Ursula Cyriax hat Kunst in Berlin, Hamburg und New York studiert - oder es zumindest immer mal wieder angefangen, denn vom Leben und Kunstmachen habe sie mehr gelernt. Sie lebte auf einer Künstlerfarm in den USA, veranstaltete Theater-Performances, hat Filme ausgestattet und Drehbücher mitgeschrieben, war Kuratorin beim Ersten Deutschen Computermusik-Festival, schuf Design-Arbeiten unter anderem für das Guggenheim Museum, arbeitete für die Internationale Frauen Universität im Rahmen der Expo in Hannover, gründete das Atelier mc in Berlin als Werkstatt, Seminarraum, Ausstellungsraum - und ist ausgebildete Glückstrainerin. Um nur ein paar Dinge zu nennen.
Anja Buchmann: Frau Cyriax, Würzburg, München, Ansbach - die Angst vor Extremismus und Anschlägen belegt in diesem Jahr erstmals den ersten Rang in einer Studie zu den Ängsten der Deutschen, also fast drei Viertel der Bevölkerung haben Angst vor Terroranschlägen. Was sagen Sie als Glückstrainerin? Wie kann man damit umgehen, um nicht entweder völlig durchzudrehen oder sich total zurückzuziehen?
Ursula Cyriax: Ja, sagen wir mal so, die Angst ist ja nicht nur schlecht, sondern die schützt uns ja auch vor Dingen. Also wenn wir keine Angst hätten vom 20-Meter-Turm zu springen, das wäre irgendwie ungünstig, nur es geht auch darum: Die Ängste müssen auch Raum haben, sie sind ja auch Triebfeder, aber viele Jugendliche - das ist jetzt auch noch mal meine Erfahrung, seitdem ich mehr unterrichte an Schulen und Bildungseinrichtungen -, dass Jugendliche gar nicht wissen, wie sie positive Gefühle erschaffen, um einfach auch in Balance zu sein. Wir wollen ja nicht mit dem Glücksunterricht negative Gefühle, Trauer, Angst oder so wegmachen, die haben ja ihre Berechtigung. Wir wollen uns aber widmen, wie kommen wir aus einem Loch, aus einer schlechten Phase, aus einer Depression oder auch einer Traurigkeit wieder raus.
Buchmann: Das heißt, ganz schlicht formuliert, der Fokus auf positive Gefühle und schon ist man auf der glücklichen Seite?
"Wir haben Pech, weil wir für das Glücklichsein und das Glückhaben das gleiche Wort haben"
Cyriax: Nee, so einfach ist es leider nicht. Es ist mit dem Glück, das haben die Neurowissenschaften verifiziert, wie mit einer Fremdsprache oder eine Sportart, also es kann richtig gelernt werden. Dazu bedarf es, wie mit den anderen Sachen auch, bedarf es eben, das zu verstehen einerseits, kognitiv, und andererseits, das zu üben.
Buchmann: Auf der Homepage von Ihrem Atelier steht auch ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe, und zwar, ich zitiere kurz: "Jeder hat sein eigen Glück unter den Händen, wie der Künstler eine rohe Materie, die er zu einer Gestalt umbilden will. Aber es ist mit dieser Kunst wie mit allen: Nur die Fähigkeit wird uns angeboren; sie will gelernt und sorgfältig ausgeübt sein." Also, man meint ja, Kunst fliegt begabten Menschen zu, die werden einfach von der Muse geküsst und dann läuft das und genauso denkt man vielleicht auch: Glück hat man oder hat man eben nicht. Sie sagen aber, Glück kann man üben. Wie kann man es üben?
Cyriax: Wir haben in Deutschland wirklich ein bisschen Pech, weil wir für das Glücklichsein und das Glückhaben, dafür haben wir das gleiche Wort. Also Glück haben, es gibt einerseits das Zufallsglück, wir gewinnen eine Million oder wir sind eben nicht von diesem Anschlag in München oder sonst wo betroffen, wir waren in einer anderen Stadt oder so...
"Wir können das Glücklichsein lernen, indem wir anders denken, indem wir unseren Fokus anders setzen"
Buchmann: Das können wir aber nicht beeinflussen?
Cyriax: Genau, das können wir nicht beeinflussen. Aber jetzt haben wir das gleiche Wort, also nämlich Glück für eben auch das Glücklichsein. Die anderen Länder und Nationen haben es besser. Die Engländer unterscheiden da zum Beispiel ganz sauber, also die haben "Luck" für das Zufallsglück und "Happiness" für das Glücklichsein. Wir können das Glücklichsein lernen, indem wir anders denken, indem wir unseren Fokus anders setzen. Man muss sich das so vorstellen: Wir werden geboren, wir haben ein sportliches Talent oder wir haben ein künstlerisches Talent, wenn wir das jetzt haben, aber eben nicht Klavier üben, ein Instrument üben, mit der Stimme üben...
Buchmann: Dann verkümmert es.
Cyriax: Genau! Und so ist es auch mit dem Glück.
