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Kubas Opposition appelliert an die EU

Fidel Castros Bruder und Nachfolger Raúl Castro leitete vor Kurzem eine ganze Reihe von Reformen in Richtung einer zumindest wirtschaftlichen Liberalisierung ein. Über Exilkubaner und ihre Sicht auf den vorgeblichen "Wandel" in ihrer Heimat.

Von Peter B. Schumann |
    Sie demonstrieren weiter, die "Damen in Weiß", die Angehörigen jener politischen Häftlinge, die im "Schwarzen Frühling 2003" zu drakonischen Gefängnisstrafen verurteilt worden waren. Viele von ihnen wurden inzwischen freigelassen und nach Spanien abgeschoben – ein Erfolg des internationalen Drucks, vor allem der Europäischen Union, auf die kubanische Regierung.
    Aber auch die Manifestationen dieser Frauen in ihrer weißen Kleidung, die mit zwei Fingern das Zeichen L für Libertad Freiheit markieren, waren eine unübersehbare Mahnung. Doch ihr sonntäglicher Protest geht weiter, damit auch jene elf politischen Häftlinge entlassen werden, die in Kuba bleiben und nicht emigrieren wollen. Das hat Raúl Castro bisher abgelehnt.

    Für einen inhaftierten Oppositionellen zählt jeder Tag, denn die Lebensbedingungen in den Gefängnissen sind katastrophal. Darauf haben gerade wieder einige der nach Spanien Abgeschobenen aufmerksam gemacht – wie Luis Enrique Ferrer García. Bei seiner Verhaftung war er erst 26 Jahre alt und damit der jüngste der Gruppe. Er wurde zu 28 Jahren Zuchthaus verurteilt, denn er galt als besonders unbeugsam. Vor zwei Wochen ist er als der bisher letzte der Regimekritiker freigelassen worden. Ferrer:

    "Ich komme aus einem Gefängnis schärfster Haftbedingungen. Insgesamt war ich sieben Jahre lang in solchen Gefängnissen, anfangs sogar in Isolationshaft. In einem Raum von der Größe einer normalen Toilette, aber ohne jegliche sanitäre Anlage, mit einem Loch im Boden, stockfinster, mit hoher Luftfeuchtigkeit, drückender Hitze und viel Ungeziefer. In solche Drecklöcher stecken sie normalerweise Kriminelle, die im Gefängnis randaliert haben, und auch nur für wenige Tage oder Wochen. Wir wurden schlimmer als Verbrecher behandelt und durften keinerlei Kontakt zu irgendeiner Person im Gefängnis haben, nicht einmal zu unseren Wächtern. Wenn sich einer von denen unserer erbarmte und länger mit uns zu sprechen begann, wurde er versetzt."


    Monatelang, nicht selten zwei Jahre hindurch werden politische Häftlinge oft solchen Strafexzessen ausgesetzt. Viele protestierten in ihrer Not durch Hungerstreik. Einer von ihnen, Juan Carlos Herrera Acosta, nähte sich sogar die Lippen mit Draht zu. Er wurde inzwischen freigelassen und muss in Spanien in einer Nervenklinik behandelt werden.

    Fast alle Dissidenten wurden nach Spanien abgeschoben. Das Mutterland ihrer Sprache bot großzügig Asyl, es hatte auch für die Europäische Union die Verhandlung mit Kuba geführt.

    Die 52 Regimekritiker wollen in Europa ein neues Leben beginnen, wollen arbeiten, sich in die jeweilige Gesellschaft integrieren. Keiner von ihnen erwartet eine baldige Wende in Kuba, schon gar nicht durch die von Raúl Castro verkündeten Maßnahmen: wie beispielsweise die Ausdünnung des staatlichen Wirtschaftssystems, die Entlassung von einer Million Staatsangestellten, die Abschaffung der sozialen Stütze und

    "Der kubanischen Regierung ist es gelungen, sich gegen jegliche Widerstände ein halbes Jahrhundert zu behaupten. Aber jetzt ist die Wirtschaftslage ziemlich verzweifelt. Sie braucht finanzielle Hilfe vom Ausland, von Europa. Deshalb musste sie Konzessionen machen. Und deshalb nimmt sie auch die hohe Arbeitslosigkeit in kauf, die bereits existiert und die, die erst noch kommt. Damit will sich die Regierung etwas Luft verschaffen. Und wir sind Teil dieses Entspannungsversuchs. Er bedeutet jedoch keine Wende, noch nicht einmal einen Übergang."

    Solange die Brüder Castro an der Macht sind, ist für ihre Gegner eine Zukunft Kubas nicht denkbar. Manche von ihnen halten sogar jegliche Verhandlungen mit dieser Regierung, unter der sie so vieles erdulden mussten, für falsch. Das ist aus ihrer Sicht verständlich, führt aber politisch in eine Sackgasse. Sie alle appellieren an die EU, die sogenannte 'gemeinsame Position' aller europäischen Länder, aufrecht zu erhalten, das heißt, die Forderung nach demokratischen Reformen als Voraussetzung für finanzielle Leistungen. José Luis García Paneque:

    "Diese 'gemeinsame Position' entspricht den Interessen des kubanischen Volkes, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen von Verbesserungen der Menschenrechte abhängig zu machen: von politischen Freiheiten und Schritten in Richtung Demokratie. Für diese Position kämpfen wir, die Oppositionellen Kubas."