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Kritik an Bürgschaften aus Deutschland

Gegen den geplanten Ilisu-Staudamm in der Türkei regt sich seit Jahren Widerstand. Fast 200 Siedlungen sollen weichen, darunter Orte, die bereits in der Antike von Bedeutung waren. Das Projekt wird unter anderem mit Hilfe von Bürgschaften aus Deutschland finanziert. Betroffene aus der Region sind am Mittwochvormittag in Berlin vor die Presse gegangen.

Von Dieter Nürnberger | 08.10.2008
    Langfristig geht es der türkischen Delegation, die derzeit in Berlin zu Gesprächen ist, und auch den deutschen Umweltgruppen, die den Widerstand vor Ort unterstützen, um den Stopp des Projekts. Aber im Vordergrund steht zuallererst die kritische Auseinandersetzung mit dem gigantischen Staudammprojekt im Südosten der Türkei - besonders hierbei die direkte deutsche Unterstützung des Projekts. Es geht um beteiligte Firmen, es geht um Kredite und Bürgschaften, sagt Heike Drillisch von der Initiative Gegenströmung - Ilisu-Kampagne für Deutschland:

    "Das Unternehmen, welches sich an dem Projekt beteiligen möchte, ist die Baufirma "Züblin" aus Stuttgart. Um die Lieferung vorzufinanzieren, hat sie einen Kredit von der "Deka"-Bank zugesagt bekommen. Diese Kredite wiederum werden durch eine Hermes-Bürgschaft durch die Bundesregierung abgesichert. Diese Bürgschaft wurde im März 2007 bewilligt. Allerdings wurde dies an über 150 Auflagen geknüpft. Denn trotz jahrelanger Prüfung ist das Projekt noch immer weit entfernt davon, internationale Standards, die üblich sind, einzuhalten."

    Nach Berlin gekommen ist auch der Bürgermeister des Ortes Hasankeyf, Abdulvahap Kusen. Und er beschreibt den Konflikt, den das Staudammprojekt schon seit Jahren in der betroffenen Region ausgelöst hat:

    "Natürlich gibt es bei solchen Projekten stets zwei Seiten. Zum einen sind es die gewaltigen Investitionen, die damit verbunden sind. Was auch wirtschaftliches Wachstum in der Region bedeuten würde. Und das Ganze wäre natürlich auch für die türkische Energiebranche von hoher Bedeutung. Auf der anderen Seite steht aber das kulturelle Erbe der Region, auch die Umweltfolgen. Es geht um das Tal des Flusses Tigris, es geht um Mesopotamien, welches ja auch als kulturelle Wiege der Menschheit gilt. Es geht um bedeutsame ökologische Räume für Schildkröten oder Falken. Es geht auch darum, dass bereits jetzt tausende von Touristen jährlich kommen. Wir befürchten, dass wir durch das Projekt mehr verlieren als gewinnen würden."

    Und einen ersten Teilerfolg habe man mit den Gesprächen unter anderem im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Berlin auch schon erreicht. Es geht darum, dass die Überprüfungen des Projekts immer noch nicht solide seien, unter anderem eine standardgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung, sagt Heike Drillisch von der Initiative Gegenwind. Die Bundesregierung habe nun eine Art Blauen Brief in die Türkei gesandt:

    "So hatte sich die Bundesregierung verpflichtet, wenn die Auflagen nicht eingehalten würden, aus dem Projekt wieder auszusteigen. Dazu hat sie nun den ersten Schritt vollzogen, indem sie der Türkei noch einmal eine 60-Tages-Frist gegeben hat. Das heißt, wenn innerhalb dieser 60 Tage keine wirklich gravierenden Verbesserungen stattfinden, dass dann Verträge gestoppt würden. Die Bundesregierung somit ihre Bürgschaft zurückziehen würde."

    Diese 60-Tage-Frist, die die Bundesregierung nun den Stellen in der Türkei gesetzt hat, könnte also letztendlich zu einem Ausstieg der Deutschen aus dem Projekt führen. Weil die einst zugesagte Bürgschaft für die Banken und die Unternehmen nicht mehr von offizieller Seite abgegeben würde. So interpretiert man zumindest das gestrige Gespräch mit Staatssekretär Erich Stather im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ob das Staudamm-Projekt damit letztendlich gescheitert sei, ist aber noch offen. Heike Drillisch:

    "Wir gehen davon aus, dass zumindest die Banken nicht in einem solchen Projekt verbleiben werden, da ihnen bewusst sein sollte, dass sie dann im Zentrum der Kritik stehen würden. In einem Projekt zu bleiben, dem die Bundesregierung bescheinigt hat, dass es internationale Standards nicht einhält, das können wir uns nicht vorstellen. Es wäre ein Reputationsverlust, insofern hoffen wir, dass die "Deka"-Bank so vernünftig wäre, ebenfalls auszusteigen."

    Mit diesem Besuch in Deutschland verbindet die türkische Delegation also sehr viele Hoffnungen. Und wie es aussieht, konnte man zumindest einen Teilerfolg verbuchen.