Pete McKee: "Hello! Lovely to meet you, too! You got here, brilliant!"
Eine Doppelhaushälfte mit Blick auf die grünen Hügel um Sheffield. Im Flur: pinke Wände. Ein Bilderrahmen mit der Comic-Figur Kapitän Haddock. Davor ein Berg von einem Mann - mit grauer Elvis-Tolle, schwarzem Brillenrahmen und gelbem Hemd: Pete McKee. Künstler. Sänger. Local hero. Working class.
In seinem Atelier lehnt ein Bild an der Wand: Es zeigt Frauen und Männer, alt und jung, die an einem langen Tisch sitzen wie die Apostel beim Abendmahl auf dem Gemälde von Leonardo Da Vinci.
In seinem Atelier lehnt ein Bild an der Wand: Es zeigt Frauen und Männer, alt und jung, die an einem langen Tisch sitzen wie die Apostel beim Abendmahl auf dem Gemälde von Leonardo Da Vinci.
Hommage an den Fish-and-Chips-Tag
Pete McKee: "Then we’ve got a larger piece, this one's called the ‚Fish Supper‘, which is a play on the Last Supper in a way."
"Fish Supper" heißt das Bild. Die Figuren mit sicherem, schwarzem Strich gepinselt. Die Farben kräftig, wie im Comic. Eine Karikatur: Statt kleine Fische wie bei Da Vinci liegt bei McKee eine fettige Portion Fish and Chips auf dem Tisch.
Pete McKee: "Fish and Chips am Freitagabend war wie ein Geschenk Gottes. Ich habe sonst immer alles auf Toast gegessen. Es ist also eine Hommage an den Fish-and-Chips-Tag."
Louise Brown: "Are these figures based on your family or friends?"
Pete McKee: "It’s just a homage, really, just to everyday people."
Eine Hommage an die normalen Menschen. McKee malt Frauen mit schweren Einkaufstüten. Männer, die tagsüber in der Kneipe sitzen oder im Regen auf einen Bus warten. Er malt den oft tristen Alltag der englischen Arbeiterklasse - aber stets mit Humor und mit Stolz. Die Frauen tragen Kopftuch, aber knalligen Lippenstift. Die ausgemergelten Hunde beäugen eine Fleischpastete. Ein Ehepaar schaut beim Picknick auf die rostige Industriestadt, auf der Decke liegt lässig ein Plattenspieler.
Pete McKee: "Vieles was, ich male, geht auf meine Kindheit zurück. Es ist eine Kindheit, die hier in Sheffield alle so erlebt haben. Es ist eine Stadt, die vor allem für eines steht: die Arbeiterklasse."
Die inoffizielle Pophauptstadt des Nordens
Sheffield, das war mehr als ein Jahrhundert lang Zentrum der Stahlindustrie. Das Stadtbild: geprägt von gewaltigen Sozialbauten für die Arbeiter, auf deren Gängen, wie Fotos aus den 80ern zeigen, tagsüber viele Männer herumhingen. Viele Jahre lang stand Sheffield für den Niedergang der Schwerindustrie. Sheffield, das war "das schmutzige Bild im goldenen Rahmen", wie man die Stadt nannte, eingebettet in der idyllischen und wasserreichen Landschaft des Peak District. Aber auch die inoffizielle Pophauptstadt des Nordens, Heimat des "Sheffield Sound".
Pete McKee, Jahrgang 1966, wuchs in einer Sozialsiedlung auf. Sein Vater war Stahlarbeiter. Seine Mutter starb als er sieben war. Als Kind las er die Comic-Streifen in der Zeitung seines Vaters und zeichnete selbst Cartoons. Als Jugendlicher träumte er davon, mit seiner Band in der Sendung "Top of the Pops" aufzutreten. Stattdessen auf der Bühne stand er als Arbeiter in der Möbelfabrik. Die Kunstschule lehnte ihn ab. Für Briefmarken aber reichte das Geld immer. So schickte er seine Zeichnungen an Lokalzeitungen.
Pete McKee: "Wir können unseren Eltern danken, dass die uns gezeigt haben: Wenn wir den Hintern nicht hochkriegen, dann werden wir wie sie in der Fabrik oder in der Zeche landen. Es ist eine große Motivation für die eigene Kreativität, wenn man sieht, was mit einem passieren könnte!"
2006 kündigte McKee seinen Job, um sich der Malerei zu widmen. Nach ersten kleinen Ausstellungen gestaltete er die Tourposter für die Band Oasis. Seitdem hat er mit Sheffielder Musikern wie Richard Hawley und The Arctic Monkeys zusammengearbeitet. Für den Modedesigner Paul Smith hat er T-Shirt-Designs gezeichnet und seine Bilder in dessen Filiale in Tokio ausgestellt. In Sheffield hat Pete McKee ganze Hausfassaden mit seinen markanten, humorvollen Figuren bepinselt. Thema und Leidenschaft bleibt seine Herkunft.
"Der Stolz verschwindet"
Pete McKee: "Wenn man durch die Sozialsiedlungen geht, dann sieht man, wie der Stolz verschwindet. Die Arbeiterklasse wird zur Unterklasse, man kann die Armut überall sehen. Die Working Class ist durch die Sparpolitik der Regierung schwer angeschlagen. Es macht mich wütend, dass man der Arbeiterklasse die Schuld für das Brexit-Votum in die Schuhe schiebt."
McKees Antwort: eine große Ausstellung in Sheffield. In einer alten Lagerhalle präsentiert er neben eigenen Bildern auch Theaterstücke, Fotografien und Musik von geladenen Künstlern, die aus der Arbeiterklasse stammen oder sich mit der Arbeiterklasse beschäftigen.
Pete McKee: "Dies ist eine direkte Reaktion auf die Kritik, die der Arbeiterklasse nach dem Brexit-Referendum entgegenschlägt. Ich wollte zelebrieren, was es heißt, aus der Arbeiterklasse zu kommen: Kameradschaft, Stolz, Liebe und Durchhaltevermögen. Deshalb habe ich die Ausstellung ‚This Class Works‘ genannt, was eine doppelte Bedeutung hat: Ohne die Arbeiterklasse würde das Land zusammenbrechen, die Gesellschaft braucht die Arbeiterklasse. Außerdem ist es eine Klasse, die hart arbeitet - und nicht etwa im Büro auf dem Hintern sitzt und verträumt aus dem Fenster guckt."
Das tut auch er nicht. McKee, der gerade eine Lebertransplantation hinter sich hat, zeichnet entweder in seinem Studio, tritt mit seiner Ukulele-Band The Everly Pregnant Brothers für Wohltätigkeitszwecke auf oder präsentiert seine Werke in seiner Galerie mit dem hübschen Namen "A Month of Sundays".
Eine Spotify-Playlist mit den besten Songs zum Thema begleitet die Serie - im Deutschlandfunk-Account unter "DLF_BrexitMonday"