Im ersten Teil des Gesprächs steht die Frage im Mittelpunkt, um welche Gattung es sich bei den Texten von Judith Schalansky in ihrem Buch "Verzeichnis einiger Verluste" handelt. Erzählt sie von Versuchen zur literarischen oder (pseudo-)wissenschaftlichen Kompensation von Verlusten? Oder ordnet sie die Welt neu rund um eine Leerstelle? Oder bindet sie die Furie des Verschwindens in der Gestalt des Buches selbst. Es verschwinden Bilder und Texte und Gebäude und Menschen, und ihre Spuren produzieren immer wieder Neues in dieser Ordnung, die man Zivilisation und Kultur nennt. Ein ungewöhnliches Werk einer Meisterin, darin sind sich alle einig. Ein Kritikpunkt ist die bei aller Opulenz sehr beherrschte Sprachführung.
Judith Schalansky: "Verzeichnis einiger Verluste"
Suhrkamp Verlag, Berlin. 252 Seiten, 24 Euro.
Suhrkamp Verlag, Berlin. 252 Seiten, 24 Euro.
Völlig anders verhält es sich bei Christoph Heins Roman "Verwirrnis", wo in einem sachlich berichtenden Ton von einem schwulen Leben vor allem in der DDR erzählt wird; davon, wie sich autoritäre Strukturen älterer Zeiten weiter erhalten, wie Unterdrückung epidemisch wird, und davon, dass nicht einmal bei liberalen Gesetzen die Gesellschaft liberaler wird. Ein Porträt der Nachkriegszeit unter dem Gesichtspunkt der unterschwelligen sexuellen Repression. Gelobt wird die Ent-Emotionalisierung des Themas, der nüchterne Blick, die klare Sprache.
Christoph Hein: "Verwirrnis"
Suhrkamp Verlag, Berlin. 303 Seiten, 22 Euro.
Suhrkamp Verlag, Berlin. 303 Seiten, 22 Euro.