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Kükenzucht
ZDG-Präsident Ripke: "Wir haben zwei Verfahren zur Wahl"

Die alternativen Verfahren, die das Töten von männlichen Küken verhindern könnten, seien noch nicht praxisreif, sagte des Präsident der Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke. Darum sei eine Übergangszeit für die Betriebe so wichtig.

Friedrich-Otto Ripke im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Ein wenige Stunden altes Küken sitzt im Brutkasten zwischen anderen und noch nicht geschlüpften Küken.
Das Töten von männlichen Küken wird in Deutschland noch eine Zeit lang erlaubt sein (dpa/Waltraud Grubitzsch)
Jörg Münchenberg: Es geht eigentlich um einen weit zurückliegenden Rechtsstreit. Trotzdem ist das Thema aktueller denn je. 2013 hatte Nordrhein-Westfalen den Brütern verboten, männliche Küken zu töten. Die Wirtschaft konnte sich gegen das Verbot aber der damaligen rot-grünen Landesregierung erfolgreich gerichtlich zur Wehr setzen. Das Ganze ging bis zum Bundesverwaltungsgericht, das heute ein Grundsatzurteil fällen wird, und das ist nicht nur für Tierschützer und Geflügelwirtschaft bedeutsam, sondern auch für uns Verbraucher.
Am Telefon ist jetzt Friedrich-Otto Ripke. Er ist Präsident des Zentralverbandes der Geflügelwirtschaft. Herr Ripke, einen schönen guten Morgen.
Friedrich-Otto Ripke: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
Münchenberg: Herr Ripke, auf was für ein Urteil hofft Ihre Branche heute?
Ripke: Wir hoffen, dass die Urteile des OVG Münster und des LG in Nordrhein-Westfalen bestätigt werden. Weil ich glaube, jetzt kurz vorm Ziel sollte man nicht juristisch eingreifen. Wir sind ja alle der gleichen Meinung, dass das Kükentöten beendet werden soll. Auch die deutsche Geflügelwirtschaft will da unbedingt vorangehen. Aber wir können die Wissenschaft auch nicht zwingen. Sie ist seit 15 Jahren dabei, Verfahren zu entwickeln. Sie sind fast fertig und jetzt sollte man auch die Zeit geben, das eine Jahr oder vielleicht etwas länger noch zu warten, bis die Praxisreife erreicht ist. Das wäre mein Wunsch für heute oder meine Hoffnung für das Urteil.
Münchenberg: Dass man eine Übergangsfrist eingeräumt bekommt?
Ripke: Genau, und dafür gibt es auch viele Gründe. Ich glaube, es ist im Interesse aller Beteiligten. Erst einmal müssen wir die Geräte ja auch kaufen können. Sie sind aber noch nicht am Markt. Sie müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Wir brauchen pro Tag auch eine bestimmte Eierzahl, die untersucht werden muss. Wir brauchen hohe Genauigkeit bei der Bestimmung männlich-weiblich, weil wir die Hähne in den Legehennen-Ställen nicht brauchen können, weil sie für Stress sorgen, für weniger Tierschutz, wenn sie dann mit den Hennen heranwachsen. Und wir brauchen auch eine gute Schlupfrate der Eier weiterhin, und das alles ist noch nicht auf den letzten Tag jetzt gegeben, aber aus meiner Sicht in Kürze praxisreif.
"Wir wollen auch das Zwei-Nutzungs-Huhn"
Münchenberg: Hat denn nicht trotzdem der Tierschutzbund recht, wenn er sagt, letztlich das ganze System ist aus dem Ruder gelaufen?
Ripke: Weltweit werden die männlichen Küken getötet, weil die Brüder von den Legehennen-Küken nun mal keine Eier legen können. Wir haben es ja versucht. Wir wollen auch das Zwei-Nutzungs-Huhn weiter verfolgen. Es wird auch züchterisch weiter bearbeitet. Aber da ist auch der Markt natürlich gefordert und auch die Verbraucher, die das Fleisch der Bruderhähne nur in geringen Mengen bisher kaufen. Die Tests laufen ja am Markt und wir haben Marktanteile von zwei Prozent. Die werden langsam wachsen können, aber nicht kurzfristig. Auch das spricht ja für eine Übergangsfrist.
