Das Land Berlin hatte das Team um Chris Dercon explizit dazu eingeladen, ein völlig neuartiges programmatisches Konzept für ein zeitgenössisches Theater zu entwickeln, erläutert Marietta Piekenbrock im Dlf.
"Die Politik hat die Wahl, auf Kontinuität oder Veränderung zu setzen", sagt Piekenbrock, "die Berliner Politik hat sich für Veränderung entschieden. Und das bedeutet eben auch einen Wechsel an Ästhetiken, im Publikum, eine Irritation in der Presse."
Einladung ins Jenseitige
Besagte Irritation führt die Programmdirektorin der Volksbühne darauf zurück, dass die geladenen Künstler ihre Zuschauer "ins Jenseitige" einladen: jenseits des Verstandes, des Hörbaren, des Sehbaren. Als sinnliche, sensitive Abende beschreibt Piekenbrock die Programme der Dercon-Intendanz.
Ihrer Meinung nach gelingt es durchaus, diese Anliegen über die Rampe zu bringen. "Susanne Kennedy wird bei uns im Haus sehr gefeiert. Die Vorstellungen sind ausverkauft", so Piekenbrock. Sie beobachte, dass sich die Zuschauer von der Kontroverse nach der Premiere emanzipierten und den Abend für sich entdeckten.
Laboratorium für Experimente
Marietta Piekenbrock versteht die Volksbühne in Berlin als ein Laboratorium, das sich für Künstler öffnet, die einen Raum brauchen, um ihre neuartigen Experimente durchzuführen. Und sie findet es nicht richtig, in laufende Theaterarbeiten einzugreifen.
Für sie ist Theater kein Kriegsschauplatz, in dem Regisseure vor einer Premiere entmündigt werden: "Man muss sich mal vorstellen, was uns alles verloren gegangen wäre auf der Welt. Wir hätten kein 'Sacre du Printemps', keine 'Kahle Sängerin' und keinen 'Murx den Europäer'".