Innerhalb der Union regt sich Widerstand gegen die von Union und SPD geplante Frauenquote für Unternehmensvorstände. Die schwarz-rote Regierungskoalition hatte sich grundsätzlich darauf geeinigt, dass in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern spätestens ab einer Neubesetzung ein Mitglied eine Frau sein muss. Die Einigung soll in den kommenden Tagen den Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden.
"Große Veränderungen müssen gelebt werden"
Die CDU-Bundestagsabgeordnete und Co-Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU und CSU, Jana Schimke, hält nichts von einer verpflichtenden Quote. In den vergangenen Jahren habe sich bereits viel verändert. Man müsse Frauen noch stärker dabei unterstützen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Mit Maßnahmen wie zum Beispiel dem Elterngeld könne man mehr verändern "als mit einem schlichten Gesetz", betonte Schimke. Man könne die Gesellschaft nicht "von heute auf morgen umkrempeln". Das sei ein völlig falsches Signal.
Das vollständige Interview im Wortlaut.
Dirk-Oliver Heckmann: Der Vizechef des Parlamentskreises Mittelstand, Hans Michelbach von der CSU, der hat der "Saarbrücker Zeitung" jetzt gesagt, man werde alles dafür tun, um diese Quote zu verhindern. Sind Sie da mit ihm auf einer Linie, oder sind Sie so angetan wie Wirtschaftsminister Altmaier, der dem Deutschlandfunk gegenüber die Pläne ja begrüßte?
Jana Schimke: Ich war immer einer Frauenquote, einer gesetzlichen Frauenquote skeptisch gegenüber eingestellt – nicht, weil ich nicht möchte, dass Frauen erfolgreich sind. Im Gegenteil! Ich finde, wir müssen uns da gegenseitig auch als Frauen wirklich massiv unterstützen. Ich halte es aber für einen völlig falschen Ansatzpunkt, wenn es darum geht, Frauen zu fördern. Das ist ein Ansatz, der darauf abzielt, auf den Höhepunkt einer beruflichen Karriere abzuzielen, aber nicht auf die ganzen Dinge, die im Vorfeld passieren, der Weg dorthin, wie werde ich erfolgreich, was sind die Voraussetzungen, um am Ende auch Mitglied eines Vorstandes oder eines Aufsichtsrates zu werden.
Heckmann: Aber anders scheint es ja ganz offensichtlich nicht zu funktionieren. Ich habe die Zahl gerade genannt: 7,6 Prozent Frauenanteil bei Vorständen in deutschen Unternehmen. Das ist doch eigentlich ein Witz.
Schimke: Na ja. Sie müssen immer gucken, welche Zahlen tatsächlich für die Studien herangezogen werden. Ich kann Ihnen auch andere Zahlen bieten, dass zum Beispiel seit 2015 der Anteil von Frauen in Vorständen um mehr als fünf Prozentpunkte gestiegen ist auf jetzt zehn Prozent. Wissen Sie, da müssen Sie immer schauen, wie viele Firmen Sie letztendlich mit reinnehmen.
"Man muss auch die Frauen haben für solche Spitzenpositionen"
Heckmann: Aber finden Sie diese geringen Zahlen befriedigend?
Schimke: Wissen Sie, wir haben doch Wirtschaftspolitik oder wir haben doch Unternehmenspolitik nicht zu beurteilen. Wir müssen gucken, wo sind die Schwierigkeiten, wo kann man eventuell unterstützen, wie kann man Frauen helfen, beruflich erfolgreich zu sein. Aber wir können doch nicht betriebliche Personalpolitik vorgeben. Wir können doch nicht vorgeben, wie eine Firma erfolgreich zu arbeiten hat. Das müssen die doch am Ende auch selbst entscheiden. Und noch mal: Es gibt doch Veränderungen. Es passiert doch etwas. Da passiert doch ganz viel, in den letzten Jahren hat sich ganz viel geändert. Nur man muss am Ende auch die Frauen haben für solche Spitzenpositionen. Da machen wir uns mal nichts vor. Da passiert viel auf dem Weg dorthin.
