Mitten in Zagreb, in einer kleinen Straße zwischen zwei Wohnhäusern steht es mit Kreide geschrieben – "Jugendliche, verlasst Kroatien". Es ist ein Appell, sich anderswo eine Zukunft aufzubauen. Denn Kroatien hat der Jugend nichts zu bieten. Das Land steckt seit fünf Jahren in einer tiefen Krise, die Jugendarbeitslosigkeit ist erschreckend hoch - derzeit liegt sie bei fast 40 Prozent. Kein Wunder also, dass die jungen Menschen frustriert und ohne Hoffnung in die Zukunft schauen:
"Die meisten hier sind apathisch und apolitisch. Es fehlt an einer Demonstrationskultur. Die Menschen sind nicht gewohnt, für ihre Rechte zu kämpfen. Sie gehen wählen, aber eine Wahl haben sie nicht. Unsere Politiker sind im Grunde die, die auch vor 20 Jahren an der Macht waren. Jetzt ist wirklich ein Generationswechsel notwendig",
sagt Marko Gregovic. Vor Kurzem hat er die Bürgerpartei "Za Grad" (auf Deutsch "Für die Stadt") gegründet - mit ihr will er nun ins Stadtparlament einziehen. Bald sind Lokalwahlen in Kroatien und zusammen mit seinen Mitstreitern ist er entschlossen, etwas im Land zu ändern:
"Hier, das ist unser kleiner Flohmarkt. Wir wollen für unsere Wahlkampagne Geld und Spenden sammeln. Die Atmosphäre ist toll, wie sie sehen. Wir verkaufen alte Bücher, Klamotten, die uns andere gespendet haben. Und das hier sind T-Shirts mit unserem Parteilogo."
Mit seiner Partei will Marko die Menschen zum Mitmachen bewegen - sie aus der Gleichgültigkeit rausholen, wie er sagt. Auf der Webseite der Partei können Benutzer ihre konkreten Vorschläge einbringen. Es wird online abgestimmt, welche Ideen als erstes angegangen werden - ob Großputz im Park, mehr Rechte für Fahrradfahrer, Lesungen in der Bahn oder andere Kleinprojekte. Die aktivsten Nutzer und besten Ideengeber landen dann als Kandidaten für die Partei auf der Liste. So ein Modell von Bürgerpartizipation sei einmalig in der Region, sagt Marko. Er hat in Norwegen, Schweden und England studiert - alle Türen standen ihm offen, doch er kam vor zwei Jahren zurück, auf dem Höhepunkt der Krise.
"Es macht keinen Sinn, dein Land zu verlassen, das langsam aber sicher den Bach runtergeht. Wir alle müssen zurückkehren und uns für unser Land anstrengen. Es ist schwer, aber das ist unsere Pflicht."
So überzeugend Marko klingt, in seiner neu gegründeten Partei denken nicht alle so: Seine Mitstreiterin Marija sucht seit einem halben Jahr Arbeit - vergebens. Nun bereitet sie ihre Dokumente für das Ausland vor:
"Eigentlich haben sich viele von uns hier mit der Situation abgefunden. Aber ich persönlich sehe den EU-Beitritt als eine Chance, im Ausland einen Job zu finden", sagt Marija.
Bleiben oder gehen - diese Frage muss wohl jeder für sich beantworten. Angesichts der schlechten Aussichten auf einen Job wird die Entscheidung nach dem EU-Beitritt für viele von ihnen höchstwahrscheinlich zugunsten des Westens ausfallen.
