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Kritik an BAMF-Chefin
Asylentscheider unter Druck

Mitarbeiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheiden über Leben und Perspektiven - oft nicht nur für einen Menschen, sondern für ganze Familien. Obwohl die Zahl der Asylentscheider aufgestockt wurde, ist die Belastung für viele hoch. Sie machen dafür auch die neue Chefin verantwortlich.

Von Stefan Maas | 25.02.2017
    Der Entscheider Dan-Marvin Frosting (M) spricht am 03.08.2015 in der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bingen am Rhein (Rheinland-Pfalz) mit einem Asylbewerber aus Syrien (l).
    Ein Entscheider spricht mit Asylbewerbern aus Syrien. Viele Mitarbeiter des BAMF beschweren sich über zunehmende Arbeitsbelastung. (dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen)
    Als Jutta Cordt Anfang des Jahres ihr neues Amt als Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – kurz BAMF – antrat, sagte sie selbst über diese Herausforderung:
    "Meine Hauptaufgabe wird sein, die Behörde so auszurichten, dass wir krisenfest sind, dass die Anzahl von Menschen deutlich steigen, auch in kürzerer Zeit steigen, dass wir vorbereitet sind, und wir nicht wieder in der Situation sind wie in 2015, dann erst zu überlegen, wie kriege ich Mitarbeiter."
    Eine weitere – wie sie es nannte "hohe Last" - war die große Zahl der noch unbearbeiteten Asylanträge. Zwar hatte ihr Vorgänger Frank-Jürgen Weise die Mitarbeiterzahl auf fast 10.000 vervierfacht, doch noch immer waren rund 430.000 Asylanträge offen. Viele noch aus dem Jahr 2015 oder früher. Die sollten möglichst schnell abgearbeitet werden – bis Ende des Frühjahrs werde das BAMF dies erreichen, sagte Cordt in Interviews, etwa mit der FAZ Mitte Januar.
    Wir auf Asylentscheider zu viel Druck ausgeübt?
    Dass die BAMF-Mitarbeiter damit zügig vorankamen, erklärte Anfang Februar das Bundesinnenministerium. Im Januar habe das Amt über 70.750 Anträge entschieden. Die Zahl "anhängiger Asylvorgänge" sei daher im Januar auf rund 384.000 gesunken.
    Jetzt wirft der Personalrat der neuen Chefin in einem internen Schreiben vor, auf die Asylentscheider werde durch starre Zielvorgaben zu viel Druck ausgeübt. Wie Spiegel Online berichtet, heißt es in dem Schreiben, die Mitarbeiter müssten im Schnitt 3,5 Entscheidungen oder drei Anhörungen am Tag erledigen. Dabei sei es egal, wie kompliziert der Fall sei. Wenn Mitarbeiter die Vorgaben nicht erfüllten, müssten sie länger arbeiten. Das BAMF wies die Vorwürfe auf Spiegel-Anfrage zurück, die Vorgaben seien "Orientierungswerte".
    Vor zwei Tagen wurde bekannt, dass Asylverfahren inzwischen länger dauern. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Danach brauchte das BAMF im vierten Quartal des vergangenen Jahres im Schnitt für eine Entscheidung 8,1 Monate. Im Gesamtjahr 2016 waren es 7,1 Monate, 2015 nur 5,2 Monate.
    Besonders lange auf eine Entscheidung warten Menschen aus Somalia mit durchschnittlich 17,3 Monaten, der Türkei mit 16,3 Monaten und der russischen Föderation mit 15,6 Monaten. Syrer bekamen im Schnitt nach 3,8 Monaten Bescheid.
    BAMF-Chefin Cordt setzt auf freiwillige Ausreisen
    BAMF-Chefin Cordt hatte auch erklärt, sie erwarte, dass die Zahl der freiwilligen Ausreisen in diesem Jahr deutlich steigen werde. 2016 waren rund 55.000 Menschen freiwillig in ihre Heimatländer ausgereist. Mit einer Telefonhotline will das Amt nun Ausreisewilligen und Ansprechpartner in den entsprechenden Behörden leichter zusammenbringen. Insbesondere in ländlichen Regionen ohne Beratungsstellen sei dies ein einfacher Weg.
    Auch die Bundesregierung will Ausreisewilligen die Entscheidung erleichtern. Dazu erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Januar:
    "Der Bundestag hat für 2017 40 Millionen Euro zusätzlich für ein Anreizprogramm zur Förderung der freiwilligen Rückkehr bewilligt."
    Das Programm "Starthilfe Plus" sieht vor, dass es zwei Förderstufen geben soll. 1200 Euro gibt es für diejenigen, die sich noch vor Abschluss ihres Asylverfahrens dafür entscheiden, ihren Asylantrag zurückzuziehen und in ihr Heimatland zurückzukehren. 800 Euro bekommt ein Flüchtling, wenn sein Asylantrag abgelehnt wurde und er sich innerhalb der Ausreisepflicht dazu entscheidet, Deutschland wieder zu verlassen, ohne Rechtsmittel gegen seine Ablehnung einzulegen.