird von möglichen Fehlern nicht beeinflusst. Die EMA schreibt: "Obwohl die Anschuldigungen schwerwiegend sind, ziehen sie die Sicherheit, Effektivität und Qualität des Impfstoffs selbst nicht in Zweifel."
Zweitens haben seit der Zulassung ja viele weitere Studien belegt: Dieses mRNA-Vakzin schützt trotz der Impfdurchbrüche sehr gut vor schweren Verläufen – nach aktuellem Stand tut es das in 90 Prozent der Fälle. Und schwere Nebenwirkungen nach der Impfung sind extrem selten.
In den USA wurde der Impfstoff von Biontech/Pfizer jetzt auch für Kindern ab fünf Jahren freigegeben. Geben die jetzt aufgedeckten Unregelmäßigkeiten da jetzt Anlass zur Sorge?
Auch an diesen Zulassungsstudien mit 5-12-Jährigen ist Ventavia beteiligt. Ich habe das gerade noch mal im Studienregister clincaltrials nachgesehen: Bei der Studie zur Kinderimpfung gibt es 94 Standorte und einer wird von Ventavia organisiert. Ob die Probleme dort noch immer bestehen, oder ob Ventavia inzwischen mehr Personal eingestellt hat, um alle Qualitätsstandards zu erfüllen, das weiß niemand. Aber auch bei diesen Studien dürften eventuelle Probleme das Gesamtergebnis kaum verzerren. Die Europäische Zulassungsbehörde wird nach dem Bericht des British Medical Journal die Daten, die von Ventavia stammen, sicher besonders genau ansehen. Von daher ist meine Einschätzung: Wenn die EMA die Zulassung für Kinder ab fünf Jahren erteilt, kann man ihrem Urteil trauen, dass der Impfstoff auch für diese Altersgruppe sicher und wirksam ist.