"Da muss auch eine Umgewöhnung stattfinden"
Münchenberg: Darauf kommen wir gleich noch mal zu sprechen. Ich würde trotzdem noch mal wissen: Aus der Sicht Ihrer Branche, ist Wirtschaftlichkeit ein vernünftiger Grund, um 45 Millionen Tiere in Deutschland jedes Jahr zu töten?
Ripke: Es geht ja nicht nur um Wirtschaftlichkeit, Herr Münchenberg. Diese Bruderhähne und die Brüder von den Legehennen-Küken, wenn sie gemästet werden, brauchen die doppelte Futtermenge. Sie haben etwas gröberes dunkleres Fleisch, was der Verbraucher in Mengen nicht akzeptiert, sondern nur in kleinen Nischenmengen zurzeit. Da muss auch eine Umgewöhnung stattfinden. Die kann man nicht erzwingen. Das Angebot wird ja gemacht und wir wollen das auch gerne weiter verfolgen. Aber ich glaube, das braucht auch einen Prozess. Ich wäre sehr dafür, dass das Zwei-Nutzungs-Huhn mehr Raum greift am Markt, aber im Moment ist das leider nicht der Fall.
Wenn ich für unsere 45 Millionen Legehennen, die wir brauchen in Deutschland, um 70 Prozent Selbstversorgung bei Eiern zu erreichen – wir müssen ja trotzdem noch importieren -, wenn ich diese 45 Millionen Legehennen durch Junghennen ersetzen muss, dann brauche ich 32 Millionen Junghennen jedes Jahr. Das sind die nüchternen Zahlen. Und wenn ich 32 Millionen weibliche Junghennen haben will, muss ich 64 Millionen Eier ausbrüten, weil es naturgegeben ist, dass die Hälfte männlich und die Hälfte weiblich ist.
Wenn die geboren sind und nicht in der Mast verwertet werden können, sondern nur für anderweitige Zwecke, zum Beispiel als Futter für Greifvögel, für Zoos oder für die Tiere eben, das wird ja gemacht. Seit 2011 gibt es da Erlasse, dass man die Verwertung auch nachweisen muss. Dann ist das schon eine Verwertung. Sie werden ja nicht weggeschmissen.
Ich wiederhole mich da gerne. Wir wollen lieber heute als morgen die Geschlechtsbestimmung, damit dieses Problem, dieses ethische Problem, was ich als Mensch genauso empfinde wie jeder Bürger hier in Deutschland, dass wir das Problem gelöst kriegen.
"Wir haben zwei Verfahren zur Wahl"
Münchenberg: Was ist denn jetzt bei dieser technischen Lösung der Geschlechterbestimmung realistisch? Es klang eben im Beitrag an 2020. Sieht man das in Ihrer Branche auch so?
Ripke: Ja, ich glaube schon. Wir können die Wissenschaft ja nun nicht zwingen, auf den Tag genau das endgültige Ergebnis vorzulegen. Die Geräte funktionieren, aber sie funktionieren nicht im Praxisreife-Maßstab. Das heißt, sie können keine 100.000 Eier am Tag untersuchen. Das bräuchten wir.
Wir haben zwei Verfahren zur Wahl. Das begrüße ich. Einmal das hormonelle. Das hat vielleicht einen kleinen Nachteil, weil es am neunten Tag erst misst.
Münchenberg: Und da sagt der Tierschutzbund ja, da wird dem Tier schon Schmerz zugeführt.
Ripke: Da gibt es Gutachten. Da ist Schmerzempfinden. Das ist relativ spät. – Das spektroskopische Verfahren mit dem Laserstrahl oder mit einem Lichtstrahl misst am dritten bis vierten Tag. Das wäre da besser. Beim letzten muss das Ei aber geöffnet und wieder verschlossen werden. Das sind hohe Anforderungen an die Mechanik auch, und es ist der Tag nicht da, wo wir sagen können, ja, die Geräte sind praxisreif, wir können sie erwerben. Und ich muss auch hinzufügen: Gerade die kleinen Brütereien, die auch für den Biobereich brüten, müssen dann prüfen, ob sie den Preis zahlen können. Es gibt ja noch keinen Marktpreis. Ich habe deshalb auch immer gesagt, wir müssten, um diesen Fortschritt zu erreichen, mit der Bundesregierung noch über die Zuschüsse für kleine Brütereien sprechen. Auch das steht uns ja noch als Arbeit bevor.