Heckmann: Das ist ja ein Argument, das man häufig hört, dass Frauen nicht bereit sind, solche Positionen zu übernehmen. Aber ist das nicht längst durch die Realität eigentlich überholt?
Schimke: Es hat sich unglaublich viel geändert. Ich erlebe es leider auch im Politischen immer noch, dass viele Frauen sagen: Nein, ich möchte das nicht, ich setze in meinem Leben andere Prioritäten. Aber es gibt auch immer mehr gerade in den jüngeren Generationen, die ganz selbstbewusst sagen: Ich möchte diesen Weg gehen und ich will auch Familie haben, und ich finde, da müssen wir ansetzen. Da müssen wir dafür sorgen, dass uns die auf dem Weg dorthin nicht verloren gehen, weil Sie wissen, es passiert so viel, sie bekommen Kinder, Prioritäten verändern sich, die privaten Zwänge kommen dazu, und da gehen uns manchmal Frauen einfach noch zu oft verloren.
Sprachlosigkeit wie man Frauen tatsächlich helfen kann
Heckmann: Wenn Sie das so sehen, wie Sie es schildern, Frau Schimke, wie erklären Sie sich denn, dass selbst Markus Söder beispielsweise mittlerweile für die Quote ist und auch das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft. Dessen Präsident Michael Hüther hat gesagt, zwar sei eine Quote immer starr und irgendwie kein besonders cleveres Instrument, aber wenn die cleveren Lösungen nur Ausreden waren, dann darf man sich nicht wundern.
Schimke: Ich stelle fest, dass ein Stück weit auch eine Sprachlosigkeit darüber existiert, wie man Frauen tatsächlich helfen kann. Ich verstehe das gar nicht, weil ich bin selber Frau, bin um die 40 und habe ein bisschen schon was erlebt, werde noch einiges erleben, und ich finde, die Antworten liegen eigentlich auf der Hand, und ich kann immer nicht nachvollziehen, warum man dann den einfachsten Weg geht und sagt, wir machen jetzt mal ein Gesetz und dann wird alles besser. Das ist doch nicht der Fall. Hier geht es um Kinderbetreuung und so weiter.
Heckmann: Aber was sind denn Ihre konkreten Vorschläge, Frau Schimke?
Schimke: Das kann ich Ihnen sagen. Wir müssen, denke ich, Frauen darin unterstützen, vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinzubekommen. Ich will ein gutes Beispiel aus der Vergangenheit nennen. Wir haben mit dem Elterngeld unglaublich viel bewirkt, ein freiwilliges Instrument, das Mütter wie Väter nutzen können. Das hat im Verhältnis in den Familien bei der Kinderbetreuung unglaublich viel bewirkt, dass auch Väter jetzt Elternzeit nehmen, dass Frauen wieder früher in den Beruf zurückkehren können. Das sind positive Anreize, mit denen können Sie viel mehr verändern als mit einem schlichten Gesetz, und ich würde mir wünschen, dass wir mehr Gesetze machen, die wirklich positive Anreize dieser Art setzen.
"Veränderungen müssen gelebt werden"
Heckmann: Aber es hat nicht dazu geführt, dass der Frauenanteil in den deutschen Vorständen gestiegen wäre. Im Gegenteil! Sie ist wohl zurückgegangen. – Eine Studie der Allbright-Stiftung hat herausgefunden, dass in anderen westlichen Industrieländern die Konzernvorstände der größten Börsenunternehmen wesentlich weiblicher sind. In Deutschland ist der ohnehin geringe Frauenanteil zuletzt sogar zurückgegangen. In den USA, in Schweden, in Großbritannien ist der Frauenanteil demnach etwa doppelt so hoch.
