Der Platz Fe del Valle ist der populärste öffentliche WiFi-Hotspot in der Umgebung von Havannas Altstadt. Die rostigen Metallbänke unter schattenspendenden Bäumen sind fast ständig besetzt. Weil es hier WLAN gibt, freies Internet. Dutzende, bisweilen hunderte Kubaner nutzen Smartphones oder Tablets, die sie meist von Verwandten in den USA geschenkt bekommen haben. So auch der junge Kubaner Julio:
"Von dieser Möglichkeit konnten wir Kubaner bis vor Kurzem nur träumen. Jetzt können wir Kontakt zu unseren Angehörigen halten, vor allem zu denjenigen, die im Ausland leben. Das Internet ist für uns zu einer Tür zur Welt geworden. Noch vor ein paar Monaten konnten wir uns nicht vorstellen, dass so was möglich ist. Wir konnten noch nie so schnell und so sicher mit unserer Familie reden wie jetzt."
Viele waren noch nie online
Die Kubaner haben so wenig Zugang zum Internet wie niemand sonst in Lateinamerika. Die allermeisten Menschen im karibischen Sozialismus haben noch nie im Internet gesurft. Doch das ändert sich gerade. Seit wenigen Monaten öffnet die kubanische Regierung nach und nach den Cyberspace für die Öffentlichkeit. Trotzdem meint der junge Mann Julio, es werde noch lange dauern, bevor es auf der ganzen Insel schnelles Internet gibt.
"Alles läuft über ETECSA, die staatliche Telefonfirma. Die hat ein Monopol. Das sollte bald geändert werden, denn die Kommunikation auf Kuba funktioniert mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte, weil die Regierung alles unter ihrer Kontrolle behält."
Keine hundert Meter von dem Platz Fe del Valle entfernt steht die Kirche der Jungfrau von Monserrat, deren Gemeinde Federico Comalat betreut. Der spanische Priester ist vor zwölf Jahren aus Katalonien auf die Insel gekommen.
"Das Internet eröffnet viele Möglichkeiten, sehr schnell mit Menschen zu kommunizieren. Die Kirche auf Kuba sollte diese Chance nutzen. Die Erzdiözese hat schon ihre eigene Webseite und unter Priestern tauschen wir viele Informationen per E-mail aus. Wir beteiligen uns also schon ein wenig an diesem Trend. Das Internet kann als positives Medium genutzt werden, um die Botschaft des Evangeliums zu vermitteln und um den Menschen Hoffnung zu geben."
Auf dem Platz Fe del Valle kostet eine Stunde Internet rund zwei Euro. Das ist sehr viel Geld, denn ein normales Gehalt eines Staatsangestellten liegt bei etwa dreißig Euro im Monat. Dennoch, sagt der Ordensmann, führt es die Menschen zusammen.
"Für die Kubaner ist es eine große Freude, dass sie jetzt schnell mit ihren Verwandten kommunizieren können, die ins Ausland gezogen sind. Das Internet bringt die kubanischen Familien wieder zusammen. Aber noch ist der Zugang sehr begrenzt."
Kuba öffnet sich in vielen Bereichen, das bekommt auch die Kirche zu spüren. Der Katholizismus war früher, vor dem Revolutionsjahr 1959, nahezu eine Staatsreligion. Doch damals sah ein großer Teil der verarmten Bevölkerung in der katholischen Kirche eine Institution der Oberschicht. Die meisten Priester waren Spanier und Nachfahren der Kolonialherren. Nach dem Sieg der Revolution verlor die katholische Kirche ihre Privilegien. Es begann eine Zeit staatlicher Repression. Über die Hälfte der Priester ging ins Exil. Der Atheismus galt als der authentische Ausdruck der Spiritualität des sozialistischen Menschen. Wer einer Kirche angehörte, konnte nicht in die kommunistische Partei eintreten. Federico Comalat ist froh, dass diese Eiszeit zwischen Kirche und Staat längst überwunden ist.
"Es hat eine deutliche Annäherung gegeben. Wir sehen uns nicht mehr als Gegner und arbeiten in vielen Bereichen zusammen - zum Wohle der Bevölkerung. Alle Beteiligten haben gemerkt, dass es sinnvoll ist, wenn man miteinander redet. Auf Kuba braucht niemand mehr Angst zu haben, wenn er eine Kirche betritt."
Besonders junge Kubaner wandern aus
Heute leben viele junge Kubaner offen ihren Glauben und können trotzdem in den Jugendorganisationen der kommunistischen Partei mitmachen. Der Ingenieur Roger Rodriguez ist verantwortlich für das Jugendprogramm der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio in Havanna. Beruflich arbeitet er als Professor an der staatlichen Universität.
"Ich bin ständig mit jungen Menschen zusammen und versuche, ihnen zu zeigen, dass es für sie auf der Insel eine Zukunft gibt. Viele meiner Freunde haben Kuba verlassen."
Auch der 28-jährige Computerfachmann Julio möchte in ein anderes Land ziehen.
"Ich bin nur deshalb noch nicht ausgewandert, weil ich nicht die nötigen Mittel habe. Hier auf Kuba gibt es keine Zukunft für mich. Vielleicht eröffnen sich mit der Zeit neue Möglichkeiten, aber alles geht so langsam. Kann sein, dass in zwanzig Jahren alles besser sein wird, aber wer weiß, ob ich dann noch die Kraft haben werde, ein neues Leben anzufangen."
Julio ist sich sicher, dass die meisten jungen Kubaner mit dem Gedanken spielen, die Insel zu verlassen.
"Das Internet hat den Wunsch noch verstärkt. Die Migration nimmt zu. Früher hatten viele Leute Angst, wegzugehen, weil sie nicht wussten, auf was sie sich einlassen. Von der Regierung wurde uns immer gesagt, dass die Welt außerhalb von Kuba chaotisch sei. Natürlich gibt es viele Länder mit schlimmen Problemen. Aber es ist nicht überall so. Übers Internet erfährst du von Freunden, die ausgewandert sind, wie sie in anderen Ländern leben. Und sie erzählen dir, wie auch du dorthin kommen kannst."
Roger Rodriguez weiß, dass noch immer jeden Monat Menschen sterben, die versuchen, mit kleinen Booten über das Meer nach Florida zu gelangen. Der engagierte Katholik hält es für eine Aufgabe der Kirche, den jungen Leuten zu zeigen, dass sie auch in ihrer Heimat ein erfülltes Leben führen können.
"Ich glaube, das Hauptmotiv der jungen Leute, die auswandern, ist, dass sie keinen Grund sehen, hier zu bleiben. Es geht gar nicht so sehr um die wirtschaftlichen Einschränkungen, sondern darum, dass sie nicht wissen, wofür es sich lohnt, hier zu bleiben. Wenn du einen Sinn für dein Leben gefunden hast, dann willst du auch bleiben."