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Kritik an Pianist Fazil Say
Schräge Töne wegen Erdogan

Der türkische Musiker Fazil Say hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu seinem Heimatland. Vielen konservativen Türken ist er zu elitär, säkulare Türken feiern ihn als Freigeist. Doch jetzt ist die Empörung groß, denn der Pianist hat den türkischen Präsidenten zu einer Uraufführung eingeladen.

Von Christian Buttkereit |
    Der Pianist Fazil Say bei einem Konzert in Bad Wörishofen.
    Säkulare Türken fühlen sich von ihm verraten: der Pianist Fazil Say bei einem Konzert (imago / MiS)
    Die Troja-Sonate - so heißt das neue Werk des weltberühmten Pianisten Fazil Say. Doch seit der Uraufführung in Ankara wird die anspruchsvolle Komposition von schrägen Tönen begleitet: Die Aufregung in den sozialen Netzwerken ist groß. Der Weltstar ist einem Shitstorm ausgesetzt:
    "Wenn selbst die vermeintlich Liberalen einknicken, dann kann man das Licht ausschalten. Aus Says Haltung spricht die pure Feigheit."
    Was war passiert? Noch bevor der Pianist die erste Taste angeschlagen hatte, war klar: Dieses Konzert ist etwas Besonderes. Fazil Say begrüßte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der mit seiner Ehefrau, seinem Außenminister und Staatsgästen in der ersten Reihe Platz genommen hatte. Auch wenn Erdogan bisher weder durch Achtung vor dem Künstler noch durch Vorliebe für klassische Musik aufgefallen war, wobei Says virtuose Spielweise auch viele Laien sofort in den Bann zieht. Denn Say nutzt nicht nur die Tasten, sondern greift immer wieder in den Flügel hinein, um dort an den Saiten zu zupfen.
    Einladung in Erdogans Palast
    Das Publikum honorierte diese Spielweise mit Standing Ovations - auch der Staatspräsident. Noch während sich Say vor dem Publikum verbeugte, kam Erdogan auf die Bühne. In diesem Moment kam es zu der fatalen Geste: Der 49-jährige Pianist faltete die Hände vor dem Bauch und beugte sich noch etwas mehr vor als es seine ohnehin etwas gekrümmte Körperhaltung vorgibt. Kritiker sahen darin sofort: Say knickt vor Erdogan ein!
    "Wenn Sie sich gegenüber der Macht beugen, wo bleibt dann Ihre künstlerische Würde?
    "Wird Fazil Say der neue Hofkapellmeister von Erdogan?", ätzt ein Internetnutzer. Also ein Kotau vor dem Staatspräsidenten?
    Säkulare Türken fühlen sich verraten
    Den Säkularen und Modernen in der Türkei galt Say bis dahin als Gallionsfigur. Er hatte 2013 Musik für die Protestierenden im Gezi-Park komponiert und sich über fromme Anatolier lustig gemacht. Nun fühlen sich viele säkulare Türken durch Says Verbeugung vor dem Staatspräsidenten verraten. Der Künstler habe seine Ideale aufgegeben und sich mit dem System Erdogan arrangiert.
    "Bessere PR für den starken Mann in Ankara hätte der weltberühmte Pianist nicht machen können. Was halten wohl die 150 Journalisten in den türkischen Gefängnissen davon?", heißt etwa ein Tweet aus Deutschland.
    Mittel zum Zweck für Erdogan?
    Doch die Konzerteinladung hat eine Vorgeschichte: Als im vergangenen August Says Mutter starb, kondolierte Erdogan dem Pianisten persönlich. Der lud ihn daraufhin zu einem seiner Konzerte ein. Anders als viele entsetzte Kemalisten kann Tayfun Atay vom linksliberalen Internetportal T24 dem Premierenabend etwas Positives abgewinnen:
    "Dass Erdogan auf die Bühne gegangen ist und Fazil Say in den Palast eingeladen hat, das könnte man auch als Symbol dafür sehen, dass Erdogan die säkulare Gesellschaft einlädt. So schlecht ist das doch gar nicht."
    Ob es so gemeint war, ließ Erdogan selbst offen, jedoch betonte er gestern bei einer öffentlichen Rede noch einmal, wie sehr er den Abend genossen habe:
    "Es hat mir sehr gefallen, als Präsident neben einem Künstler zu stehen, der unser Land auf internationaler Ebene erfolgreich vertritt. Aber missmutige Kreise haben ja gleich mit einer Lynchkampagne gegen Fazil Say begonnen, nachdem bekannt wurde, dass er mich eingeladen hat."
    Fazil Say will sich auf Nachfrage nicht zu der Diskussion äußern. Seiner Beliebtheit als Musiker hat sie aber offenbar nicht geschadet. 13 seiner 14 Konzerte, die er in den nächsten Wochen in der Türkei gibt, sind bereits ausverkauft.