Archiv

Kritik an Xavier Naidoo
Fragwürdige Weltsicht

Xavier Naidoo sorgt erneut für Aufsehen: In zwei Kurz-Videos warnt der Mannheimer R&B- und Soul-Sänger vor vermeintlichen Gefahren, die von Migranten ausgehen. Es ist nicht die erste Kontroverse um den Sänger, der bereits in der Vergangenheit mit kruden Ideen in Erscheinung getreten ist.

Raphael Smarzoch im Kollegengespräch mit Bernd Lechler |
Xavier Naidoo mit Sonnenbrille und Mütze blickt in Richtung des Betrachters.
Xavier Naidoos Äußerungen kosteten ihm den Jury-Platz in der Sendung "Deutschland sucht den Superstar" (Revierfoto / dpa)
Bernd Lechler: Mit Hits wie "20.000 Meilen" oder "Dieser Weg" eroberte sich der Mannheimer R&B- und Soul-Sänger Xavier Naidoo eine beträchtliche Fangemeinde. Mit den Söhnen Mannheims ist er seit den 90ern aktiv. Inzwischen kennt man ihn allerdings nicht nur für seine Musik, sondern auch für seine umstrittenen Äußerungen. Aktuell kursieren zwei Kurz-Videos von Xavier Naidoo in den sozialen Medien. Corso-Redakteur Raphael Smarzoch, was ist da passiert?
Attacke auf die Political Correctness
Raphael Smarzoch: Es sind zwei sehr kurze Gesangs-Videos, in denen Xavier Naidoo die political correctness attackiert und vor den vermeintlichen Gefahren warnt, die von Migranten ausgehen. Da heißt es zum Beispiel: "Ich habe fast alle Menschen lieb, aber was, wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt?" Im anderen Video bezeichnet er die "Wir sind mehr"-Bewegung als deutschlandfeindlich und peinlich.
Lechler: Hatte das schon Konsequenzen für Naidoo?
Smarzoch: Ja, defintiv, das hatte Konsequenzen. Der Fernsehsender RTL hat ihn aus der DSDS-, Deutschland sucht den Superstar, -Jury gekickt mit der Begründung, jegliche Form von Rassismus und Extremismus entschieden abzulehnen.
Weiterhin heißt es, der Sender sei ein Verfechter der Meinungsfreiheit, worunter Naidoos Äußerungen durchaus fallen, allerdings habe der Sänger die Bitte um einen Dialog, um darin seine Äußerungen zu erklären, bislang unbeantwortet gelassen. Und daher der Rauswurf.
Lechler: Hat er denn inzwischen schon auf die Vorwürfe reagiert?
Smarzoch: Ja, es gibt ein offizielles Statement bei Facebook. Darin heißt es unter anderem: "Ich setze mich seit Jahren aus tiefster Überzeugung gegen Ausgrenzung und Rassenhass ein. Liebe und Respekt sind der einzige Weg für ein gesellschaftliches Miteinander." Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit seien ihm völlig fremd, auch wenn er sich "zuweilen emotional künstlerisch" äußere. Diese emotional künstlerischen Äußerungen gab es in der Vergangenheit tatsächlich schon sehr häufig. Von daher wird das alles immer unglaubhafter.
Lechler: Weil diese bisherigen Äußerungen in eine ähnliche Richtung gingen?
Nähe zu rechtsextremen Ideen
Smarzoch: Genau, es gibt da schon wiederkehrende Themen und Äußerungen, die einen ganz klaren Bezug zu rechtsradikalem Gedankengut haben und auch nicht mehr als konservativ oder rechts abgetan werden können. Also beispielsweise die Vorstellung, dass Deutschland nach wie vor ein besetztes Land sei. So äußerte er sich im ARD Morgenmagazin im Jahr 2015. Das sind Ideen, die der rechtsextremen Reichsbürger-Bewegung nahe stehen. Es wird immer wieder mit Verschwörungstheorien kokettiert, mal antijüdisch. In dem Song "Raus aus dem Reichstag" ist etwa vom "Baron Totschild" die Rede. Ein Verweis zur jüdischen Bankiersfamilie Rotschild, der in rechtsextremen Kreisen unterstellt wird, im Hintergrund die Strippen zu ziehen. Es gibt anti-amerikanische Ressentiments, dass der CIA für islamistische Terroranschläge verantwortlich sei. Und vor diesem Hintergrund vielleicht auch nicht unwichtig zu erwähnen: Der Rauswurf bei DSDS ist nicht der erste für Naidoo. Bereits 2015 wurde er aufgrund seiner umstrittenen Äußerungen aus dem European Song Contest wieder ausgeladen. Damals gab es noch prominente Unterstützung, unter anderem von Herbert Gröhnemeyer, der auf Facebook schrieb, man bräuchte keine Gesinnungspolizei oder Meinungsüberwachung, sondern hoffentlich 80 Millionen verschiedene Köpfe und Wahrheiten.
Lechler: Nun hat Xavier Naidoo viele treue Fans und auch eine Menge Leute, die von Anfang an schon seine Musik nicht leiden konnten und ihn. Wie bildet sich das in den sozialen Medien ab? Wie sind die Reaktionen?
Rechtes Opfer-Narrativ
Smarzoch: Man beobachtet eine Spaltung in den sozialen Medien, wie so oft. Es gibt zum einen eine ganz klare Vereinnahmung von rechts. Die AfD freut sich natürlich über Naidoos Äußerungen. Und bedient damit einhergehend diesen Märtyrer-Gedanken, jemand opfere sich für die Wahrheit auf. In anderen Worten: Naidoo wird attestiert, Klartext zu sprechen und nun dafür mit sozialer Ausgrenzung bestraft zu werden. Da haben wir dann wieder dieses rechte Opfer-Narrativ einer vermeintlich fehlenden Möglichkeit, seine Meinung ungestraft äußern zu können.
Die gesungenen Statements des Sängers haben aber auch für viel Protest gesorgt. Rassismus wird ihm da von vielen prominenten Akteuren vorgeworfen. Auch, dass er ein Faschist oder Nazi sei, liest man immer wieder. Das sind dann doch recht emotionale Äußerungen, die einer historischen Grundlage entbehren. Aber, was auch noch festzustellen ist, viele Menschen mit Migrationshintergrund sind natürlich darüber enttäuscht, dass sie jemanden verloren haben, mit dem sie sich identifizieren konnten.