Die junge Serbin Nevena Brajovic hat die Folgen kroatischen Polizeigewalt dokumentiert. Flüchtlinge, die auf eigene Faust die kroatische Grenze überqueren wollten, kamen nicht selten als ein Häuflein Elend zurück. Sie halten den Flüchtlingen ungeladene Pistolen an den Kopf, um sie einzuschüchtern, sagte mir Nevena Brajovic im Transitzentrum in Principovac an der serbisch-kroatischen Grenze vor einem Jahr. Kroatische Grenzpolizisten würden den Flüchtlingen die Kleidung wegnehmen und dann nackt zurückschicken. Sie hätten Hunde auf sie gehetzt. Sie selbst habe mindestens 20 Fälle von wirklich schlimmer Folter gesehen.
In der kroatischen Hauptstadt Zagreb kennt man die Vorwürfe gegen die Grenzpolizei. Die Ombudsfrau für Menschenrechte Lora Vidovic hat sie von den Flüchtlingen selbst erfahren, von Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, selbst vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Sie geht jedem Hinweis nach.
"Das Ärgerliche ist, dass die Grenzpolizei einfach immer sagt, dass sie nichts von solchen Vorfällen in ihren Unterlagen habe und damit alle diese Beschwerden falsch seien, keine derartige Gewalt stattgefunden habe. Das Innenministerium sagt stets, dass die Behandlung durch die Polizei allen Standards entspricht, ohne Ausnahme. Wir wissen, dass das Eigentum der Flüchtlinge, wie Handys, zerstört wird. Dass körperliche Gewalt ausgeübt wird und es nicht nur leichte, sondern auch sehr schwere Verletzungen gibt."
Polizei verweigert Herausgabe von Akten
Als Ombudsfrau Kroatiens haben die Juristin und ihre Mitarbeiter die Vollmacht, Polizeistationen ohne Vorankündigung zu besuchen und die Herausgabe jeglicher Akten zu fordern. Doch seit einem Jahr werden sie immer, wenn es um Flüchtlinge geht, abgewiesen.
"Das verstößt gegen die Verfassung. Aber das scheint niemanden zu stören, obwohl wir die Regierung, das Parlament, die Medien, sogar die Vereinten Nationen darüber informiert haben. Die Polizeistationen an der Grenze, die über alle ihre Einsätze Berichte anfertigen, geben uns diese Sachen einfach nicht heraus."
Die Ombudsfrau wartet seit Monaten auf eine Reaktion aus Brüssel - bislang vergeblich. Sie fühlt sich im Stich gelassen.
"Das geht seit 10 Monaten, fast einem Jahr so, und betrifft mehrere Polizeistationen. Ich war in Donji Lapac in Cetingrad, Karlovac, Duga Resa, Glina und in Gvozd. Sie wollen keine unabhängige Kontrolle zulassen, das ist offensichtlich. "
Für Dejan Jovic, der als linksliberaler Kandidat bei den Europawahlen antritt, ist das Vorgehen der kroatischen Grenzpolizei auch Ausdruck des zunehmenden Nationalismus in seinem Land.
"Die anderen, wer immer das sein mag, gelten als Sicherheitsbedrohung. Inzwischen ist Kroatien das ethnisch reinste Land der Region, selbst gegenüber Slowenien. Die Kriege Anfang der 1990er Jahren haben den Anteil der einheimischen Minderheiten von 21 auf sieben Prozent reduziert. Dazu verlassen immer noch sehr viele Menschen Kroatien. Wir brauchen mehr Menschen. Auch die EU-Flüchtlingsquote von 1.400 Personen haben wir noch nicht ausgenommen."
Lässt Regierung Polizei absichtlich gewähren?
Der EU-Kandidat wie auch der Politikdozent Stjepo Bartulica vermuten, dass die Regierung in Zagreb die Polizei absichtlich gewähren lasst, sie die Härte der Polizei nicht wirklich stört.
"Kroatien möchte dem Schengen-Raum angehören und der Eu beweisen, dass es die Grenzen auch wirklich kontrolliert. Man hat nichts gegen Flüchtlinge per se, sondern will eher demonstrieren, dass man die Kontrolle über die hat, zu uns kommen. Das ist letztlich etwas, das Brüssel von uns verlangt."
Wenn Kroatien seine EU-Außengrenze sichern soll, sind 2.400 Kilometer und über 1.200 Inseln im Blick zu behalten. Von der Bevölkerung ist im Übrigen kein einziger Übergriff auf Flüchtlinge verübt worden. Im Bürgerkrieg Anfang der 1990er Jahre wurden rund zwei Millionen Menschen aufgenommen. Viele haben selbst anderswo Schutz gesucht, die Erinnerung ist noch frisch.