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"Künftig und für alle Zeit frei"

Während in den Südstaaten im 19. Jahrhundert Millionen Schwarze als Sklaven die Plantagen bewirtschafteten, wuchs im Norden die Kritik. Die Sklavenfrage spaltete Amerika und mündete in den Bürgerkrieg. Nach langem Zögern erklärte der Präsident des Nordens, Abraham Lincoln, die Sklaven am 22. September 1862 für frei.

Von Ralf Geißler |
    Die Vereinigten Staaten im Herbst 1862: Es sind die blutigsten Tage in der Geschichte des Landes. Nord- und Südstaaten ringen erbittert um einen Sieg im Bürgerkrieg. Bei der Schlacht am Fluss Antietam sterben an nur einem Tag mehr als 3500 Männer. Der Norden unter Präsident Abraham Lincoln kämpft für die Einheit des Landes – und ab dem 22. September 1862 auch für eine gerechte Sache. Denn an jenem Tag veröffentlicht Lincoln die sogenannte Emanzipationsproklamation:

    ""Vom 1. Januar 1863 an sollen alle Personen, die als Sklaven in einem Staat oder Teil eines Staates gehalten werden, dessen Bewohner sich gegen die Vereinigten Staaten erheben, künftig und für alle Zeit frei sein."

    Zum ersten Mal verspricht Lincoln den Sklaven des Südens die Freiheit. Eine zutiefst menschliche Entscheidung – und eine strategische.

    Mitte des 19. Jahrhunderts leben in den amerikanischen Südstaaten fast vier Millionen Schwarze versklavt auf den Baumwollplantagen. Sie hausen zusammengepfercht in armseligen Unterkünften. Nur wenige von ihnen werden älter als 40 Jahre. 1852 erscheint in den USA der Roman "Onkel Toms Hütte" - ein später verfilmter Bestseller, der das Elend der Sklaven beschreibt.

    "Halt!"
    "Ach, lassen Sie mich in Ruhe Wilson. Wir leben in einem freien Land. Ich kann mit meinen Niggern machen, was mir passt."

    Immer lauter werden in den Nordstaaten ab 1850 Forderungen, die Sklaverei abzuschaffen. Auch der junge Rechtsanwalt Abraham Lincoln hält wenig vom Sklavenhandel im Süden.

    O-Ton aus Film "Onkel Toms Hütte": "Eine einmalige Gelegenheit. So billig bekommen Sie nie wieder einen Neger-Sklaven. Es ist die Gelegenheit ihres Lebens. Absoluter Ausverkauf. Wenn Sie heute nicht kaufen, kaufen Sie nie."

    Als Lincoln 1860 zum US-Präsidenten gewählt wird, treten die Südstaaten aus den Vereinigten Staaten aus. Der Bürgerkrieg beginnt. Doch anders als von vielen erhofft, hebt der Präsident die Sklaverei nicht sofort auf. Lincoln schickt seine Truppen vor allem los, um die Einheit des Landes wiederherzustellen. Noch Anfang 1862 schreibt er über die Abschaffung der Sklaverei.

    "Ich würde es tun, wenn ich nicht Angst hätte, dass die Hälfte der Offiziere die Waffen hinwirft und drei weitere Staaten sich erheben."

    Der Krieg gegen den abtrünnigen Süden zieht sich hin. Kanonen, Gewehre und selbst Schlachtschiffe kommen zum Einsatz, ohne dass eine Seite einen entscheidenden Sieg davontragen kann. Lincoln unterstützt derweil Pläne, den Sklavenhaltern 400 Dollar für jeden freigelassenen Sklaven zu zahlen und die Schwarzen anzuregen, in eine Kolonie in Afrika oder Mittelamerika zu gehen. Erst langsam wird dem Präsidenten klar, dass die Abschaffung der Sklaverei auch ein strategischer Vorteil sein kann. Sie würde die Schwarzen im Süden zur Rebellion ermuntern. Lincolns Finanzminister Salmon P. Chase schreibt im Sommer 1862:

    "In der Sklavenfrage ist der Präsident noch immer fast so ratlos wie eh und je. Aber ich glaube, dass er bald aus dem Dunkel, in dem er jetzt herumtappt, in ein etwas helleres Licht treten wird."

    Einen Monat später verspricht der Präsident die Abschaffung der Sklaverei im Süden. Das gibt seinem Krieg eine moralische Legitimation. England und Frankreich nehmen von Plänen wieder Abstand, die Südstaaten militärisch zu unterstützen. Nach Ende des Bürgerkrieges beschließt der US-Kongress den 13. Zusatzartikel zur Verfassung, der die Sklaverei im ganzen Land endgültig aufhebt.

    "Wir jubeln darüber, dass wir diesen gerechten Erlass erleben dürfen. Für immer frei. Oh ihr Millionen freier und treuer Männer, die ihr Euch mit allem Ernst bemüht habt Euer blutendes Land vom schrecklichen Wüten der Revolution und der Anarchie zu befreien, erhebt nun freudig und dankbar Eure Stimmen."

    So freut sich 1862 der schwarze Ex-Sklave und spätere Schriftsteller Frederick Douglas. Doch bis zur Gleichberechtigung zwischen Schwarzen und Weißen ist der Weg noch weit. Eine finanzielle Entschädigung für die Ausbeutung auf den Plantagen haben die Familien der Schwarzen nie erhalten. Noch heute liegen ihre Bildungs- und Aufstiegschancen weit hinter denen der weißen Bevölkerung zurück – trotz des ersten schwarzen US-Präsidenten.