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Kritikerinnengespräch: Krimi-Spezial
Wenn Kriminalität Alltag ist

Ein Verbrechen geschieht und bringt die bestehende Ordnung durcheinander. Ein Ermittler versucht, diese wieder herzustellen - so das klassische Muster von Kriminalliteratur aus Ländern, in denen es einen funktionierenden Rechtsstaat gibt. Wovon handeln Krimi-Romane aus Staaten, in denen Korruption und Gewalt Alltag sind?

Katja Bohnet, Dina Netz und Antje Deistler |
    EIne Frau mit weißem Haar steht gebeugt vor ihrem sehr einfachen Haus, neben ihr eine Wäschemanne.
    Gary Victors "Suff und Sühne" liefert ein eindringliches Porträt seines Heimatlandes Haiti und all dessen, woran das bitterarme Land krankt. (imago/Haytham Pictures)
    Ausschließlich Bücher aus Haiti veröffentlicht der Litradukt Verlag in Trier, ein außergewöhnlicher Schwerpunkt. Regelmäßig erscheinen dort auch die Romane von Gary Victor, 1958 in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince geboren. Die dritte Folge seiner Krimiserie trägt den großartigen Titel "Suff und Sühne". Der bezieht sich nicht nur auf Dostojewskis "Schuld und Sühne", sondern vor allem auf den schwer alkoholkranken Serienermittler Inspektor Azémar.
    Urteil der Krimikritikerinnen: Ein wilder, höchst unterhaltsamer Ritt durch alle Spielarten des Genres. Vom Groschenroman bis zum Literatenkrimi deckt Gary Victor alles ab. Und liefert dabei ein eindringliches Porträt seines Heimatlandes Haiti und all dessen, woran das bitterarme Land krankt.
    Gary Victor: "Suff und Sühne"
    Litradukt Verlag, Trier 2017, 154 Seiten, 11,90 Euro
    Die Büchermarkt-Kritikerinnen Dina Netz, Katja Bohnet und Antje Deistler im DLF-Studio, bei den Aufnahmen zur Krimikolumne im "Büchermarkt".
    Die Büchermarkt-Kritikerinnen Dina Netz, Katja Bohnet und Antje Deistler im DLF-Studio. (Deutschlandradio)
    Der Polar Verlag in Hamburg widmet sein Programm ausländischer Literatur in der Noir-Tradition. Die dort veröffentlichten Romane erzählen von gebrochenen Helden, die trotz widriger Umstände nicht von der Hoffnung lassen wollen. Für seinen Kriminalroman "La vie est une sale boulot" (Das Leben ist eine schmutzige Arbeit) erhielt Janis Otsiemi 2010 den Prix du Roman Gabonais. Die Handlung von "Libreville" spielt kurz vor den Parlamentswahlen 2009 in Gabun. Otsiemi malt ein Sittengemälde seiner Stadt, das von Korruption und Verbrechen als integralen Bestandteilen einer Gesellschaft erzählt.
    Urteil der Krimikritikerinnen: Der Roman ist immer dann stark, wenn er seine Leser die Atmosphäre des Landes spüren lässt. Handwerklich ist dieser Kriminalroman, der seine vielen Handlungsstränge nicht wirklich zu einem zufriedenstellenden Ende bringt, vielleicht etwas schwach. Trotzdem brauchen wir auch solche Autoren, die die politischen und gesellschaftlichen Zustände in Afrika beschreiben.
    Janis Otsiemi: "Libreville"
    Polar Verlag, Hamburg 2017, 225 Seiten, 14 Euro.

    Weitere exotische Kriminalromane:
    Kanae Minato: "Geständnisse" (Japan)
    C. Bertelsmann Verlag, München, 272 Seiten, 16,99 Euro
    Le Ming Khue: "Nach der Schlacht" (Vietnam)
    Argument Verlag, Hamburg, 198 Seiten, 12,00 Euro
    Ebenfalls erwähnt in der Sendung:
    Jussi Adler Olsen: "Selfies"
    dtv München, 576 Seiten, 23 Euro
    Kriminalromane mit Anklängen an den Fall Madeleine McCann:
    Joy Fielding: "Die Schwester"
    Goldmann Verlag, München, 448 Seiten, 19,99 Euro
    Amy Gentry: "Good as Gone"
    C. Bertelsmann Verlag, München, 320 Seiten, 12,99 Euro
    Shari Lapena: "The Couple Next Door"
    Lübbe Verlag, Köln, 352 Seiten, 15 Euro