Archiv

Kritik an FIS-Präsident
"Kasper sollte abtreten"

Seit mehr als 20 Jahren ist Gian Franco Kasper Präsident des Welt-Ski-Verbandes. Sein Interview, in dem er Diktaturen als einfachere Austragungsorte für Sport-Großereignisse bezeichnete, sorgte für Empörung. Das anschließende Leugnen der Aussagen mache ihn unhaltbar, kommentiert Jonas Reese.

Von Jonas Reese |
    Gian Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS), aufgenommen am 26.2.2017 bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften 2017 im finnischen Lahti
    Gian Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS) (picture alliance / dpa / Jussi Nukari / Lehtikuva)
    Es ist nicht das erste Mal, dass sich Gian Franco Kasper verbal verirrt. Zur Hochzeit des russischen Doping-Skandals verglich er die Kollektivstrafe für russische Sportler, mit dem Vorgehen Adolf Hitlers. Der habe ja ebenfalls unschuldige Menschen getötet, "unabhängig von dem was sie taten oder nicht." Allein, dass jemand trotz einer solchen Aussage im Amt bleiben darf, spricht für sich. Der jetzige Fall ist inhaltlich nicht ganz so skandalös. Der Umgang damit aber um so mehr.
    Nach dem Hitler-Vergleich hatte sich Kasper damals entschuldigt. Dieses Mal tut er so, als habe er die umstrittenen Aussagen gar nicht getätigt. Kasper versucht, die Schuld auf die Interviewer zu schieben, und er unterstellt ihnen, seine Zitate verfälscht zu haben. Die nun veröffentlichten Audio-Mitschnitte beweisen aber genau das Gegenteil. Kasper hat die entscheidenden Passagen gesagt, es wurde nichts verfälscht, die Schweizer Journalisten haben sauber gearbeitet. Kasper hat sich mit diesem Manöver zum zweiten Mal in dieser Affäre unhaltbar gemacht.
    Diktaturen als unproblematischer Gastgeber
    Zum ersten Mal geschah es mit dem Ursprungsinterview selbst. Was er darin erzählt, kann man einfach nur dumm nennen. Zu Austragungsorten von Olympischen Spielen empfahl er: "Wir gehen nur noch in Diktaturen, anstatt mich herumzustreiten mit Umweltschützern und was auch immer." Diktaturen als unproblematischer Gastgeber. Aus Sicht des IOC-Ehrenmitglieds Kasper ist das nachvollziehbar.
    Transparente, demokratische Prozesse sind anstrengend. Selten redet ein hoher Sportfunktionär so offen – und so entlarvend. Kasper spricht aus, was wohl viele seiner Verbands-Kollegen denken. Der ansonsten so oft benutzte Satz: Der Sport gehe in umstrittene Regime, um dort freiheitliche Grundwerte zu vermitteln, darf damit nun endgültig als konstruiert und vorgeschoben gelten. Dazu hätte es Kaspers Aussage aber eigentlich gar nicht gebraucht.
    Kein Beweis für "sogenannten Klimawandel"
    Noch gravierender verhält es sich mit Kaspers anderem verbalen Irrläufer im besagten Interview. Vom "sogenannten Klimawandel" schwadroniert er. Vorläufig sei kein Beweis dafür vorhanden. Genug Schnee sei ja noch da. Kasper reiht sich damit ein in die Gruppe der Verschwörungstheoretiker, die Wetter mit Klima verwechseln und er stellt sich gegen die Mehrheitsmeinung der Fachleute, die davon etwas verstehen. Im Gegensatz zu Kasper.
    Man könnte es abtun, als unüberlegte Äußerung eines Ewig-Gestrigen. Aber es häuft sich bei Kasper. Er ist oft ironisch, deutet Dinge an, nimmt sie im nächsten Satz wieder zurück. Der Fall der jüngsten Interviewäußerungen zum Klimawandel zeigt, warum das Konsequenzen haben muss: Am Ende dieser Episode bleibt ein Satz in der Welt von einem hohen Repräsentanten des Sports, und auf den können sich dann Populisten und andere Wahrheitsverdreher berufen und sich bestätigt fühlen.
    Skiverband vor weiteren Peinlichkeiten schützen
    Seit mehr als 40 Jahren steht Kasper im Welt-Skiverband an exponierter Position. Zuerst als Generalsekretär. Jetzt seit mehr als 20 Jahren als Präsident. Als Alleinherrscher wurde er schon bezeichnet, und auch als Anti-Reformer. So wie übrigens fast alle Funktionäre im Weltsport, die sich dort über Dekaden eingerichtet haben. Von Juan Antonio Samaranch bis zu Sepp Blatter. Sie alle sind irgendwann auch immer mit Sinn befreiten Aussagen negativ aufgefallen. Kasper sollte sich selbst und den Skiverband vor weiteren Peinlichkeiten schützen und abtreten.
    Eine Sache sollte er aber noch angehen, bis zum Ende seiner Amtszeit 2022. Schon längst gibt es Reformanträge im Ski-Verband. Sie wollen die Macht des Präsidenten und vor allem seine Amtszeit begrenzen. Kasper hat die Vorschläge aber in einer ihm wohl gesonnenen Arbeitsgruppe endgelagert. Da sollte er sie wieder schnellstens rausholen und als Chefsache vorantreiben. Dann hätte er mal was Sinnvolles für den Sport gemacht und auch für sich selbst.