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Kritik an Berichterstattung
Ostdeutschland muss sichtbarer werden

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde zu wenig, zu einseitig und zu negativ über Ostdeutschland berichten. Diese Kritik ist im Streit um den Rundfunkbeitrag lautgeworden. Der Vorwurf ist nicht neu - und ein Bericht der Bundesregierung bestätigt ihn nun.

Text von Michael Borgers / Matthias Platzeck im Gespräch mit Brigitte Baetz |
Blau angestrahlter MDR-Turm am Augustusplatz in Leipzig bei Nacht.
Der in Leipzig ansässige MDR ist laut Umfragen beliebt, allerdings ist seine Akzeptanz geringer als die der öffentlich-rechtlichen Sender im Westen (picture alliance / zb / Kirsten Nijhof)
Ostdeutschland müsse in den Programmen von ARD, ZDF und Deutschlandradio sichtbarer werden – so lautet eine Forderung aus dem Abschlussbericht der Regierungskommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit". Die Gruppe von 22 Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft wurde vor gut anderthalb Jahren von der Bundesregierung eingesetzt.
Man müsse genau hinsehen, in welcher Art und Weise der Osten dargestellt werde, sagte der Kommissionsvorsitzende und frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) bei der Vorstellung des Berichts. Die Frage sei, ob der Osten nur vorkomme, wenn es um rechtsradikale Vorfälle oder auch um Erfolge oder den Alltag gehe.
30 Jahre nach der Wiedervereinigung seien im Osten noch immer die meisten Leitungspositionen, auch in den Medien, von Menschen aus dem Westen besetzt, sagte Platzeck dann im Deutschlandfunk. Es gehe hierbei um langjährig gewachsene Beziehungen und Netzwerke. "Aber Ostdeutsche nehmen diese Netzwerke bis heute viel zu wenig wahr", so Platzeck.
Vor allem öffentlich-rechtliche Sender seien gefragt, das bei der Besetzung neuer Positionen zu berücksichtigen. Gleichzeitig betonte Platzeck vor dem Hintergrund des Streits um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags in Sachsen-Anhalt, er sei ein "leidenschaftlicher Anhänger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks".
"Wann findet Sachsen-Anhalt mal in der ARD statt?"
Die Öffentlich-Rechtlichen würden sich "nicht für uns interessieren", hatte zuletzt der sachsen-anhaltinische CDU-Politiker Frank Scheurell kritisiert: "Wann findet Sachsen-Anhalt mal in der ARD statt? Wenn irgendein Mob etwas anzündet. Ansonsten?", so Scheurell. Deshalb wundere er sich, warum sich seine Partei für die Frage des Rundfunkbeitrags interessieren solle.
Hintergrund zum Streit um den Rundfunkbeitrag

Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt lehnt eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab. An diesem Mittwoch (09.12.2020) will der Medienausschuss der Landesregierung zusammenkommen, um endgültig in dieser Frage zu entscheiden. Die Regierungspartner Grüne und SPD sind für eine Erhöhung und drohen ein gutes halbes Jahr vor der Landtagswahl mit einem Aus der Koalition.

Noch ist geplant, dass zum 1. Januar 2021 der Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro auf 18,36 Euro steigt. Doch hierfür ist die Zustimmung aller 16 Landesparlamente erforderlich. Doch die CDU in Sachsen-Anhalt könnte gemeinsam mit der AfD-Fraktion dort auf die erforderliche Mehrheit für eine Ablehnung kommen – und so das gesamte Verfahren vorerst beenden. In diesem Fall könnten die öffentlich-rechtlichen Sender Klage beim Bundesverfassungsgericht einlegen.
"Die Debatte um die Gebührenerhöhung in Magdeburg sollte aber Anlass sein zu fragen, was dran sein könnte an dem Gefühl, dass der Blick auf Geschehnisse in Magdeburg oder Dresden, Cottbus oder Rostock zu oft auf schlichte Thesen reduziert wird", hieß es in einem Kommentar der "Süddeutschen Zeitung" zu dem Thema. Zwar gebe es "zuweilen die falsche Erwartung an Medien, dass sie gefälligst gefällig zu berichten haben, wenn man sie schon, bei den Öffentlich-Rechtlichen gezwungenermaßen, bezahlt", so der Autor. Andererseits bestehe in der Medienlandschaft das Defizit fehlender prominenter Medien in und aus diesen Ländern.
"Ostdeutsche werden pauschalisiert"
Die Kritik an der medialen Situation in und dem Umgang mit den Ländern Ostdeutschlands ist nicht neu. Anlässlich des 30. Jahrestags der Wiedervereinigung in diesem Jahr (deshalb war "Ostdeutschland in der Berichterstattung" auch Thema in unserem Podcast "Nach Redaktionsschluss") hatte das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) der Universität Leipzig und der Hochschule Zittau/Görlitz eine Untersuchung vorgestellt darüber, wie Ostdeutsche (und Menschen mit Migrationshintergrund) in der bundesdeutschen Elite vertreten sind. Das Ergebnis: kaum, im Verhältnis zum Anteil an der Bevölkerung. In deutschen Medien etwa machen Ostdeutsche nur 6,9 Prozent in Führungspositionen aus.
Im vergangenen Jahr, aus Anlass des Mauerfall-Jubiläums, hatte @mediasres mehrfach auf das Thema geschaut. Mit Blick auf die Situation vor Ort und das große Misstrauen vieler Menschen gegenüber der Arbeit von Medien, hatte Sergej Lochthofen, lange Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, kritisiert, Redaktionen würden kaputtgespart, so dass unter anderem nicht mehr richtig recherchiert werden könne.
Medien in Ostdeutschland: Einseitiger Blick?
Viele Medien blicken derzeit verstärkt auf die ostdeutschen Bundesländer und fragen nach Klischee und Wirklichkeit. Die Perspektive ist vor allem eine westlicher Verlage und Unternehmen. Im Osten zeige sich vor allem Verunsicherung in der Branche, meint Journalist Sergej Lochthofen.
Ein weiteres Problem: wie (meist westdeutsche) Medien über Ostdeutschland berichten. Auch nach 30 Jahren würden "Ostdeutsche pauschalisiert und als homogene Masse" dargestellt, sagte die Journalistin Marieke Reimann im Dlf. Beispielsweise würde "fast nie über die 80 Prozent berichtet, die eben nicht rechts wählt". Auch setze die Bebilderung von Artikeln zu oft auf Klischees wie Plattenbauten und Trabbis. Reimann forderte deshalb mehr "Menschen mit ostdeutschem Hintergrund" im Journalismus.