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Kritik an Siemens
Konzerne unter Klimadruck

Siemens hält an dem Auftrag für eine umstrittene Kohlemiene in Australien fest – und erntet dafür weiterhin massiv Kritik. Das Beispiel zeigt: Der Klimawandel ist für einige Unternehmen ein schwieriges Terrain – nicht nur für Siemens.

Von Brigitte Scholtes |
Logo der Siemens AG auf einem gelben Schutzhelm im Siemens-Gasturbinenwerk bei der Siemens AG in der Turbinenhalle in Berlin.
Die geplante Lieferung einer Signalanlage für ein Kohlebergwerk in Australien hat für viel Kritik an Siemens von Klimaaktivisten gesorgt (imago / IPON)
Nach der Entscheidung von Siemens, doch die Zugsignalanlage für das umstrittene Kohlekraftwerk in Australien liefern, wollen Umweltschützer so schnell nicht aufgeben. Die Entscheidung von Siemens sei nachvollziehbar, meint Frank Rothauge vom Vermögensverwalter AHP Capital Management:
"Trotzdem ist das ein Thema, dass Siemens mittelfristig unter Druck bringen könnte, weil Siemens nun mal ein Konzern ist, der insbesondere in der fossilen Energieerzeugung aktiv ist. Ich glaube, es wird Siemens schwerfallen, hier eine klare Entscheidung zu treffen, wie das zum Beispiel andere getroffen haben - die Allianz -, sich aus solchen fossilen Energieträgern komplett zu verabschieden. Das ist für Siemens zu relevant."
Kapitalmarkt achte zunehmend auf Nachhaltigkeit
Die Klimadebatte habe die Unternehmen kalt erwischt, sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei Deka Investment. Und er rechnet damit, dass den Firmen allmählich dämmere, dass sie nachhaltiger wirtschaften müssten – wobei "nachhaltig" nicht nur Klimaaspekte beinhalte, sondern auch Menschenrechte und soziale Themen.
Am 10.01.2019 demonstrierten rund 350 Schülerinnen und Schüler von Fridays For Future in Hamburg gegen die Pläne von Siemens.
Kohlemine in Australien - Kleiner Auftrag beschert Siemens großen Imageschaden
Das indische Unternehmen Adani baut derzeit in Australien eine der größten Kohleminen der Welt – mit einer Zugstrecke, für die der deutsche Siemens-Konzern die Signaltechnik liefern soll. Ein recht kleiner Auftrag, der aber schon jetzt einen großen Imageschaden verursacht hat.
Darauf achte der Kapitalmarkt zunehmend, glaubt er: "Wie nachhaltig sind Unternehmen aufgestellt? Wie setzen sie Nachhaltigkeit in ihren Geschäftsprozessen um? Damit das, was beispielsweise bei Siemens passiert ist, dass man also eine Komponente zuliefert in einem kritischen Geschäftsbereich, dass so etwas auch reflektiert wird und das Unternehmen sich darüber bewusst ist, dass man gegebenenfalls auch an der Stelle andere Maßnahmen treffen müsste."
Am schnellsten orientieren sich nach seiner Beobachtung Unternehmen um, die nahe am Kunden sind, denn sie wüssten um die Auswirkungen einer schlechten Reputation. In Branchen wie der Autoindustrie drohen Vermögenswerte an Wert zu verlieren, weil die Kunden Verbrennungsmotoren künftig nicht mehr nachfragen. Unternehmen wie ThyssenKrupp drohe Ungemach, weil die Stahlindustrie von der Verteuerung der CO2-Zertifikate von 2021 an stark betroffen sein werde.
Auch die Banken versuchen sich umzuorientieren: Sie geben schließlich das Geld für Investitionen. Und klimaschädliche Projekte könnten künftig stärker risikobehaftet sein, damit könnten sie teurer werden, sagt Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken:
"Wenn Banken Geschäfte abbilden, die höhere Risikoanforderungen rechtfertigen, dann muss sich das auch im Rahmen unserer Kapitalanforderungen unserer anderen Regeln widerspiegeln. Das soll aber in beide Richtungen gehen. Das heißt, höheres Kapital für Projekte, die riskant sind, auch aus einer Klimaperspektive. Und wir müssen auch überlegen: gibt es Projekte, gibt es Geschäfte, die aufgrund ihrer Klimaneutralität vielleicht niedrigere Anforderungen rechtfertigen."
Vergütungsprogramm an Klimaziele koppeln?
Die Klimadebatte dürfte auch eines der Themen sein, die die Hauptversammlungen in diesem Jahr dominieren werden. Damit rechnet Nachhaltigkeitsexperte Speich von Deka-Investment:"Klimawandel wird die Hauptversammlungssaison in unterschiedlichen Facetten treiben. Wir werden es in der Diskussion über die Entlastung von Vorständen und Aufsichtsräten sehen. Wir werden es aber auch in der Diskussion über Vergütungsprogramme sehen, dass beispielsweise Teile des Vergütungsprogramms an Klimaziele gekoppelt werden. Sofern sie wirklich signifikant und materiell für ein Unternehmen sind."
Doch es dürfte noch eine Weile dauern, bis die großen Konzerne entsprechend umsteuern könnten, fürchtet Speich.