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Künstler und Umweltforscher "Andreco"
Begräbnis für den Tiber

Von luftreinigenden Wandfarben bis zum Umweltprotest als Performance: Der Italiener Andrea Conte alias "Andreco" kombiniert Kunst und Wissenschaft. Mit seinem "Climate Art Project" reist er um die Welt und will zum Umdenken bewegen.

Von Martina Kollroß |
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"Ich habe ein Begräbnis für den Tiber veranstaltet", sagte Künstler und Umweltforscher Andreco im DLf (ANDRECO - Parata Tiberina degli Inizi - produzione Fondazione Romaeuropa - festa di Roma 2020)
Eine archaisch anmutende Parade auf der Tiber-Insel, mitten in Rom: Zweiundzwanzig schwarzgekleidete Gestalten mit pailletten-besetzten Sturmhauben über dem Kopf schreiten auf die Inselmitte zu, bilden einen Kreis und schwenken schwarze Fahnen. Die Fahnen sind mit feinen, hellblauen Linien gemustert, die wie Flussarme aussehen. Bräunlich statt hellblau ist das Tiberwasser, das die kleine Insel umströmt. Die Performance ist eine Art Trauermarsch.
"Ich habe sozusagen ein Begräbnis für den Tiber veranstaltet. Früher war der Fluss viel sauberer, die Menschen gingen darin baden, es gab Schwimmwettbewerbe und Strände in der Stadt. Ich wollte daran erinnern, dass der Fluss für die Römer einmal heilig war - jetzt ist er es nicht mehr."
Sagt Andrea Conte. Unter seinem Künstlernamen Andreco hat er die Performance "Parata Tiberina degli Inizi" für das offizielle römische Neujahrsfest organisiert. Der Trauermarsch ist Teil seines "Climate Art Project", das der gebürtige Römer 2015 während der Klimakonferenz COP21 in Paris ins Leben gerufen hat. Mit künstlerischen Aktionen will er weltweit auf Umweltthemen aufmerksam machen.
"Es geht mir darum, die Verletzlichkeit der Landschaft hervorzuheben und mögliche Lösungen für die Folgen des Klimawandels aufzuzeigen."
Natural Based Solutions
Andreco verbindet Streetart mit Umweltforschung, er hat einen Doktor in Umweltingenieurwesen – genauer gesagt in Nachhaltigkeit und "Natural Based Solutions". Seine künstlerischen Werke basieren auf wissenschaftlichen Daten und Erkenntnissen. In Rom hat er selbst ein Forschungsteam zusammengestellt, das die Qualität des Wassers und der Böden analysierte. Ein ungewöhnliches Vorgehen.
"Ich habe immer ein Doppelleben geführt. Deshalb habe ich zwei Namen, als Andrea Conte arbeitete ich in der Forschung und als Andreco als Künstler. Und an einem bestimmten Punkt haben sich sozusagen diese beiden Straßen gekreuzt."
Sein Doppelleben flog auf, als er mit einem Team der Columbia-University zu positiven Effekten von begrünten Dächern in New York forschte, und gleichzeitig eine Einzelausstellung an der Lower East Side hatte.
"Dann konnte ich sozusagen mein Coming-out in der Wissenschaftswelt wagen und zugeben: 'Okay, ich bin auch Künstler. Ich war das, der die fünf Meter Wandgraffiti gemalt hat. Ich war das, der die Skulptur im Park, das Logo für Bologna Cultura gemacht hat'. Vor sechs Jahren habe ich die beiden Tätigkeiten vereint und mache nur noch eine Arbeit, die interdisziplinär ist, aus Kunst und Wissenschaft."
Wandmalereien, Zeichnungen und Performances
Seine Methode als Streetart-Ökologe nennt Andreco "Nature as Art". So bringt er etwa natürliche Organismen in künstliche Umgebungen. Im Naturschutzgebiet des Tiberzuflusses Aniene im römischen Norden pflanzte er unter anderem Hanf und Pappeln, um die belasteten Böden zu entgiften. Eine Stichprobe davon wurde Teil einer Ausstellung in der Biblioteca Angelica. In Neu-Delhi malte er mit einer speziellen Farbe, die kleine Mengen an Stickoxide binden kann, eine schwarze Smogwolke an eine Wand. So macht sie die Luft in der Stadt etwas sauberer. Die physikalisch-chemischen Reaktionen seien in seinen Installationen die eigentlichen Kunstwerke, erklärt Andreco. Daneben hat er aber auch eine Symbolsprache aus geometrischen Figuren entwickelt. Immer wieder tauchen spitz zulaufende Felsbrocken und Wolken in seinen Wandmalereien, Zeichnungen und Performances auf. So werden wissenschaftliche Ergebnisse zugänglicher als über Statistiken und Zahlen.
"Die Sprache der Kunst, der zeitgenössischen Kunst, erreicht die Menschen auf eine spezielle Art. Die nicht unbedingt besser ist als andere, aber mit Sicherheit bringt sie eher den Bereich der Sinne und der Empfindungen ins Spiel und kann dadurch tiefe Gefühlsebenen berühren."
Unwohlsein und Beklemmung
Bei seinen Performances greift er zu eindrucksvollen künstlerischen Mitteln: Die Darsteller auf der Tiberinsel mit ihren schwarzen Umhängen und Sturmhauben zünden bengalische Fackeln an und lösen beim Publikum auch Unwohlsein und Beklemmung aus. Andreco macht politische Aktionskunst zeigt aber immer auch Auswege zum Bessern.
"Ich versuche, nicht nur anzuklagen, sondern auch zu zeigen, wie mögliche Lösungen aussehen könnten. Und es gibt viele Möglichkeiten, den Kurs zu ändern, viele Praktiken, die die Umwelt, in der wir leben, verbessern können. Das Ökosystem – wie auch der Fluss – hat die Fähigkeit zur Regeneration. Das ist sehr wichtig. In meiner Arbeit geht es darum, auf die Regenerationsfähigkeit hinzuweisen."