Die Kulturwissenschaftlerin Britta Waldschmidt-Nelson zeigte sich im Deutschlandfunk erfreut darüber, dass Kamala Harris bald die neue Vize-Präsidentin der USA wird. "Kamala Harris verkörpert genau dieses neue, dynamische, bunte Amerika in seiner ganzen Diversität - sowohl was Ethnizität und 'Rasse' angeht, aber auch die religiöse Vielfalt."
Waldschmidt-Nelson ist seit Oktober 2016 Professorin für die Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Universität Augsburg. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die afro-amerikanische Geschichte, transatlantische Beziehungen sowie Religionsgeschichte der USA und Gender Studies.
Waldschmidt-Nelson wies in diesem Zusammenhang auf die Herkunft von Kamala Harris hin. Ein Kind von Einwanderern: Die Mutter sei eine Inderin gewesen, die auch den Hinduismus praktiziert habe, der Vater ein schwarzer Jamaikaner. Harris selbst bezeichne sich als schwarze Amerikanerin und gehöre einer christlichen Baptistenkirche in San Francisco an, habe aber einen weißen, jüdischen Mann geheiratet und ziehe mit ihm seine beiden Kinder groß.
Diese Vielfalt mache das junge, dynamische Amerika aus, so die Kulturwissenschaftlerin. "Gleichzeitig verkörpert Kamala Harris auch das, was gewissen Teilen der rechts außen stehenden Trump-Anhänger so zuwider ist - dass nämlich diese nicht-weißen, nicht unbedingt in dieser christlichen Tradition der Mayflower verwurzelten Amerikaner jetzt plötzlich anfangen, die Macht im Land zu übernehmen."
Eine große Aufgabe der neuen amerikanischen Regierung sieht Britta Waldschmidt-Nelson darin, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Vereinen und heilen könnten die Demokratinnen und Demokraten das Land nur, wenn sie jetzt keinen links-radikalen Kurs fahren würden wie andere Demokratinnen - zum Beispiel Alexandria Ocasio-Cortez oder Elizabeth Warren.
Harris steht für einen Kurs der Mitte
Aus Sicht der Kulturwissenschaftlerin war es daher eine "sehr weise Entscheidung von Joe Biden", nicht eine dieser Frauen zur Vize-Präsidentschaftskandidatin zu wählen, sondern Kamala Harris. Zwar sei Harris in manchen Fragen sehr progressiv - zum Beispiel befürworte sie das Recht auf Abtreibung, sie habe sich für eine Polizei-Reform eingesetzt und unterstütze die Black-Lives-Matter-Bewegung. In vielen anderen Fragen stehe sie aber wie Joe Biden für einen Kurs der Mitte.
"Es ist die einzige Chance, wie man das Land jetzt wieder einen kann, ist, wenn man jetzt nicht einen linksradikalen Kurs einschlägt", so Waldschmidt-Nelson. Dass ein solcher radikaler Kurs nicht gewünscht sei, werde auch in der Knappheit des Wahlergebnisses deutlich.
Von der ehemaligen Justizministerin Kaliforniens, früheren Staatsanwältin und Senatorin Harris erwartet die Kulturwissenschaftlerin, dass sie sich besonders auch für die Sicherheit von Frauen und von Menschen, die zu Minderheiten gehören, einsetzt.
Bildungspolitik als Instrument gegen die Spaltung
Eine Schwierigkeit für die neue amerikanische Regierung sieht Waldschmidt-Nelson darin, dass die Demokraten in der Vergangenheit weite Teile ihrer Hauptwählerschaft verloren hätten. Eine links-liberale Bildungselite habe - zum Beispiel in Gestalt von Hillary Clinton - die Arbeiter im Mittleren Westen mit elitärer Arroganz behandelt und als "Deplorables", also Bemitleidenswerte oder Erbärmliche, bezeichnet. Diese Schichten müssten die Demokraten jetzt wieder ins Boot holen.
Ein Schlüssel dazu ist nach Meinung von Waldschmidt-Nelson die Bildungspolitik: "Die neue Regierung muss die Bildungschancen für die einkommensschwachen Schichten wieder verbessern - auch für die weißen Arbeiter - um die Spaltung in den USA, die eine Bildungsspaltung ist, überwinden zu können. Sonst werden sie auf Dauer keine Mehrheiten erhalten können."