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Künstler im Rampenlicht

Er galt als Enfant terrible der französischen Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: der Dichter, Romancier, Regisseur und Maler Jean Cocteau. Als Dandy verkörperte er das Lebensgefühl der mondänen Pariser Salons. Wenige Jahre vor seinem Tod 1963 wurde er in die ehrwürdige Académie Francaise gewählt.

Von Björn Stüben |
    Am 25. Juni 1946 hob sich, begleitet von Johann Sebastian Bachs düsterer Passacaglia, der Vorhang zur Uraufführung des Balletts "Der junge Mann und der Tod" im Théâtre des Champs-Elysées in Paris. Die Choreografie handelte von enttäuschter Liebe, Verzweiflung und Selbstmord. Über das junge Tänzerpaar und die gesamte Aufführung wachte der Autor des Stücks, Jean Cocteau:

    "Auf der Bühne sollte ein Dialog zwischen den Tänzern Mademoiselle Phillippart und Monsieur Babilée gezeigt werden, der nur aus starken Gesten bestand. ... Dem Bühnenbildner, dem Kostümschneider, dem Choreografen und den Tänzern hatte ich vorher minutiös erläutert, was ich von ihnen erwartete ..."

    Der Dichter, Romancier, Regisseur und Maler Jean Cocteau, am 5. Juli 1889 in Maison-Laffitte bei Paris geboren, überließ nie etwas dem Zufall. Wie seine Bühnenstücke und Filme plante er auch sein Leben. Nachdem die Familie in die Nähe der Place Pigalle gezogen war, diente ihm die mondäne Pariser Gesellschaft als Sprungbrett für künftigen Dichterruhm. Bereits 1909 veröffentlichte Cocteau seinen Lyrikband "La lampe d'Aladin". Als eleganter Dandy suchte er den Kontakt zu Größen der französischen Literatur wie André Gide, der über Cocteau urteilte:

    "Er ist keines Ernstes fähig, und seine ganzen Einfälle, seine Geistreicheleien, seine Sensationen, das ganze außergewöhnliche Brio seiner gewohnten Sprechweise schockierten mich wie ein in Hunger- und Trauerzeiten ausgestellter Luxusartikel."

    Dafür reüssierte der feingliedrige Jüngling Cocteau in der glamourösen Welt der Variétés oder des Maxim's, wo er zu Sarah Bernhardts ständigem Begleiter avancierte.

    1915 lernte er Pablo Picasso und die Boheme der Rive Gauche kennen. Mit Picasso und Eric Satie gestaltete er das Ballett "Parade", 1916 von Sergej Diaghilev in Rom auf die Bühne gebracht.

    Den Ersten Weltkrieg verarbeitete Cocteau 1923 in seinem frühen Roman "Thomas der Schwindler", der neben "Kinder der Nacht" von 1929 zu seinen besten Prosawerken zählt.

    Als - ebenfalls 1923 - seine große Liebe, der talentierte Romanautor Raymond Radiguet jung starb, verfiel Cocteau dem Opium, das ihn seitdem ständig begleitete. 1946 drehte er den Film "La Belle et la Bête" mit seinem langjährigen Lebenspartner Jean Marais. 1950 feierte er einen internationalen Erfolg mit dem Film "Orpheus". Den Stoff aus der griechischen Mythologie überführte er technisch brillant inszeniert in die Gegenwart. Anfang der 50er Jahre zog sich Cocteau immer öfter an die Côte d'Azur zurück. In der Villa Santo-Sospir seiner reichen Gönnerin Francine Weissweiller entdeckte er für sich die Kunst der Wandmalerei:

    "Picasso und Matisse hatten mir verraten, dass, wenn man erst einmal eine Wand bemalt hätte, das auch mit allen anderen machen müsse. Ähnlich wie Matisse in seiner Kapelle in Vence habe ich also auf die Wände gezeichnet, dabei aber kaum Farben eingesetzt. Ich habe die Mittagssonne und zwei Fischer gezeichnet, daneben dann die Abendsonne mit einer schlafenden Frau. Und schließlich sieht man die Nacht und ein Einhorn aus der Mythologie, das ich besonders liebe."

    An der Côte d'Azur schuf Cocteau noch weitere dekorative Wandbilder, darunter die berühmte Ausschmückung des Hochzeitssaals im Rathaus von Menton. Ganz besonders verbunden fühlte er sich dem Ort Villefranche.

    "Villefranche ist für mich wie ein Schauspiel, das mir meine Jugend zeigt, denn hier habe ich gewohnt und viele meiner Werke wurden hier verfasst. Ich liebe die Côte d'Azur, denn dort bin ich nicht so sichtbar wie in Paris, wo man mir ständig das Gefühl vermittelt, ein Star zu sein. Wie lächerlich ist das für einen Menschen, der nur für sich selbst und sein Werk leben möchte."

    Eine verwunderliche Äußerung, hatte der Künstler es doch stets verstanden, sich geschickt im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu platzieren. Am 11. Oktober 1963 starb Jean Cocteau im Alter von 74 Jahren in Milly-la-Forêt bei Paris, wozu der Schriftsteller François Mauriac bemerkte:

    "Ich bin außerordentlich erstaunt, dass er etwas so Natürliches, Einfaches, etwas so wenig Originelles tun konnte wie sterben."