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Kündigung nach Scheidung
Ein No-Go für das weltliche Arbeitsrecht

Dem Chefarzt eines katholischen Krankenhauses wurde gekündigt, weil er ein zweites Mal geheiratet hatte. Er wehrte sich dagegen, ging vor Gericht und arbeitet bis heute in der Klinik. Nach einem zehnjährigen Rechtsstreit entscheidet heute der Europäische Gerichtshof über seinen Fall.

Von Tonia Koch | 11.09.2018
    Das Bild zeigt das Logo und den Schriftzug des EuGH, des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg.
    Der EuGH will dafür sorgen, dass die gültige europäische Gleichbehandlungsrichtlinie überall in der EU umgesetzt wird. (dpa)
    Bereits im Mai dieses Jahres hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes zum Fall des Düsseldorfer Chefarztes erklärt, die Kündigung sei nicht rechtens. Und zwar aus zweierlei Gründen: Zum einen verstoße diese gegen das in der EU geltende Diskriminierungsverbot aus religiösen Gründen. Und zum zweiten wurde vom Gericht die Relevanz des kirchlichen Selbstverständnisses infrage gestellt. Denn für die Ausübung des Arztberufes sei es nicht erforderlich, dass dieser der kirchlichen Überzeugung zustimmt, dass die Ehe als unauflöslich gilt. Beides seien starke Argumente, die einer rechtmäßigen Kündigung entgegenstünden, sagt der Leiter der Tübinger Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht, Hermann Reichold.
    "Kündigung aus Gründen die mit dem eigentlichen Job, also mit der Aufgabe, die er arbeitsrechtlich zu erledigen hat, nichts zu tun hat, das ist ein No-Go für das weltliche Arbeitsrecht. In aller Regel geht das gar nicht, in der katholischen Kirche ging das bislang. Und hier hat der Europäische Gerichtshof meines Erachtens zu Recht gesagt, das können wir so nicht mitmachen."
    Privatleben ist nicht privat
    Der Gerichtshof muss den Empfehlungen des Generalanwaltes nicht folgen, aber in aller Regel tut er das. Von daher sei heute zu erwarten, dass der Gerichtshof die Position des Generalanwaltes stützt. Denn der EuGH müsse dafür sorgen, dass die gültige europäische Gleichbehandlungsrichtlinie überall in der EU umgesetzt werde, so Reichold.
    Er sagt: "Es kann nicht sein, dass sie in der katholischen Kirche keine Wirksamkeit entfaltet. Allein das Privatverhalten, das keinerlei Einfluss auf die beruflich fachliche Leistung ausübt zum Kündigungsgrund zu machen, das wird mit europäischem Recht nicht mehr zu machen sein und es gibt genügend fortschrittliche Menschen in der katholischen Kirche, die selbstverständlich diese Rechtsprechung begrüßen werden."
    Vertreter der katholischen Kirche wollten sich im Vorfeld des Urteils zum vermeintlichen Loyalitätsverstoß ihres Mitarbeiters nicht äußern. Der Rechtsstreit währt bereits seit 2008. Seinerzeit ließ sich der Arzt nach seiner Scheidung erneut standesamtlich trauen und wurde daraufhin vom kirchlichen Arbeitgeber gekündigt. Heute wäre das wohl kaum mehr möglich, glaubt der Tübinger Arbeitsrechtler, Hermann Reichold. Denn bereits 2015 hat die katholische Kirche eine Liberalisierung ihrer Arbeitsverhältnisse beschlossen.
    "Nach dieser neuen Grundordnung hätte dieser Chefarzt gerade nicht mehr gekündigt werden können, warum, weil kein öffentliches Ärgernis, was jetzt gefordert wird, in irgendeiner Weise ersichtlich war. In diesem Klinikum in dem er übrigens heute noch arbeitet, trotz der Prozesslawine, dieses Klinikum war von ihm als Arzt nie enttäuscht worden, davon gehe ich jedenfalls aus. Dieses Klinikum hatte ihn als Internist gebraucht und es braucht ihn auch weiterhin ganz offenischtlich."
    Bundesverfassungsgericht bestätigte die Kirche
    Mehrere deutsche Arbeitsgerichte und das Bundesverfassungsgericht haben sich zwischenzeitlich mit dem Fall befasst. Letzteres stärkte der Kirche 2014 den Rücken. Es bestätigte erneut das verfassungsmäßig garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Die Karlsruher Richter führten in ihrem Urteil aus, dass die Kirchen in Deutschland das Maß an Loyalität, das sie von ihren Mitarbeitern verlangen, nach eigenem Ermessen festlegen dürfen.
    Der Europäische Gerichtshof teilt diese Auflassung nur bedingt. Er stellt zwar die Autonomie der Kirchen nicht grundsätzlich in Frage, aber der EuGH hat in vorangegangenen Entscheidungen bereits deutlich gemacht, dass bei der Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechtes die Verhältnismäßigkeit zu wahren sei. Ein kirchlicher Arbeitgeber müsse prüfen, welche Voraussetzungen für eine Tätigkeit in seinem Umfeld tatsächlich erforderlich seien. Sie einfach zu diktieren, ginge nicht. Und vieles spricht dafür, dass der Gerichtshof auch im Fall des Düsseldorfer Arztes heute ähnlich urteilen wird.