Marko wird bleiben - das steht fest. Die Tatsache, dass zu Veranstaltungen der Bürgerpartei bis zu 2000 Menschen kommen, macht ihm Hoffnung, dass der lang ersehnte Wandel zum Greifen nah ist. Er freut sich auf den EU-Beitritt - damit gehört er zu einer Minderheit. Die meisten Kroaten fürchten, dass sich ihre persönliche Lage nach dem 1. Juli verschlechtern wird. Marko widerspricht:
"Ich denke, dass die EU eine positive Sache für Kroatien ist. Viel schlechter wäre es für uns, wenn Kroatien isoliert wäre, also nicht Teil der EU. Klar wird Kroatien große Probleme zu Beginn haben - der Markt öffnet sich für Produkte aus dem Ausland, das ganze System wurde reformiert. Aber trotzdem ist die EU eine Chance für Kroatien, endlich Teil dieser kulturellen Familie zu werden,"
sagt Marko und steckt sich "ZG", die Initialen der Partei, ans T-Shirt. Inzwischen ist der Stand voll, die Aktion der Jugendlichen weckt Interesse. Die Passanten stellen Fragen - viele Fragen. Die Kampagne ist für Marko in vollem Gange.
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sagt Marko Gregovic. Vor Kurzem hat er die Bürgerpartei "Za Grad" (auf Deutsch "Für die Stadt") gegründet - mit ihr will er nun ins Stadtparlament einziehen. Bald sind Lokalwahlen in Kroatien und zusammen mit seinen Mitstreitern ist er entschlossen, etwas im Land zu ändern:
"Hier, das ist unser kleiner Flohmarkt. Wir wollen für unsere Wahlkampagne Geld und Spenden sammeln. Die Atmosphäre ist toll, wie sie sehen. Wir verkaufen alte Bücher, Klamotten, die uns andere gespendet haben. Und das hier sind T-Shirts mit unserem Parteilogo."
Mit seiner Partei will Marko die Menschen zum Mitmachen bewegen - sie aus der Gleichgültigkeit rausholen, wie er sagt. Auf der Webseite der Partei können Benutzer ihre konkreten Vorschläge einbringen. Es wird online abgestimmt, welche Ideen als erstes angegangen werden - ob Großputz im Park, mehr Rechte für Fahrradfahrer, Lesungen in der Bahn oder andere Kleinprojekte. Die aktivsten Nutzer und besten Ideengeber landen dann als Kandidaten für die Partei auf der Liste. So ein Modell von Bürgerpartizipation sei einmalig in der Region, sagt Marko. Er hat in Norwegen, Schweden und England studiert - alle Türen standen ihm offen, doch er kam vor zwei Jahren zurück, auf dem Höhepunkt der Krise.
"Es macht keinen Sinn, dein Land zu verlassen, das langsam aber sicher den Bach runtergeht. Wir alle müssen zurückkehren und uns für unser Land anstrengen. Es ist schwer, aber das ist unsere Pflicht."
So überzeugend Marko klingt, in seiner neu gegründeten Partei denken nicht alle so: Seine Mitstreiterin Marija sucht seit einem halben Jahr Arbeit - vergebens. Nun bereitet sie ihre Dokumente für das Ausland vor:
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Bleiben oder gehen - diese Frage muss wohl jeder für sich beantworten. Angesichts der schlechten Aussichten auf einen Job wird die Entscheidung nach dem EU-Beitritt für viele von ihnen höchstwahrscheinlich zugunsten des Westens ausfallen.
Marko wird bleiben - das steht fest. Die Tatsache, dass zu Veranstaltungen der Bürgerpartei bis zu 2000 Menschen kommen, macht ihm Hoffnung, dass der lang ersehnte Wandel zum Greifen nah ist. Er freut sich auf den EU-Beitritt - damit gehört er zu einer Minderheit. Die meisten Kroaten fürchten, dass sich ihre persönliche Lage nach dem 1. Juli verschlechtern wird. Marko widerspricht:
"Ich denke, dass die EU eine positive Sache für Kroatien ist. Viel schlechter wäre es für uns, wenn Kroatien isoliert wäre, also nicht Teil der EU. Klar wird Kroatien große Probleme zu Beginn haben - der Markt öffnet sich für Produkte aus dem Ausland, das ganze System wurde reformiert. Aber trotzdem ist die EU eine Chance für Kroatien, endlich Teil dieser kulturellen Familie zu werden,"
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