Havanna ist zum Hotspot avanciert. Staunend stehen immer mehr Touristen vor den mit Devisengeldern aufwändig sanierten Fassaden der Altstadt, die in alter Pracht erstrahlen. Gleich daneben aber wird der Verfall immer offenkundiger. Denn noch weit mehr Häuser bröckeln vor sich hin.
Die kubanische Schriftstellerin Karla Suarez, die in Lissabon lebt, kommt regelmäßig nach Havanna, um ihre Eltern zu besuchen und die Publikation ihrer Bücher voranzubringen. Jedes Jahr sieht sie neue Ruinen:
"Der Zerfall der Stadt macht mich todtraurig. Mir fällt das besonders in dem Viertel meiner Eltern auf, jedes Mal, wenn ich wiederkomme, ist die Misere noch größer. Dieser Zerfall spiegelt für mich etwas Größeres wider. Das alltägliche Leben ist eine unglaubliche Strapaze, ein anstrengendes Abenteuer."
Mangel ist Alltag
Der Mangel bestimmt das Leben im Land. Die Menschen sind unzufrieden. Vor allem die Jüngeren sind nicht mehr bereit, sich auf eine ferne Zukunft vertrösten zu lassen. Viele wandern aus, weil es an Perspektiven mangelt. Doch einige entscheiden sich auch ganz bewusst zu bleiben. Zu ihnen gehört Harold Cárdenas Lema. Zusammen mit Freunden hat er vor sechs Jahren einen Blog etabliert. Er ist einer von denen, die an den Wandel glauben.
"Kuba hat sich in den letzten zehn Jahren enorm verändert. Ein Blog wie unserer wäre vor zehn Jahren wahrscheinlich nicht möglich gewesen, aber vor sechs Jahren war es möglich, damit zu starten. Heute ist es mehr oder weniger normal. Das ist ein gutes Zeichen dafür, wie sich die Dinge zum Besseren entwickeln können.
Wir haben nicht um Erlaubnis gefragt, sondern es einfach gemacht. Wir betrachten die Regierung nicht als Problem, ein Problem ist es, wenn sie ihren Job nicht gut erledigt."
Der harte Kern des Aktivismus
Das sieht längst nicht jeder so im Land. Der Schriftsteller Angel Santiesteban ist sich sicher, dass die Herrschenden auch nach Fidel Castros Tod nicht an einer umfassenden Öffnung des Landes interessiert sind. Er hat die Regierung in einem Blog angegriffen. Dafür musste er teuer bezahlen. 2013 wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Vor anderthalb Jahren kam er aufgrund internationaler Proteste frei. Die Haft hat ihn nur noch entschiedener in seinem Widerstand gemacht.
"Ich bin in einer Gruppe mit dem Namen Foro de la libertad. Wir sind der harte Kern des politischen Aktivismus in Kuba. Unser Ziel ist es nicht, dass es einen langsamen Übergang in eine angebliche Demokratie gibt, wo dann dieselben Leute das Sagen haben. Wir bestehen darauf, dass sie sich von der Macht zurückziehen."
Dass die kommunistische Partei kaum freiwillig ihrer eigenen Entmachtung zustimmen wird, kümmert Angel Santiesteban nicht. Unbeirrt schreibt er weiter gegen die Regierung an. Unterstützung erhofft er sich vom neuen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
"Ich glaube, Trump hat die Möglichkeit, mehr Druck gegenüber der kubanischen Regierung aufzubauen, es besser zu machen als Obama."
Viele andere setzen hingegen darauf, dass Trump entgegen früherer Ankündigungen Obamas Annäherung an Kuba nicht rückgängig macht. Sie hoffen stattdessen, dass er womöglich sogar das Embargo beendet und Kuba so aus der Misere hilft. Gespannt ist auch der bekannteste kubanische Schriftsteller Leonardo Padura.
"Wir müssen abwarten. Ich glaube, auch die kubanische Regierung wartet. Es ist unmöglich vorherzusehen, was Trump tun wird, er ist nicht berechenbar. Aber Kubas Zukunft hängt entscheidend davon ab, wie Trump agieren wird. Vielleicht siegt der Unternehmer in ihm und er sieht unser Land als interessanten Markt. Kuba braucht Investitionen."
Zwischen Ungewissheit und Sehnsucht
Die Ungewissheit ist so groß wie die Sehnsucht nach Veränderung im Land. Die kommunistische Partei schaut erwartungsvoll nach Washington und tut derweil alles, um im eigenen Land nicht die Kontrolle zu verlieren. Der erhoffte Aufschwung ist vorerst nicht in Sicht. Havanna verfällt weiter.