Archiv

Kritik an Studienplatzvergabe
"Überregional findet keine vernünftige Verteilung statt"

Es gibt wieder Kritik an der Vergabe der Studienplätze in den begehrten NC-Fächern. Berichten zufolge blieben in diesem Semester 14.000 Plätze unbesetzt. Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde, sieht mehrere Probleme. Dass sich nur 62 Universitäten am zentralen Vergabeverfahren beteiligen, ist nur ein Grund.

Achim Meyer auf der Heyde im Gespräch mit Kate Maleike | 02.02.2015
    Studenten sitzen am Mittwoch (15.10.2008) mit ihrem Klapprechnern auf den Fluren des Hörsaalzentrums der Technischen Universität Dresden.
    Die Studienplatzvergabe bleibt in der Kritik. (dpa / Ralf Hirschberger)
    Kate Maleike: Das Wintersemester neigt sich so langsam dem Ende zu und deshalb reibt man sich bei einer Nachricht, die jetzt unter anderem bei "Spiegel Online" die Runde macht, schon mächtig die Augen. Denn kurz vor Ende des Semesters, so heißt es da, seien über 14.000 Studienplätze mit Beschränkung durch Numerus clausus noch unbesetzt. Was läuft da falsch? Haben wir es mit einer neuen Panne des neuen Studienplatzvergabesystems zu tun? Darüber habe ich vor der Sendung mit dem Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes Achim Meyer auf der Heyde gesprochen und ich wollte zunächst einmal von ihm wissen, ob denn die Fehlzahlen stimmen?
    Achim Meyer auf der Heyde: Na ja, zum einen gibt es natürlich noch Unklarheiten darüber, es gibt ja in manchen Ländern keine Daten, insofern ist das geschätzt, aber ich vermute, dass da schon einen Wahrheitsgehalt drin ist und dass tatsächlich wieder Studienplätze unbesetzt bleiben. Wie kann es dazu kommen? Zum einen hängt es sicherlich natürlich damit zusammen, dass die dialogorientierte Studienzulassung eben zum Teil nur von einigen Hochschulen genutzt werden, ich glaube, es sind 62. Das heißt also, überregional findet gar keine vernünftige Verteilung statt. Zum anderen muss man sehr differenziert gucken, es scheinen ja auch mehr Studiengänge oder Studienplätze in den Masterstudiengängen nicht besetzt zu sein. Und hier kann ich mir vorstellen, dass es doch sehr, sehr differenzierte Angebote gibt, hier müsste möglicherweise mal das Angebot seitens der Hochschulen stärker an die Nachfrage angepasst werden. Es gibt weitere Gründe, die jungen Leute bewerben sich natürlich auf eine Vielzahl von Studienplätzen an unterschiedlichen Hochschulen in den NC-Fächern, um einen Studienplatz zu bekommen, und möglicherweise teilen sie dann nicht mit, wenn sie einen anderen haben. Das ginge über das interaktive dialogorientierte Zulassungsverfahren, aber da nicht alle beteiligt sind, klappt das nicht.
    Maleike: Dieses Problem ist aber nicht neu. Seitdem die frühere ZVS, also die Zentralstelle zur Vergabe der Studienplätze abgeschafft worden ist, gibt es ja diese Probleme, wie der Weg zum Studienplatz leichter gelingen kann. Bleiben wir zunächst einmal bei der Vergabe an sich: Was muss da dringend jetzt passieren, damit diese Fehler sich nicht wiederholen?
    Man kann die Hochschulen nicht zwingen
    Meyer auf der Heyde: Was die Vergabe betrifft, denke ich, sollten sich mehr Hochschulen beteiligen und im Grunde am besten alle. Denn dann kann es auch vernünftig gesteuert werden, auch wenn die Steuerung zentral nicht so beliebt ist.
    Maleike: Die Beteiligung ist ja im Moment freiwillig. Das heißt, Sie würden dafür plädieren, dass es eine verpflichtende Beteiligung geben soll?
    Meyer auf der Heyde: Na ja, gut, man kann die Hochschulen nicht zwingen. Aber je mehr sich beteiligen, desto stärker folgen die anderen nach. Es sei denn, die Länder sind bereit, die Hochschulen dazu zu verpflichten.
    Maleike: Dann das Verfahren selbst, das scheint noch nicht ausgereift zu sein. Es hieß ja auch immer wieder, dass die Hochschulen sozusagen nicht über die gleiche Ausstattung verfügen oder über die gleiche Software, die dazu notwendig ist. Hat sich da was verbessert?
