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Kritik der FPÖ
ORF-Mitarbeiter beklagen "massive Einschüchterung"

Dass die österreichische Regierungspartei FPÖ den öffentlich-rechtlichen Sender ORF angreift, hält der Vorsitzende des ORF-Redakteursrats für eine Einschränkung der Pressefreiheit. Dieter Bornemann sagte im Dlf, das habe auf den gesamten Journalismus im Land massive Auswirkungen.

Dieter Bornemann im Gespräch mit Brigitte Baetz |
"ZIB 2"-Studio im ORF mit Moderator Armin Wolf
Ein Interview von ORF-Moderator Armin Wolf war der Anlass für neue Kritik der Regierungspartei FPÖ (dpa / picture alliance / ORF / Thomas Ramstorfer)
Brigitte Baetz: Der ORF muss weiter abwarten, wie ein künftiges Gesetz über seine Ausgestaltung und Finanzierung aussehen wird. Dieter Bornemann ist Vorsitzender des Redakteursrates beim ORF und ich fragte ihn vor dieser Sendung, wie diese Ungewissheit und die Vorgänge rund um Starmoderator Armin Wolf sich auf die Stimmung im Sender auswirken.
Dieter Bornemann: Naja, dass solche Aktionen einer politischen Partei, die noch dazu in der Regierung sitzt, nicht besonders förderlich ist für den Optimismus, was die Zukunft des ORF betrifft, ist wohl nachvollziehbar. Das Problem bei dieser Sache ist, dass Armin Wolf natürlich unabsetzbar ist in seiner Funktion als "Zeit-im-Bild-2"-Moderator. Allerdings glaube ich schon, dass das massiv Auswirkungen auf den gesamten österreichischen Journalismus hat, weil so eine Diskussion natürlich bei vielen jüngeren Kolleginnen und Kollegen eine Schere in den Kopf einpflanzen könnte, wo sie sich überlegen: Soll ich diesen Kommentar jetzt noch schreiben? Soll ich diese Schärfe in der Formulierung verwenden? Was ist, wenn ich nicht das Backing meines Chefs habe oder wenn ich sonst irgendwie einem Shitstorm ausgesetzt bin auf Social Media? Alle diese Dinge haben natürlich Auswirkungen. Und ich glaube, dass das auch beabsichtigt ist. Also dass wir allen Ernstes über die Pressefreiheit in Österreich diskutieren müssen, das hätte ich mir nicht gedacht, dass das irgendwann wirklich noch passieren wird in meinem Leben.
Baetz: Im Sommer soll ja ein neues ORF-Gesetz verabschiedet werden. Kann man jetzt schon absehen, was da eventuell drohen könnte?
Bornemann: Nein, im Moment nicht. Also das gesamte Gesetz beschäftigt uns ja mittlerweile schon seit eineinhalb Jahren, seit die ÖVP-FPÖ-Regierung im Amt ist. Da heißt es immer wieder: Jetzt wird es ja bald ein scharfes ORF-Gesetz präsentiert. Die FPÖ möchte massiv die Gebührenfinanzierung beenden. Der Vizekanzler Strache, der FPÖ-Parteichef, hat mehrfach gesagt, er wird wie ein Löwe dafür kämpfen, dass die Gebührenfinanzierung beendet wird und aus der Steuerfinanzierung, also aus dem Budgettopf, das Geld für den ORF kommt. Und de facto verlangt er eine Verstaatlichung. Und dass da der Einfluss der Politik dann größer wird als jetzt, ist klar. Und ich befürchte, diese Form von Verstaatlichung eines öffentlich-rechtlichen Senders wäre natürlich eine massive Beschneidung der Pressefreiheit, des freien Journalismus in diesem Land.
"Kein neues Phänomen"
Baetz: Haben Sie den Eindruck, dass es wirklich nur um den ORF, oder was heißt "nur", in Anführungszeichen, um den ORF geht oder geht es der FPÖ auch noch um anderes?
Bornemann: Na, ich glaube schon, dass wir für die FPÖ ein wichtiges Wahlkampfthema im EU-Wahlkampf geworden sind, weil: Das ist ein Thema, das nur die Freiheitlichen für sich geholt haben, nämlich gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sein. Das ist allerdings kein neues Phänomen, das spüren wir schon seit vielen Jahren. Früher hat es immer geheißen "der Rotfunk" und "die Zwangsgebühren", die eingehoben werden, und ähnliches. Aber egal von welcher Seite, Populisten haben immer ein Problem mit Qualitätsjournalismus, weil die einfachen Antworten, die Populisten auf komplexe politische Fragen geben, von Qualitätsjournalisten halt sehr häufig dekuvriert werden und gezeigt werden: So einfach ist die Politik dann doch nicht, wie da behauptet wird.
Baetz: Diese Vorgänge, führen die jetzt dazu, dass die österreichischen Journalisten zusammenrücken, vielleicht auch kämpferischer werden, oder ist das schon eine Einschüchterung?
Bornemann: Ich glaube, es ist eine massive Einschüchterung und eine Einschränkung der Pressefreiheit. Und was wir sehen, das ist ja nicht nur in Österreich, sondern nahezu in allen Redaktionen weltweit, dass das Geschäftsmodell des Journalismus sich massiv gewandelt hat und eigentlich noch kaum jemand eine Möglichkeit gefunden hat, Qualitätsjournalismus auf breiter Basis zu finanzieren. Und wenn man sich anschaut, wie groß der Abbau der Redaktionen nicht nur in Österreich, sondern auch bei Ihnen in Deutschland war, da ist natürlich ganz viel passiert in den letzten Jahren, und da fürchten sich auch ganz viele Kollegen persönlich um ihren Job und auch um das Medium, für das sie arbeiten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.