Es ist Sommer und ihr Mäzen spielt Tennis – in Angela Krauß’ neuem Buch "Im Strom", das nicht nur sprachlich fließt, sondern auch ganz real den Menschen im Innersten erfasst. Mit diesem Buch schafft die Autorin eine Prosa, die offen ist gegenüber dem, was man früher "poetische Prosa" oder "poème en prose" genannt hat, sagt Lothar Müller. Seine Kollegin Meike Feßmann ergänzt, dass dieser Kreativitätsstrom manchmal fließt und manchmal stockt. Es entsteht eine Auseinandersetzung über Krauß’ Desinteresse an der Realität, über beachtenswerte Wortkunst und die Frage, wie wichtig Rhythmus ist, um Sprache ebenfalls in einen Strom zu verwandeln.
Angela Krauß: "Der Strom"
Suhrkamp, Berlin, 93 Seiten, 20 Euro
Suhrkamp, Berlin, 93 Seiten, 20 Euro
Der Titel von Isabelle Lehns Roman erinnert selbstverständlich an das gleichnamige, obschon mit Leerzeichen geschriebene Drama "Frühlings Erwachen" von Franz Wedekind, 1890/1 entstanden, 1906 in Berlin uraufgeführt. Der nun im S. Fischer-Verlag veröffentlichte Roman könnte ebenso wie das Stück von Wedekind als "eine Kindertragödie" bezeichnet werden, urteilt Feßmann, die Isabelle Lehns Arbeit parallelisiert mit anderen Autofiktionen der Gegenwartsliteratur. Eine Figur, die heißt wie die Autorin versucht, zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt schwanger zu werden, ihre Depression zu ignorieren, die Beziehung zu retten. Der Text ist auf der Inhaltsebene vor allem radikal in seiner körperbetonten Schamlosigkeit, von der sich Müller jedoch nicht beeindrucken lassen will und stattdessen mit Feßmann debattiert, ob die autofiktionale Seite des Erzählens möglicherweise überorchestriert ist.
Isabelle Lehn: "Frühlingserwachen"
S. Fischer, Frankfurt, 256 Seiten, 21 Euro
S. Fischer, Frankfurt, 256 Seiten, 21 Euro