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Kronen-Chefredakteur über FPÖ
"Hatten positiveren Umgang mit den Freiheitlichen als viele andere"

Seine Zeitung habe oft in der Kritik gestanden, weil sie besonders freundlich über die FPÖ berichtet habe, sagte Kronen-Chefredakteur Klaus Herrmann im Dlf. Aber diese "objektive oder korrekte Berichterstattung wurde von den Freiheitlichen ganz offensichtlich ohnehin nicht geschätzt".

Klaus Herrmann im Gespräch mit Henning Hübert |
Der österreichische Vizekanzler Heinz Christian Strache erklärt am 18.5.2019 vor der Presse seinen Rücktritt. In Österreich stehen nun Neuwahlen bevor.
Österreichs Vizekanzler Heinz Christian Strache erklärte am 18.5.2019 seinen Rücktritt, es gibt Neuwahlen. Der Chefredakteur der Kronen-Zeitung ist entsetzt, dass die eigene "korrekte Berichterstattung" von der FPÖ wohl nicht goutiert wurde. (Leopold Nekula / viennareport / imago-images)
Henning Hübert Hallo nach Wien!
Klaus Herrmann: Hallo!
"Eigentlich nur noch ungläubig gestaunt"
Hübert: Was ging in Ihnen vor, Herr Herrmann, als Sie erstmals Ausschnitte aus dem Ibiza-Video gesehen haben – insbesondere die Passagen, als es um den Plan ging, Ihre Krone zu übernehmen?
Herrmann: Ja, das war wirklich ein Nachmittag oder ein früher Abend, der in unserem Haus in die Geschichte eingehen wird oder schon eingegangen ist. Wir hatten Vorwarnungen, es wurde ja auch bei uns recherchiert, wir hatten ein wenig Ahnung, dass hier belastendes Material über den Vizekanzler veröffentlicht wird und dass die "Kronen-Zeitung" dabei eine Rolle spielt. Insofern waren wir vorgewarnt und haben uns in unserem Newsroom in einer größeren Anzahl von Kollegen das Video um 18.01 Uhr, glaube ich, angesehen und haben eigentlich nur noch ungläubig gestaunt und uns einfach, weil wir uns einfach nicht vorstellen konnten, dass so etwas möglich ist, dass Politiker so doll dreist sein könnten, sei es unter Alkohol oder sonstigem Einfluss, sei es getrieben von schönen Frauen oder was auch immer, zu solchen unglaublichen Äußerungen – oder alleine schon, wie man auf solche Ideen kommen kann. Da waren wir eigentlich zunächst einmal völlig von den Socken, haben aber, glaube ich, schon im ersten Affekt unter uns gesagt, dass was dann auch passiert ist: Der muss gehen, das kann kein Politiker überleben.
Schock über Übernahme-Fantasien
Hübert: Und wie denken Sie rückblickend darüber, dass er zeitweilig der Liebling Ihrer Zeitung war, der Strache?
Herrmann: Liebling unserer Zeitung würde ich nicht stehen lassen. Natürlich ist immer wieder beobachtet worden und auch kritisiert worden von manchen Medien, dass die "Kronen-Zeitung" besonders freundlich über die Freiheitlichen berichtet. Unsere eigene Einschätzung ist eine, dass wir ein vielleicht korrekteres und positiveres, einen positiveren Umgang mit den Freiheitlichen hatten als viele andere. Das heißt aber nicht, dass wir nicht immer wieder sehr kritisch berichtet hätten und vor allem dass unsere, aus unserer Einschätzung, objektive oder korrekte Berichterstattung von den Freiheitlichen ganz offensichtlich ohnehin nicht geschätzt wurde, sonst hätte man ja nicht solche Fantasien geboren, die Krone müsse man übernehmen, um dann wirklich seine eigenen Ideen durchsetzen zu können.
"Viel zu sehr getroffen, um objektiv über diese Partei zu berichten"
Hübert: Herr Herrmann, wie organisiert sich denn gerade der Widerstand gegen diese Käuflichkeitsoffensive?
Herrmann: Dieser Widerstand organisiert sich jetzt wirklich rundum im Haus, nicht nur in unserem Haus. Ich bin heute auch schon gefragt worden, können wir jetzt überhaupt noch objektiv über die FPÖ berichten? Dazu muss ich sagen, nein, können wir nicht. Dazu sind wir viel zu sehr getroffen, als dass wir jetzt den Anspruch erheben könnten, objektiv über diese Partei zu berichten oder gar über den Herrn Strache und den Herrn Gudenus objektiv zu berichten. Das können wir nicht.
Schlagzeile: "Kickl muss gehen"
Hübert: Dann mal gerade, weil unsere Sendung dem Ende zu geht. Schauen wir mal auf Ihre Headline, haben Sie die schon im Kopf? Hören Sie mal unseren Jingle und dann geben Sie die Antwort, Sekunde!
Herrmann: Im Kopf habe ich sie, es schwebt noch herum, dass der Innenminister gehen wird müssen, es ist noch nicht endgültig bestätigt, aber wir rechnen mit einer Bestätigung. Und dann, dann kann das so in die Richtung gehen, Kickl muss gehen, die FPÖ verlässt die Regierung. Das wäre jetzt einmal gedanklich unsere Schlagzeile für den morgigen Tag.
Hübert: Danke schön, Klaus Herrmann, Chefredakteur der "Kronen-Zeitung".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.