Buchmann: Sie geben Seminare, Workshops, inzwischen gibt es tatsächlich an einigen Schulen auch das Fach Glück, wohl an über 100 Schulen bundesweit - zumindest in AGs und so weiter. Was machen Sie konkret mit einer Klasse voll pubertierender 14-Jähriger zum Thema Glück? Die finden das doch wahrscheinlich erstmal ziemlich uncool?!
Cyriax: Da gibt es einen ganz konkreten Ablauf, ganz konkrete Module. Wir fangen also zum Beispiel an, natürlich erstmal, dass wir uns kennenlernen, dass wir Vertrauen aufbauen zu den Teilnehmern, der Teilnehmer für sich, dass er sich selbst vertraut, dass er dem Leben vertraut, den anderen. Wir beschäftigen uns mit Freude am Leben, dass wir zunächst erstmal.... was schon auch bei vielen Menschen, jeder Altersgruppe ist so eine Art Freue am Leben, am Selbergestalten, also das Leben nicht erdulden, das Leben muss nicht erduldet werden, es kann richtig Freude machen, "juhu", "heisa", das irgendwie erstmal zu machen und wenn die Teilnehmer dann in der Freude auch wieder angekommen sind, dann kommt die Freude einer Leistung dazu, und dann gucken wir, sobald man sich noch ein bisschen besser kennengelernt hat, was will ich überhaupt? Was sind meine Träume? Was will ich mit diesem einen Leben, das ist jetzt hier habe, anfangen? Und dann hat man glücklicherweise Methoden gefunden, diese Träume auch zu verwirklichen und dabei unterstützen wir. Wir zeigen Entspannungstechniken, weil die in dieser globalisierten, technisierten Welt wichtig sind. Die müssten meiner Meinung nach auch schon in der Vorschule eingeführt werden. Ja.
"Ein Konglomerat aus verschiedensten Erkenntnissen"
Buchmann: Ist Ihre Glücksarbeit dann, ein bisschen ketzerisch gesagt, nicht auch einfach ein Konglomerat aus verschiedensten Erkenntnissen? Also Sie erwähnten gerade Entspannungsarbeit, Entspannungstechniken, es gibt Versatzteile sicherlich der positiven Psychologie, vielleicht auch ein bisschen aus dem Achtsamkeitstraining, MBSR wie auch immer... ist das nicht so? Sie haben sich von allem schön was zusammengesucht und präsentieren das jetzt als neue Glücksfinde-Methode?
Cyriax: Genau richtig, genau - und zwar, so war es auch schon, die alten Griechen wussten auch, dass nur Sprach- und Naturwissenschaften uns alleine nicht weiterbringen, also nicht genügen, um ein glückliches Leben zu führen. Und auch dort wurden, zum Beispiel in den Gärten des Epikur, Achtsamkeitsübungen gemacht. Es wurde ein Perspektivwechsel vorgenommen, also das mussten die Schüler üben, der Meister hat das vorgemacht. Und wir haben eigentlich nur jetzt altes Wissen so ein bisschen wiederentdeckt, ausgegraben, also wir kochen auch nur mit Wasser. Und wenn eben dann Erwachsene oder Jugendliche einmal wissen: Bewegung ist auch wichtig, also wenn man den ganzen Tag nur rumsitzt, ist eben auch nicht so gut auf die Dauer. Also man weiß, die Elemente des glücklichen, sinnvollen Lebens, und versucht die eben bewusst zu machen, so dass der Mensch, welcher Gesellschafts-, Altersgruppe, Gesellschaftsschicht der angehört, vom Erdulder zum Gestalter seines Lebens wird und dann die Herausforderungen, die das Leben an uns stellt, in heiterer Gelassenheit bewältigt.
"40 Prozent können wir selbst beeinflussen"
Buchmann: Das klingt natürlich sehr schön, aber ist es nicht auch ein bisschen elitär, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen? Also Menschen, auch in Deutschland, die haben ja zum Teil völlig andere Fragen. Wie kriege ich meine Rechnungen bezahlt, habe ich genug zu essen für den Monat, wird mein Asylantrag genehmigt etcetera. Die können mit sowas wie Glück lernen wahrscheinlich gar nichts anfangen. Was würden Sie denen entgegnen?
Cyriax: Das hat mit Reichtum jetzt nicht so viel zu tun, das weiß man eben auch aus der Glücksforschung. Natürlich, zehn Prozent macht das Materielle aus hat Professor Sonja Lyubomirsky rausgefunden, also zehn Prozent unseres Daseins ist materiell bestimmt durch Outputs.
Buchmann: Aber 40 Prozent können wir selbst beeinflussen.
Cyriax: So ist es, genau richtig.
Buchmann: Herzlichen Dank, die Künstlerin und Glückstrainerin Ursula Cyriax, danke für dieses Corso-Gespräch und - ich weiß nicht, ob ich das sagen kann - viel Glück bei Ihrem Vortrag am Wochenende.
Cyriax: Dankeschön, und Ihnen auch und vielen Dank und noch einen schönen Tag.
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