"Es ist uns eine große Freude hier sein zu dürfen. Wir müssen reden: Wenn man in einer langjährigen Beziehung ist und es da möglicherweise noch unausgesprochene Dinge gibt."
Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke begrüßt die etwa150 Köthener, die in die frühere herzogliche Reithalle des Schlosses Köthen gekommen sind. Um mit den Tagesschau-Machern über die Berichterstattung zum Tod eines jungen Mannes in Köthen zu sprechen. Im Publikum sitzen auch der SPD-Oberbürgermeister Bernd Hauschild, der Präsident der Hochschule Anhalt Jörg Bagdahn und der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig.
Man sei nicht rechts, sagen viele Köthener. Und sehen sich durch die Medien mitunter ins falsche Licht gerückt.
Tagesschau-Macher Kai Gniffke: "Natürlich, es liegt im Wesen von Nachrichten, dass Nachrichten dann in einen Ort gehen, wenn was passiert. Dann da drüber berichten. Und dann passiert eine Weile gar nichts mehr. Diesen Mechanismus wollen wir durchbrechen, wollen mit den Köthenern reden. Wie habt ihr das damals empfunden, hätten wir was besser machen können."
Das Urteil der anwesenden Köthener: Alles in allem sei die Berichterstattung der Tagesschau nicht zu beanstanden.
Der Ton zwischen den Köthenern und den Tagesschau-Machern meist sachlich, engagiert, mitunter emotional, aber immer respektvoll.
Beschwerden über "Zwangsgebühr"
Dennoch entspannte sich schnell eine Debatte, das die Tagesschau – und die Medien im Allgemeinen und überhaupt - mit einem vorgefertigten Blick über Köthen berichtet hätten. Ein Teil des Publikums bemängelt, die zu flüchtlingsfreundliche Berichterstattung. Wer die aktuelle Politik kritisiere, so der Verdacht, käme schnell in den Verruf rechtsextrem zu sein.
"Wir zahlen jeden Monat zwangsweise Gebühren für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Und die sind verpflichtet, objektiv und wahrheitsgemäß zu berichten. Aber ich bin der Meinung, dass es irgendwelche internen Richtlinien gibt, die von unserer – ich muss es mal so sagen – kranken Regierung vorgegeben werden, nach Goebbelschen Muster. Und wir von früh bis abends nur verarscht werden"
Dem entgegnet Politologe und Tagesschau-Chefredakteur Gniffke, nüchtern und ohne auf die Polemik einzugehen:
"Sie können es mir jetzt glauben oder nicht: Niemand spricht uns in unsere Nachrichtengebung hinein. Ich bekomme nicht morgens einen Anruf vom Kanzleramt oder aus dem NATO-Hauptquartier, was wir zu tun haben."
ARD-Reporter Danko Handrick ergänzt noch: "Meistens kommen dann Fragen an uns: Warum habt ihr so viele O-Töne oder Interviews von den linken Demonstrationen und so wenig von den rechten Demonstrationen. Das hängt einfach oft damit zusammen, dass die Leute da nicht mit uns reden."
Vorwurf: zu einseitig, zu negativ
Die Tagesschau-Macher müssen immer wieder erklären, wie Journalismus funktioniert, wie Nachrichten entstehen.
Im Publikum sitzt auch der Landtagsabgeordnete der AfD, Hannes Loth – der Organisator eines Trauermarsches in Köthen, dem sich damals etwa 400 Rechtsextreme angeschlossen hatten.
"Mich hat man überhaupt nicht gefragt, als wir unsere Trauerkundgebung machen wollten, wie es dazu kam, warum wir es machen. Die ganzen Beweggründe wurden überhaupt nicht hinterfragt, da wurde einfach nur gemutmaßt."
AfD-Mitglied Loth wirft der Tagesschau einseitige Berichterstattung vor. Und wiederholt die Forderung nach der Abschaffung des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Einen weiterer Kritikpunkt, der sich im Laufe des Abend herauskristallisiert: Das andere Köthen hätte die Tagesschau völlig ausgeblendet. Gemeint sei das weltoffene und tolerante Köthen, kritisiert SPD-Oberbürgermeister Bernd Hauschild. Als man damals – mit einem Willkommensfest und Friedensgebeten beispielsweise - vieles versucht habe, um Köthen in ein anderes Licht zu stellen.
"Ich habe leider nichts gefunden, wie engagiert die Köthener Bevölkerung auf ihre Art und Weise etwas gemacht hat. Da wurde über keine der Veranstaltungen berichtet."
Bürger wünschen sich mehr positive Nachrichten
Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke und Chef-Sprecher Jan Hofer können den Unmut der Köthener verstehen. Betonen aber noch mal: "Wir machen Nachrichten . Wir sagen nicht, dass hier Veilchen blühen, sondern sagen, dass da und da eine Demonstration ist."
Ein Teil des Publikums in Köthen blieb bei der Forderung nach mehr positiven Nachrichten in der Tagesschau. Doch spätestens an dieser Stelle entspannten sich bei allen Besuchern die Gesichtsmuskeln. Denn mit positiven Nachrichten sei es gar nicht so einfach, sagt ARD-Aktuell Chefredakteur Kai Gniffke:
"Das setzt voraus, das wir bewerten, was ist eine gute Nachricht. Ich mach es mal etwas salopper. Wenn wir sagen würden: Jetzt kommt die gute Nachricht des Tages Magdeburg hat gegen Dynamo gewonnen. Das werden die Menschen in Dresden anders sehen. "