Die Parteien in Kroatien haben offenbar viele Wähler motivieren können, zur Wahl zu gehen. Bis zum Mittag lag die Wahlbeteiligung laut staatlicher Wahlkomission bei 22 Prozent – deutlich mehr als vor vier Jahren und bei der Präsidentschaftswahl vor einem Jahr. Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic hatte bei der Stimmabgabe die 3,8 Millionen Wahlberechtigten aufgefordert, es ihr gleich zu tun.
"Ich rufe alle kroatischen Staatsbürger dazu auf, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen, sagte sie. Denn heute entscheide sich das Schicksal für die nächsten vier Jahre."
Mit dem Urnengang geht ein Lagerwahlkampf zu Ende, der von Nationalismus, der Flüchtlingskrise und persönlichen Attacken der Hauptkontrahenten, Premier Milanovic und Oppositionsführer Karamarko geprägt war. Auch der hatte noch einmal seine Anhänger mobilisiert, ihr Kreuzchen zu machen.
Kandidat kennt sein Programm nicht
Er glaube, dass es eine hohe Wahlbeteiligung gebe, so Karamarko bei der Stimmabgabe. Er prognostizierte ein Fest der Demokratie, so wie Kroatien das verdiene, so der ehemalige Geheimdienstchef.
Im Wahlkampf hatte sich Karamarko einige Pannen geleistet: So kannte er wesentliche Punkte seines Parteiprogramms nicht. Auch seine mangelnde Weltläufigkeit dokumentierte er durch schlechtes Englisch. Aber Karamarko gilt als Strippenzieher mit besten Kontakten in die Sicherheitsdienste. Sein Kontrahent ist der amtierende Premier Zoran Milanovic, ein Sozialdemokrat.
"Das sind die wichtigsten Wahlen der letzten vier Jahre, sagte er bei der Stimmabgabe. Alles davor sei nur ein Spiel gewesen."
Milanovics Patriotismus
Noch vor einem halben Jahr lagen die Sozialdemokraten weit hinter dem Rechtsbündnis von Karamarko zurück. Doch konnte Milanovic aufholen: Er setzte auf Patriotismus, und in der Flüchtlingskrise auf Hemdsärmeligkeit gegenüber den Nachbarn. Erwartet wird jetzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Mitte-Links-Block von Premier Milanovic und dem Rechtsbündnis von Oppositionsführer Karamarko. Dieser Wähler sagt:
"Neue Arbeitsplätze müssen geschaffen werden. Damit vor allem junge Leute nicht weggehen. Wir brauchen einen Wirtschaftsaufschwung, vor allem Jobs, damit Werte geschaffen werden und wir nicht nur auf Pump leben."
Wirtschaftliches Schlusslicht in der EU
Das jüngste EU-Mitglied gehört zu den wirtschaftlichen Schlusslichtern der 28. Die Arbeitslosigkeit in Kroatien liegt bei fast 17 Prozent. Besonders hoch ist sie bei jungen Kroaten. Wegen der hohen Staatsverschuldung hat die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen das Balkanland eingeleitet. Diese ältere Dame ist enttäuscht von der Regierung.
"Nichts, nichts haben sie gemacht. Keine Investitionen, kein neuen Jobs geschaffen, kein Geld aus dem EU-Fonds bekommen. Daran ist die Regierung schuld, sie ist unfähig."
Politische Analysten erwarten, dass die Wahl knapp ausgehen wird und kleinere Parteien als Mehrheitsbeschaffer gebraucht werden. Davon gibt es so viele wie noch nie. Insgesamt bewerben sich 166 Listen um die 151 Sitze im Sabor, dem kroatischen Parlament. Darunter sind Grüne, Regionalparteien, Protestparteien, Formationen ehemaliger Spitzenpolitiker und auch Kriegsverbrecher. Die rund 6600 Wahllokale schließen um 19 Uhr. Erste Hochrechnungen werden um 22 Uhr erwartet.