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Kroatien und sein Umgang mit der serbische Minderheit

Für die serbische Minderheit, die trotz der ethnischen Vertreibung in Kroatien blieb, ist der Freispruch der kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac ein Schlag ins Gesicht. Sie fühlt sich in Kroatien benachteiligt und ausgegrenzt.

Von Falko Wittig |
    Der Kleinstadt Pakrac sieht man den Krieg noch an. Nikola Ivanovic geht durch die Ruinen des serbischen Bischofssitzes. Daneben steht die serbisch-orthodoxe Kirche. Gezeichnet von Einschusslöchern, im Inneren verwüstet, aber noch in Gebrauch. Hier war bis 1995 die Front. Den Großteil von Pakrac kontrollierte die kroatische Regierung, die Hügel am Stadtrand die serbischen Rebellen. Nikola Ivanovic verbrachte seine Kindheit auf der serbischen Seite. Heute arbeitet der 29-Jährige für eine Organisation, die der Minderheit neue Perspektiven schaffen will.

    "Das Hauptproblem ist auf Ebene der Institutionen, denn wir können einige für uns wichtige Rechte nicht durchsetzen. Wir sind noch nicht Teil der kommunalen Gesellschaft. Wir sind ausgeschlossen, weil wir auf der anderen Seite waren. 'Andere Seite' wird häufig verwendet in Pakrac."

    Einer, der daran etwas ändern will, ist Milorad Pupovac. Der Universitätsprofessor aus Zagreb zählt zu den einflussreichsten Köpfen der serbischen Minderheit. Für die wichtigste Serbenpartei sitzt er im kroatischen Parlament. Aus seiner Sicht gab es in den letzten Jahren durchaus Fortschritte. Doch viele Probleme der Serben seien noch ungelöst, sagt Pupovac.
    "Es gibt noch immer Zehntausende Flüchtlinge in Serbien oder in Bosnien. Es gibt Menschen, die auf die Anerkennung ihre Rechte warten. Wie Eigentumsrecht, wie Wohnrecht, wie Ansprüche auf Renten und den Anspruch auf Rechtssicherheit."

    Dazu kommen laut Pupovac für viele Serben Nachteile durch die schlechte Infrastruktur. Oft wurden ihre Siedlungsgebiete durch den Krieg besonders stark in Mitleidenschaft gezogen.

    "Die Infrastruktur muss entwickelt werden. Arbeitsplätze, das Schulsystem, die medizinische Versorgung müssen entwickelt werden. Also alle Elemente der sozioökonomischen Infrastruktur sind noch schwach und in diesen Gebieten nicht da."

    Kroatiens Botschafter in Deutschland, Miro Kovac, sagt, dass die serbische Minderheit von der Regierung in Zagreb durchaus mit Posten eingebunden werde. Pupovac beispielsweise sei deshalb Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im kroatischen Parlament.

    "Natürlich ist der Dialog mit der serbischen Minderheit für Kroatien sehr wichtig. Deswegen auch die Sensibilität der kroatischen Regierung. Daher auch die Vergabe dieser Ämter. Man will damit auch Zeichen setzen in Bezug auf Versöhnung, in Bezug auf gute nachbarschaftliche Beziehungen auch zu Serbien und zu Bosnien-Herzegowina. Es ist präsent, aber durch die Normalisierung der Verhältnisse in Kroatien in den letzten zehn, 15 Jahren ist es nicht mehr im Fokus, wie es mal der Fall war."

    Auf höchster politischer Ebene sei die Situation der Serben in Kroatien durchaus zufriedenstellend, findet der Journalist Boris Pavelic. Er schreibt für die Tageszeitung "Novi List" regelmäßig über die Aufklärung der Kriegsverbrechen und Minderheitenprobleme. Seiner Meinung nach bestehen die gravierendsten Probleme für die Serben in den lokalen Verwaltungen.

    "Sehr oft gibt es das Problem lokaler Behörden, die nicht bereit sind Gesetze anzuwenden, die Menschen ihr Eigentum nicht zurückgeben wollen. Sehr häufig gibt es Probleme mit der Zugänglichkeit von Jobs. Es ist natürlich leichter einen Job zu bekommen, wenn du ein Kroate bist."

    Arbeitsplätze und eine florierende Wirtschaft wünscht sich auch Nikola Ivanovic – beides fehlt in seiner Heimatstadt Pakrac.

    "Wir brauchen die Wirtschaft. Die Wirtschaft löst die meisten Probleme. Wenn Menschen zusammenarbeiten, in Betrieben, kleinen Unternehmen, dann sprechen sie miteinander. Serben, Tschechen, Kroaten. Deshalb fordere ich deutsche Investoren auf: Investiert hier!"