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Kritikergespräch
Treffpunkt Hammelburg

Die Lebensgefährtin von Bruno Daldossi trennt sich von dem erfolgreichen Kriegsfotografen. Er stürzt in eine Sinnkrise. Sabine Gruber erzählt in ihrem Roman "Daldossi" von seiner Suche nach Wahrheit. Dagegen simuliert der Journalist Albert in Isabelle Lehns Roman "Binde zwei Vögel zusammen" den Kriegszustand.

Tobias Lehmkuhl und Katharina Teutsch im Gespräch mit Hubert Winkels |
    Bücher liegen kreuz und quer übereinander.
    Isabelle Lehns Debütroman und "Daldossi" von Sabine Gruber in der Kritik (deutschlandradio.de / Daniela Kurz)
    An Isabelle Lehns Roman "Binde zwei Vögel zusammen" schätzen die Kritiker Tobias Lehmkuhl und Katharina Teutsch die surrealen Welten. In diese münden die Realitätsüberlagerungen - und damit auch in eine Art existentielle Poesie. Isabelle Lehn wirft in ihrem Debütroman ihre dramaturgischen und psycho-sozialen Stricke rund um die Hauptperson Albert aus.
    Der Ich-Erzähler des Romans ist ein junger Mann. Von Beruf ist er freier Journalist. Weil er davon nicht Leben kann, vermittelt das Arbeitsamt ihm eine Stelle in einem Bundeswehrcamp in Bayern. Albert wird dort zu Aladdin, der eine Bar betreibt. Auch der Titel ist eine Anlehnung an einen orientalischen Aphorismus: "Binde zwei Vögel zusammen, sie werden nicht fliegen können, obwohl sie nun vier Flügel haben."
    Die Handlungsplätze des Romans sind aber in Deutschland. In dem Lager im fränkischen Hammelburg spielt Albert mit anderen gecharterten Arbeitslosen und Soldaten nach strengsten Regeln den Kriegszustand nach.
    Dieses Camp in Bayern ist die Schnittstelle beider Romane.
    Der Kriegsfotograf Daldossi
    Bruno Daldossi ist die Hauptfigur im Roman "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" von Sabine Gruber. Ein Teil seiner Ausbildung war in dem Camp im fränkischen Hammelburg. Denn Daldosi ist als Fotograf für Krisen- und Kriegsgebieten spezialisiert. Nach vielen Jahren, in denen er für das Hamburger Magazin "Estero" in Tschetschenien oder im Irak, im Sudan oder in Afghanistan fotografierte, geht er mit Anfang 60 nur noch sporadisch auf seine gefährlichen Missionen. Als ihn seine langjährige Gefährtin Marlis, eine Zoologin, mit der er in Wien zusammenlebt, wegen eines anderen Mannes verlässt, verliert der so gehärtete Mann den Halt.
    In seine Trauer um den Liebesverlust mischt sich immer stärker die Frage, wie mit dem Leid der Welt, das er in seinen Bildern festhält, zu leben und wie damit umzugehen ist. Wie viel Wahrheit halten wir aus? Wie viel Einfühlung, wie viel Nähe sind uns möglich?
    Die Kritiker Tobias Lehmkuhl und Katharina Teutsch bemerken, dass Sabine Gruber in genauen Erinnerungsschleifen von den Grausamkeiten dieser Zeit erzählt. Dabei ist sie zugleich distanziert und ganz bei der Sache. Allerdings erkennen Tobias Lehmkuhl und Katharina Teutsch eine gewisse Sprödigkeit im Ton. Diese habe aber mit der thematischen psychosozialenVerfassung der Protagonsisten zu tun.
    Sabine Gruber: "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks"
    C. H. Beck, München 2016. 316 Seiten, 21,95 Euro

    Isabelle Lehn: "Binde zwei Vögel zusammen"
    Eichborn, Frankfurt am Main 2016. 191 Seiten, 18,00 Euro