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Kritik an Zivilschutzkonzept
Bürger sollen Lebensmittel hamstern - alles nur Panikmache?

Lebensmittel für zehn Tage - das sollen die Deutschen künftig in ihren Regalen horten. Die Bundesregierung will die Bürger offenbar dazu bringen, sich für Katastrophenfälle mit Vorräten einzudecken. Doch die Zivilschutzmaßnahme des Innenministeriums ist umstritten und die Opposition sieht darin vor allem "Panikmache".

Von Nadine Lindner | 22.08.2016
    Ein Mann schiebt einen vollgepackten Einkaufswagen.
    Die Deutschen werden angehalten, einen Vorrat an Lebensmittel für zehn Tagen anzulegen. (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    Erste Details aus dem Zivilschutzkonzept wurden bereits Anfang August öffentlich. Damals hieß es unter anderem, die Regierung empfehle, eine Hausapotheke sowie unter anderem warme Decken, Kerzen, geladene Akkus und Bargeldreserven bereitzuhalten.
    Nun hat die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" gestern über weitere Details aus dem Zivilschutzkonzept berichtet. Darin heißt es, dass die Bevölkerung dazu angehalten wird, einen Vorrat an Lebensmitteln für zehn Tage vorzuhalten. Das neue Konzept soll am Mittwoch im Kabinett beraten werden, danach der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
    Am Vormittag äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Rande eines anderen Termins zu den möglichen Bedrohungslagen:
    "Sollte ein Stromausfall über Wochen, oder wenn Trinkwasser vergiftet ist oder wenn Lebensmittel vergiftet sind, wenn Öl und Gas nicht mehr geliefert werden, lang anhaltende problematische Lagen haben, dann muss der Staat ja irgendwie vorbereitet sein."
    So de Maizière bei N24. Im Mittelpunkt stehen laut Medienbericht Bedrohungen durch hybride Konflikte, bei der es vor allem zu Sabotage an Infrastruktur wie Strom oder Wasserversorgung kommen könnte. Der Christdemokrat de Mazière ging heute noch nicht auf Details des geplanten Zivilschutzkonzeptes ein, betonte jedoch, dass sowohl Staat als auch Bürger gefordert seien.
    Keine direkte Reaktion auf die Anschläge in Deutschland
    Die Festlegung einer neuen Strategie zur zivilen Verteidigung war bereits 2012 vom Haushaltsausschuss des Bundestages in Auftrag gegeben worden. 2013 wurde sie im schwarz-roten Koalitionsvertrag verankert. Es ist damit keine direkte Reaktion auf die Anschläge in Deutschland oder anderen europäischen Ländern.
    Ein Sprecher des Innenministeriums sagte am Mittag in Berlin zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, dass das derzeit gültige Papier aus dem Jahr 1995 stamme.
    "Und wir schlichtweg zu der Erkenntnis gekommen sind, dass das Papier einer Überarbeitung bedarf. Der Prozess ist allerdings ein nicht ganz kurzfristiger. Insofern fällt das auch nicht in eine neue Bedrohungsanalyse der letzten Tage, sondern ist eine langfristig angegangene, sondern eine grundsätzliche Überarbeitung."
    Beim Koalitionspartner SPD rennt der Innenminister damit offene Türen ein. Gerold Reichenbach ist Berichterstatter der Sozialdemokraten für Zivilschutz.
    "Na, das Konzept war länger überfällig."
    Die nun diskutierte Überarbeitung des Zivilschutzkonzepts sei völlig richtig, sagt Sozialdemokrat Reichenbach. Denn Zivilschutz seit den Neunzigern….
    "Ist dann radikal abgebaut worden. Was uns beispielsweise bei der Flüchtlingskrise 2015 wieder eingeholt hat. Wir hatten früher Einrichtungen, die Flüchtlingsströme registrieren konnten. Wir hatten Bevorratung an Feldbetten und Zelten. Das hat uns im letzten Jahr alles gefehlt."
    Skepsis bei der Opposition
    Die Opposition im Bundestag steht dem Zivilschutzkonzept zurückhaltend bis skeptisch gegenüber. Der Innenpolitiker der Grünen, Konstantin von Notz sagte, dass es zwar sinnvoll sei, die Notfallplanungen zu aktualisieren. Er warne allerdings vor der Vermischung von ziviler Vorsorge und Hinweisen auf terroristische Szenarien.
    Für die Linke sind die Planungen des Innenministers Panikmache. Der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch im Morgenmagazin:
    "Jetzt in dieser Situation diese Hektik zu verbreiten, vorher anzukündigen, dass die Menschen einkaufen sollen, das befördert ein Gefühl der Unsicherheit. Und genau das Gegenteil ist Aufgabe von Politik."
    Diese Kritik will zumindest SPD-Zivil-Schutz-Experte Reichenbach nicht stehen lassen:
    "Naja, das ist ein bisschen wohlfeil. Weil natürlich solche Konzepte sich mit Worst-Case-Szenarien beschäftige müssen."