Franz Kafka, Robert Musil, Thomas Mann - sie alle litten unter "Neurasthenie". Kurz vor der Jahrhundertwende, im Jahr 1880, wurde die Krankheit erstmals von George M. Beard so benannt. "Neurasthenie ist etwas, von dem man heute sagen kann, dass es aus der Mode gekommen ist - das zeigt, dass es damals um 1900 eine wirkliche Modekrankheit war", beschreibt Buchautor Florian Illies die Krankheit.
Diagnose als Hilfe
Vor allem Künstler und Schriftsteller hätten unter Neurasthenie gelitten. Sie passe zu dem sensiblen Künstlertypus eines Ernst Ludwig Kirchners oder eines Egon Schiele. "Ich glaube, es war ein Leiden von Hypersensiblen", so Illies. Vielen Betroffenen habe es geholfen, dass sie einen medizinischen Begriff für ihr "Leiden an der Welt oder an sich" gefunden hätten. "Neurasthenie war akzeptiert in der Gesellschaft als Leiden für besonders empfindliche Nerven." Die Krankheit sei auch wissenschaftlich ernst genommen worden, unter anderem habe Sigmund Freud dazu geforscht und sie von anderen Angstneurosen abgegrenzt.
Konsequenz der Beschleunigung
Illies sieht die Neurasthenie auch als Konsequenz der rasanten Entwicklungen im frühen 19. Jahrhundert. "Die Neurasthenie ist eine Folge der irritierenden Beschleunigung in allen Lebensbereichen", so Illies. Vor allem die sensiblen Künstler und Schriftsteller hätten damit nicht gut umgehen können. Die Zeit sei auch der "Beginn unserer Gegenwart" gewesen, so Illies "in der Überforderung aus ganz unterschiedlichen Dingen, die auf den modernen Menschen einprasseln."