    Meyer auf der Heyde: Also, ich denke, die sind auf dem Weg, was die Verbesserung betrifft, und es scheint ja unter den 62 Beteiligten halbwegs zu laufen. Und ich glaube eher, es gibt atmosphärische Gründe, weshalb man sich dem System nicht angeschlossen hat. Hier müsste man natürlich entsprechend sich entscheiden, sich mal endlich zu beteiligen.
    Maleike: Atmosphärische Gründe ... Welche?
    Problematisch wird es, wenn die Vergabe zu lange dauert
    Meyer auf der Heyde: Na gut, manche wollten ja das Auswahlverfahren selber steuern und sich eben nicht zentral beteiligen, das ist ein Grund. Und ich glaube, hier wären die Hochschulen sicherlich gut beraten, wenn sie ihre Studienplätze besetzen wollen, sich dort auch entsprechend zu beteiligen.
    Maleike: Wenn es wirklich zutrifft, dass wir mindestens 15.000 Studienplätze mit Beschränkung, die ja sehr begehrt sind bei den jungen Leuten, nicht besetzt haben, dann ist das doch eigentlich ein handfester Skandal, oder?
    Meyer auf der Heyde: Na ja, gut, wir haben über 500.000 Studienanfänger und nun ist es natürlich so, dass manche jungen Leute möglicherweise einen Studienplatz in einer Region angeboten bekommen, wo sie nicht hingehen wollen, das muss man auch sehen. Und das macht es natürlich schwierig. Das andere ist - und da ist es sicherlich dann hoch problematisch -, wenn die Besetzung so lange dauert, dass man mitten im Semester erst einen Platz zugewiesen bekommt und sich dann noch um das Übrige kümmern muss, nämlich Wohnung, Studienfinanzierung et cetera. Dann gilt das erste Semester eigentlich als verloren und hier sollte das System ja abhelfen, frühzeitig eben einen Zuschlag zu bekommen, sodass man da auch sich ganz schnell um die Infrastruktur kümmern kann.
    Maleike: Heißt definitiv: Das Nachrückverfahren dauert viel zu lang!
    Meyer auf der Heyde: Scheint so. Und insofern führt das dann natürlich auch zur entsprechenden Besetzung.
    Maleike: Helfen Sie uns, wie das jetzt vermieden werden kann in Zukunft! Wer muss jetzt handeln?
    Da gibt es Punkte, die man klären muss
    Meyer auf der Heyde: Na ja, zumindest die Hochschulen sind erst mal gefordert, also sehr genau zu überdenken, welche Fächer sie überhaupt mit NC belegen, um möglicherweise dann nicht dazustehen, dass die Plätze frei bleiben. Die Länder können natürlich stärker auf die Hochschulen einwirken, dass sie sich am Zulassungsverfahren, am überregionalen, beteiligen und es nicht nur bei 62 bleibt. Ich glaube, das sind die entscheidenden Punkte.
    Maleike: Aber würden Sie als Hochschulrektor zustimmen, an diesem Vergabesystem teilzunehmen, wenn Sie sehen, wie fehlerhaft es läuft?
    Meyer auf der Heyde: Na ja, gut, es ist ja im Moment nicht belegt, ob es fehlerhaft läuft oder nicht. Es scheint ja zumindest bei den 62 zu laufen und nach der Stiftung Hochschulzulassung gibt es ja Signale, dass es läuft. Insofern befindet man sich möglicherweise da doch in einem Bermudadreieck, die einen sagen, es funktioniert nicht, die anderen sagen, sie wollen sich nicht beteiligen, weil sie möglicherweise auch das Auswahlverfahren selber in der Hand haben wollen. Und das ist, glaube ich, das Problem.
    Maleike: Studienplatzvergabe als Bermudadreieck in Deutschland?
    Meyer auf der Heyde: Zumindest, wenn 15.000 Plätze unbesetzt bleiben und sich die einen nicht beteiligen, die anderen sich dann doch beteiligen. Dann gibt es zumindest irgendwelche Punkte, die man natürlich klären muss.
    Maleike: Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes Achim Meyer auf der Heyde war das, zu Medienberichten, wonach über 14.000 NC-Studienplätze nicht besetzt sind.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.