Schimke: Ja! Letztendlich müssen Sie sich immer die Voraussetzungen in den einzelnen Ländern anschauen. Was wird getan für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Wie ist das Geschlechterverhältnis in der Gesellschaft? Was haben Sie für eine Kultur in den Firmen oder in der Gesellschaft insgesamt? – Es ist ja nicht nur eine Aufgabe von Unternehmen; das ist eine Aufgabe von uns allen, dort Frauen ihre Möglichkeiten zu geben. Ich habe den Eindruck – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe den Eindruck, dass inzwischen wirklich viele, viele Männer gelernt haben, dass es einfach mal blöd aussieht, wenn sich da nur acht schwarze Anzüge präsentieren auf den Bildern.
Heckmann: Gibt es aber häufig genug, auch Fotos von solchen Unternehmensvorständen.
Schimke: Ja, selbstverständlich gibt es das noch. Aber trotzdem: Es verändert sich doch was in den Köpfen. Das merkt doch jeder und ich finde, da brauchen wir einfach auch ein System. Das muss man auch wachsen lassen. Sie können nicht eine Gesellschaft von heute auf morgen komplett umkrempeln. Ich finde, wirklich große Veränderungen müssen gelebt werden. Die Menschen müssen das akzeptieren. Einfach nur ein Gesetz zu machen und zu sagen, jetzt haben wir unser Soll getan, das kann es doch nicht sein. Gerade auch in Zeiten der Corona-Krise, wo wirklich viele Unternehmen massive Probleme haben, finde ich, ist das ein völlig falsches Signal, politisch auch.
Heckmann: Das heißt, wegen der Corona-Krise sollen die Frauen in Deutschland das Nachsehen haben?
Schimke: Ich halte es politisch nicht für klug, jetzt dieses Thema aufzumachen.
Junge Frauen wollen keine Quotenfrau sein
Heckmann: Sie haben es angesprochen.
Schimke: Genau! Wir müssen in so einer schwierigen Zeit, wo unsere Firmen wirklich vor großen existenziellen Fragen stehen, Hilfe anbieten und nicht neue Bürokratie schaffen, nicht neue Sanktionen schaffen. Wissen Sie, für das Miteinander ist es einfach nicht schön, jetzt mit so einem Thema um die Ecke zu kommen. Ich kann Ihnen sagen, viele junge Frauen auch bei uns in der Partei, wir diskutieren das sehr, sehr lebendig, das Thema, die wollen keine Frauenquote. Die wollen keine Quotenfrau sein. Das ist einfach ein Manko. Man möchte es mit eigener Leistung schaffen und ich finde, wir sollten sie darin unterstützen, ihre eigenen Fähigkeiten und Stärken zu entwickeln.
Heckmann: Und dass Unternehmensvorstände ein Closed Job im Prinzip sind, weil sie total männerdominiert sind, das sehen Sie so gar nicht?
Schimke: Das ist in gewisser Weise schon. Ich glaube aber, dass wir das nicht überwinden, wenn wir Männer als den Gegner sehen oder als den Feind sehen. Ich finde es viel wichtiger, dass man versucht, wieder zu einem kooperativen Miteinander zu kommen, dass man sich in einer partnerschaftlichen Arbeitsbeziehung zueinander sieht und sich gegenseitig unterstützt, und da passiert unglaublich viel.
Massiver Eingriff in operative Unternehmenspolitik
Heckmann: Ich möchte noch mal zu meiner Eingangsfrage zurückkommen. Hans Michelbach von der CSU, Ihr Bundestagskollege hat gesagt, wir werden alles dafür tun, um diese Quote zu verhindern. Würden Sie sich dem anschließen?
Schimke: Das würde ich aus heutiger Sicht tun. Ich habe bisher natürlich auch nur das lesen können, was in den Medien steht. Wir müssen am Ende sehen, wie der Gesetzentwurf tatsächlich aussieht, was es für Auswirkungen am Ende auch auf rechtliche Fragen hat, im Gesellschaftsrecht, im Aufbau von Unternehmen. Wir greifen hier massiv in die operative Unternehmenspolitik ein, indem wir uns jetzt die Vorstände greifen und nicht nur die Aufsichtsräte, und das muss alles auch diskutiert und abgewogen werden, auch unter rechtlichen Voraussetzungen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.