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Künast lehnt geplanten Klimafonds rigoros ab

Der Klimagipfel in Durban droht wie andere vor ihm zu einer Alibiveranstaltung zu werden. Immerhin ist ein Klimafonds im Gespräch, um die Folgen der Erderwärmung finanziell abzumildern. Grünen-Politikerin Renate Künast lehnt ab - sie fordert eine deutliche CO2-Reduktion mit Deutschland als Vorreiter.

Renate Künast im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Auch ein Gutes bringt die Wirtschaftskrise: Weniger Produktion bedeutet nämlich weniger Umweltbelastung mit Schadstoffen. Doch das ist wohl kaum der Ausweg aus der Klimafalle. In Durban diskutieren deshalb auf der Weltklimakonferenz seit gestern nun auch die Umweltminister über eine mögliche Nachfolge des im nächsten Jahr auslaufenden Kyoto-Protokolls. – Am Telefon begrüße ich die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Guten Morgen, Renate Künast!

    Renate Künast: Guten Morgen, Herr Dobovisek.

    Dobovisek: Einen grünen Klima-Fonds wollen die Industrieländer gründen zur Hilfe bei der Anpassung an das wärmer werdende Klima. Können sie damit die Schwellenländer überzeugen?

    Künast: Nein! Das ist ja, wie Sie selber sagen, nur ein Anpassungsfonds, um sozusagen die Auswirkungen der Klimaveränderungen jetzt etwas abzumildern. Aber in Wahrheit brauchen wir ja mehr. Wir haben ein Kyoto-Protokoll, das 2012 ausläuft, und deshalb brauchen wir als Erstes mal für die nächste Zeit die Vereinbarung, dass dieses Protokoll noch weiter gilt, und wir brauchen, ich sage mal, das Kyoto-Nachfolgeprotokoll. Davon sind wir extrem weit entfernt und dazu müsste Deutschland und Europa mal in Vorleistung gehen, statt nur über den Zustand zu klagen.

    Dobovisek: Nun geht Deutschland ja durchaus in Vorleistung. Röttgen sagte gestern, er wolle schon diesen Fonds, der neu zu gründen ist, gleich mit einem deutlichen Geldanteil ausstatten und den Fonds möglicherweise auch richtig nach Deutschland holen. Ist das zu wenig?

    Künast: Ja, beileibe zu wenig. Es ist ja schön, wenn wir eine solche Institution in Deutschland haben, das putzt ungemein. Aber sehen Sie mal, es ist eben nur ein Klima-Anpassungsfonds. Was wir wirklich brauchen – und das wäre ja das Kyoto-Nachfolgeabkommen -, ein internationales Abkommen, in das am Ende auch Länder wie die USA, China reingehen, andere Schwellenländer, das eben nicht nur Anpassungsmaßnahmen dann finanziert, sondern das tatsächlich sagt, wie schaffen wir es, im Laufe der nächsten Jahrzehnte unseren CO2-Ausstoß massiv zu reduzieren – eine gemeinsame Vereinbarung. Weil wir haben ja eines festgestellt: Wir reden viel über Klimaschutz, aber insgesamt haben wir uns weltweit wirtschaftlich so weiterentwickelt, dass wir mehr CO2 ausstoßen als vorher, dass dieses Ziel, nur zwei Grad Erwärmung zu haben, schon nicht mehr erreichbar ist. Dieses internationale Protokoll muss her, und dafür muss man nicht nur sagen, welcher Fonds kommt zu mir, sondern Deutschland müsste dafür sorgen, dass die Europäische Union bedingungslos sagt, bis 2020 reduzieren wir unser CO2 um 30 Prozent. Das wäre eine Vorleistung, zu sagen, wir sind dazu bereit, stellen unsere Wirtschaft, unsere Art, zu transportieren, zu leben, um. Dann würden die Entwicklungsländer, die nun für die Klimaerwärmung am wenigsten können, auch wissen, die Industrieländer und Europa gehen vor. Das wäre so eine Vorleistung.

    Dobovisek: Auf dem Klimaschutz-Index, den die Organisation German Watch gerade vorgestellt hat, steht Deutschland ganz weit vorne, kommt gleich hinter dem Spitzenreiter Schweden. Insgesamt finden die Index-Macher positive Worte für die Klimapolitik der Bundesregierung. Gehen Merkel und Röttgen da vielleicht doch ein Stück weit den richtigen Weg?