Münchenberg: Herr Ripke, Sie haben diese Bruderhahn-Initiative angesprochen. Das heißt: Aufzucht der männlichen Küken, subventioniert über den Eipreis. Ist da nicht trotzdem zu erwarten – Sie sagen, der Verbraucher muss letztlich dazu bereit sein. Aber es gibt zum Beispiel auch, wenn man mal andere Felder sich anschaut, etwa Verpackungsmüll, auch da geht die Industrie mittlerweile den Schritt voraus und sagt nicht, wir warten jetzt, bis die Verbraucher bereit sind, zum Beispiel auf Plastik zu verzichten.
Ripke: Ja. Die ersten Schritte sind gemacht mit uns zusammen. Wir haben züchterisch das Zwei-Nutzungs-Huhn auch verbessert, dass die Mastleistung besser wird, der Futterverbrauch nicht so hoch bleibt, wie er in der Vergangenheit war. Einzelne Lebensmitteleinzelhändler und Handelsketten haben ja auch das Angebot eröffnet. Die Ware wird von uns dafür auch geliefert. Aber die Mengen sind zu gering, als dass man sagen könnte, wenn heute das Urteil den vernünftigen Grund kippt und uns diese Möglichkeit nimmt, dann können wir diese männlichen Küken ab morgen nicht am Markt absetzen. Das ist ja die Tatsache. Wir bräuchten in jedem Fall eine Übergangszeit und um die werbe ich ja auch und auf die hoffe ich.
"Versorgungslücken bei Schaleneiern"
Münchenberg: Aber wäre nicht letztlich auch eine Lösung, dass man einen anderen Weg einschlägt und ein bisschen wegkommt von der industriellen Massentierhaltung, eigentlich auch mehr Verzicht auf Eier?
Ripke: Herr Münchenberg, die Eier sind gesund. Sie werden gebraucht. Auch zum Beispiel, um vegetarische Schnitzel herzustellen, braucht man Eiweiß. Ich glaube, das wäre nicht der kurzfristig zielführende Weg. Wir haben auch nur 70 Prozent Selbstversorgung und wir müssen erkennen, wenn die Brütereien hier nicht weitermachen dürfen und das Geschlechtsbestimmungsverfahren noch nicht praxisreif ist, dann werden sie ihren Betriebssitz möglicherweise nur kurz hinter die deutsche Grenze nach Holland verlagern und von dort arbeiten müssen. Das ist alles nicht für uns der richtige Weg, weil dann auch Tierschutzfortschritte verloren gehen. Wir haben jetzt eine sehr gute Kette entwickelt. Wir verzichten bei Legehennen auf die Schnabelbehandlung. Dazu braucht es vorgeprägte Junghennen, die wir von den deutschen Brütereien und Aufzüchtern kriegen. Dieser Weg ist jetzt geschlossen, das hat sich sehr gut entwickelt. Und ich muss sagen: Bei 70 Prozent Selbstversorgung würden, wenn die Brütereien ins Ausland gehen müssten, auch die Verbraucher das merken. Wenn unsere Legehennen nicht zeitgerecht durch Junghennen ersetzt werden können, würde es auch über Monate gewisse Versorgungslücken bei Schaleneiern geben können, so dass ich hoffe, dass das Gericht uns eine Übergangsfrist gibt, damit die Verfahren praxisreif werden und wir sie dann flächendeckend anwenden können. Das wollen wir, um es noch mal deutlich zu betonen.
Münchenberg: Aber, Herr Ripke, wenn ich Sie trotzdem richtig verstanden habe, wenn ich es mal ein bisschen zuspitze: Ohne Massentötung, in welcher Form auch immer, wird es letztlich in Ihrer Branche einfach nicht funktionieren, so viele Eier auf den Markt zu bringen und die männlichen Küken oder in den Eierschalen die Embryos auszusortieren.
Ripke: Dem würde ich so nicht zustimmen, Herr Münchenberg. Wenn wir die Geschlechtsbestimmung haben, müssen wir die Eier ja nicht ausbrüten, die männlichen, und dann auch keine Küken mehr töten. Das ist ja das Ziel, das wir alle gemeinsam verfolgen. Deshalb ist dieses Verfahren ja so wichtig und wir können damit auch in der Welt Vorreiter sein und ausstrahlen nach ganz Europa und letztendlich irgendwann auch darüber hinaus. Es ist schon für uns ein ganz, ganz wichtiges Ziel, das Geschlecht bestimmen zu können, damit wir die männlichen Eier nicht ausbrüten müssen und dann Küken haben, die wir nicht verwenden können. Insofern ist das eine ganz wichtige Sache.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.