    Künast: Wir waren im Klimaschutz und beim Umstellen auf erneuerbare Energien schon mal richtig und nehmen Sie diesen German Watch Index jetzt nur in einer Hinsicht ernst. Wir sind weit im Verhältnis vielleicht zu ein paar anderen, aber wir hatten mal eine treibende Vorreiterrolle. Im Augenblick haben wir zum Beispiel eine Gebäudesanierungsquote: Wenn wir so weitermachen mit der energetischen Sanierung, wären in 100 Jahren einmal alle Häuser saniert. Daran können Sie erkennen, dass ein solcher Index nicht viel wert ist. Deutschland muss sich wirklich wieder mühen, Vorreiter zu sein. Das wäre übrigens nicht nur ein Respekt gegenüber dem Klima, sondern es würde bei uns auch viele Arbeitsplätze schaffen, ordentlich bezahlte und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Also man kann auch ein bisschen Eigennutz reinstecken.

    Dobovisek: Kommen wir zurück zum Konflikt zwischen den Industrieländern und den Schwellenländern, Frau Künast. Die reichen Länder verursachen den Klimawandel, vor allem die armen müssen ihn ausbaden. Auf diese Formel könnte man das vielleicht bringen. Mit Südafrikas Präsident Jacob Zuma sagt jetzt, der erste Führer eines Schwellenlandes, ganz deutlich, dass auch die Schwellenländer selbst verbindliche Zusagen treffen müssen. Beobachten wir da eine Art Paradigmenwechsel?

    Künast: Ja, das ist ein guter Hinweis, wenn jemand wie in Südafrika sagt, wir selber müssen, wenn auch der chinesische Delegationsleiter zumindest mal andeutet, dass man in Zukunft bereit sei, Veränderungen vorzunehmen. Das ist der notwendige Paradigmenwechsel, den wir brauchen, weil das Kyoto-Protokoll für diese Länder noch keine Verpflichtungen beinhaltet hat. Das ist ja jetzt gerade die Auseinandersetzung. Aber das eine ist das, was im Worte ausgedrückt wird. Wir müssten jetzt einen verbindlichen Zeitplan haben, wie wir von jetzt bis 2015 uns vornehmen, in dem ganzen Verhandlungszirkus dort auch zu Ergebnissen zu kommen. Und wie gesagt: Europa muss dann einen nächsten Vorleistungsschritt gehen, und ich meine, sie sollen sagen, wir sind bereit für Minus 30 Prozent. Dann kann man auch besser die Schwellenländer China, Südafrika, Brasilien auffordern, ihren Beitrag auch zu leisten.

    Dobovisek: Die Schwellenländer sind ja, wie wir hören, bereit, sich zu bewegen. Aber wie ernst zu nehmen ist diese bekundete Bereitschaft, wenn wir wohl wissen, dass die USA und Kanada sich wohl kein Stück bewegen werden, zumindest nicht in naher Zukunft?

    Künast: Ja, Sie haben da den Finger in die Wunde gelegt. Ich glaube aber, dass man dann eine Art Allianz derer, die wollen, führen muss und den USA auch vorführen muss an der Stelle, dass es einen politischen Vorteil und einen wirtschaftlichen Vorteil und Arbeitsplatzvorteil haben kann, wenn man vorangeht. Also lassen Sie uns sozusagen große Bündnisse schließen. Wir wissen alle, bis vor kurzem haben die Chinesen sich auch noch nicht so geäußert, und im Augenblick, kurz vor einer Wahl in den USA, da kann man gar nicht, wenn man deren Politik richtig einschätzt, erwarten, dass die jetzt etwas abschließen. Also das Minimum ist ein Verhandlungsplan bis 2015, damit in der Zeit auch hochkarätig mit den Regierungschefs verhandelt wird und wir zu einem Ergebnis kommen. Und nachdem Südafrika sich äußert, China sich äußert, muss Europa auch noch mal was auf den Tisch legen.

    Dobovisek: Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast im Deutschlandfunk-Interview kurz vor den Nachrichten. Vielen Dank!

    Künast: Ich danke auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.